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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 569 / 17.2.2012

aufgeblättert

Zapatismus

In seinem Buch »Alles für alle! Zapatismus zwischen Sozialtheorie, Pop und Pentagon« zeichnet Jens Kastner die Auswirkungen der zapatistischen Bewegung nach, die sie bis heute in vielfältigen politischen und kulturellen Bereichen weltweit hat. Selbst das US-Verteidigungsministerium und der israelische Geheimdienst nutzen Erfahrungen aus dem Kampf der Zapatisten. So wird in einer Studie des Pentagon die Ansicht vertreten, dass moderne Kriegsführung nicht nur alle gesellschaftlichen Bereiche erfassen, sondern auch auf die menschliche Wahrnehmung selbst ausgedehnt werden müsse. Dies verweist auf das Hauptanliegen des Autors: Es geht im Kampf gegen die neoliberale Hegemonie immer auch um die Interpretation der Realität, um die Konstruktion der (eigenen) Identität, um die Besetzung von Zeichen und gesellschaftliche Deutungscodes. Dies erkannt zu haben und im Kampf gegen die neoliberale Hegemonie einzusetzen, macht den Zapatismus laut Kastner so anschlussfähig: Nicht die gleiche soziale Lage, sondern die Anerkennung der Differenzen und deren Überwindung im Kampf für eine »andere Welt«, macht es möglich, dass sich sehr unterschiedliche Kämpfe miteinander verbinden und die AktivistInnen voneinander lernen. Das Buch bietet eine Fülle an Informationen, Literaturhinweisen und Anregungen zur Diskussion in essayistischer Form. Wer ein Nachschlagewerk erwartet, dürfte enttäuscht werden, ansonsten: spannend und lesenswert!

Antje Gebel

Jens Kastner: Alles für alle! Zapatismus zwischen Sozialtheorie, Pop und Pentagon. Edition Assemblage, Münster 2011. 119 Seiten, 12,80 EUR.

Sarrazynismus

Die Tatsache, dass ein ehemaliger Berliner Senator mit Thesen über die Gene von Juden und Basken einen Sachbuch-Bestseller landen konnte und dass Rassismus in Deutschland nicht erkannt wird, wenn das Wort »Rasse« durch »Ethnie« oder »Kultur« ersetzt wird, war für viele Linke ein Schock. Aus der mit Verzögerung einsetzenden kritischen Debatte ist auch der Sammelband »Rassismus in der Leistungsgesellschaft« entstanden. Die 14 Beiträge gruppieren sich unter den Kapiteln »Migration und Rassismus«, »Bevölkerungs- und Biopolitik«, »Kapital und Nation« und »Interventionen und Perspektiven«. Gelungen ist die Einleitung des Herausgebers, in der die grundlegenden Thesen und Argumente aufgeschlüsselt werden. Die Verbindungen zwischen der Sarrazin-Debatte und den neoliberalen Gesellschaftsvorstellungen, die solche Debatten forcieren, zeigt Christoph Butterwegge in seinem lesenswerten Beitrag »Zwischen neoliberaler Standortlogik und rechtspopulistischem Sarrazynismus«. Das Buch ist insgesamt lesenswert und deutlich gehaltvoller als viele andere Veröffentlichungen im Zuge der Sarrazin-Debatte. Allerdings ist die Sprache teilweise unnötig kompliziert - ohne Kenntnis soziologischer Termini sind einige Texte nicht verständlich. Die analytische und eher akademische Schwerpunktsetzung zeigt sich auch daran, dass das letzte Kapitel »Interventionen und Perspektiven« am kürzesten ausfällt und praxisnahe Vorschläge weitgehend fehlen.

Ismail Küpeli

Sebastian Friedrich (Hg.): Rassismus in der Leistungsgesellschaft. Edition Assemblage, Münster 2011. 264 Seiten, 19,80 EUR.

Lehrlingsbewegung

Die Geschichtsschreibung über die 68er-Revolte erwähnt die Beteiligung junger ArbeiterInnen meist nur am Rande. In seiner Studie »Lehrzeit - keine Leerzeit« untersucht David Templin die Lehrlingsbewegung in Hamburg zwischen 1968 und 1972. Sie richtete sich gegen die Ausbeutung in den Betrieben, gegen autoritäre Meister und die Verwendung der Lehrlinge für ausbildungsfremde Tätigkeiten. Dagegen protestierten die Auszubildenden auf »Feg-ins« mit ihrem oftmals wichtigsten Arbeitsmittel, dem Besen, und der Parole »Fegen stärkt die Muskeln, schwächt das Gehirn«. Es ging ihnen aber nicht nur um eine bessere Ausbildung. Für viele war die Lehrlingsbewegung Ausgangspunkt einer umfassenden Politisierung. Sie organisierten sich in der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), dem Jugendverband der DKP, oder dem Sozialistischen Arbeiter- und Lehrlingszentrum (SALZ), einem Vorläufer des Kommunistischen Bundes (KB). Das Verhältnis zum Gewerkschaftsapparat blieb angespannt und ein Streitpunkt auch innerhalb der Lehrlingsbewegung. Das trug zu ihrem relativ schnellen Niedergang bei. Geblieben sei, schreibt David Templin, »die Aktivierung Tausender Jugendlicher..., die ein kritisches Bewusstsein entwickelten, sich politisch engagierten und Missstände in Betrieben anprangerten«. Die längerfristigen Auswirkungen der Proteste auf die Gewerkschaften und die berufliche Bildung seien noch weitgehend unerforscht.

Jens Renner

David Templin: »Lehrzeit - keine Leerzeit!« Die Lehrlingsbewegung in Hamburg 1968 - 1972. Dölling und Gallitz Verlag, München und Hamburg 2011. 196 Seiten, 10 EUR.

Polizeithriller

Dominique Manotti brach in schallendes Gelächter aus, als sie in einem Interview gefragt wurde, ob ihr Buch zu einer Beseitigung der darin angeprangerten »Missstände« geführt habe. Natürlich nicht! Wie auch? Der Krimi »Einschlägig bekannt«, vom Argument-Verlag als »der ultimative Polizeithriller« beworben, ist eine schonungslose Anklage systematischer polizeilicher Rechtsverstöße. Aber bisher hat sich kein »Gericht« gefunden, das diese Anklage verhandelt hätte. Natürlich werden von Zeit zu Zeit »schwarze Schafe« bestraft oder versetzt. An dem System staatlicher Gewalt aber ändert sich nichts. Manottis Geschichte spielt in einer fiktiven Pariser Vorstadt, die von ihr geschilderten Lebensbedingungen aber sind authentisch, und auch die handelnden Figuren ähneln nicht zufällig realen Personen. Uniformierte Staatsdiener bessern mit Einnahmen aus Prostitution und Drogenhandel ihr Gehalt auf; täglich führen sie willkürlich Kontrollen »Verdächtiger« durch - fast ausschließlich unter MigrantInnen, von denen zwar viele französische StaatsbürgerInnen sind, aber deswegen noch lange nicht die gleichen Rechte haben. Solche »Kontrollen« laufen dann manchmal so »aus dem Ruder«, dass es Tote gibt. Das alles geschieht im Rahmen einer von der Politik angeordneten »Säuberung mit Hochdruck« - wer sich hier an Sarkozys menschenfeindliche Parolen erinnert fühlt, liegt nicht falsch. Ein starkes Buch!

Daniel Ernst

Dominique Manotti: Einschlägig bekannt. Ariadne Kriminalroman, Argument-Verlag, Hamburg 2011. 250 Seiten, 12,90 EUR.