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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 570 / 16.3.2012

Da muss Schwung in die Gedenkbude

Aktion Europas größter Naziaufmarsch ist Geschichte, doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende

Von Maike Zimmermann

Alle sind glücklich. Das ist ebenso schön wie selten. Aber dieses Jahr in Dresden stimmt es - nur für die Nazis nicht, versteht sich. Für die sah es schon am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung der Stadt, nicht besonders rosig aus. (Vgl. ak 569) Am 18. Februar, dem darauffolgenden Samstag, an dem sie in den letzten Jahren ihren Großaufmarsch veranstalteten bzw. es versuchten, tauchten sie gar nicht erst auf. Bereits im Vorfeld hatte die Junge Landsmannschaft Ostdeutschland (JLO) die Segel gestrichen.

Trotzdem hielt das Bündnis Dresden Nazifrei an seiner Mobilisierung fest, und auch die AG 13. Februar, eine Initiative von Stadt und Parteien, rief zu einer Kundgebung auf. Zahlenmäßig ein eindeutiger Fall: Rund 10.000 Menschen folgten dem Aufruf von Dresden Nazifrei zu einer Demonstration gegen Nazis und sächsische Verhältnisse, knapp 1.500 kamen zum Schlossplatz, um Frank Richter von der Landeszentrale für Politische Bildung, Hans-Jochen Vogel und dem Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel zu lauschen.

Zwei Veranstaltungen gegen Nazis ohne Nazis in der Stadt? Klingt erstmal merkwürdig. Zufall ist dies jedoch nicht. »Es gibt in Dresden heute nur zwei Demos«, so der Chefdramaturg des Staatsschauspiels, Peter Koall, bei der Kundgebung am Schlossplatz. Und beides seien »Demos Dresdner Bürger«. Das erklärt den Sachverhalt noch nicht so ganz. Weiterhelfen kann Frank Richter: »Es ist gut, dass so viele Menschen dem Aufruf der AG 13. Februar gefolgt sind. Sie haben ein friedliches Zeichen für die Demokratie und gegen Extremismus gesetzt.« Da kommen wir der Sache schon näher.

Ja, es hat sich viel getan in Dresden. Aber im Land des Hufeisenmodells wird die sogenannte Extremismusdoktrin noch immer gegen all diejenigen in Stellung gebracht, von denen man befürchtet, sie könnten die sächsische Demokratie gefährden. Und so ist das Verdienst des vor drei Jahren in Dresden gegründeten Bündnisses Dresden Nazifrei eben nicht nur, erfolgreich gegen den Naziaufmarsch vorgegangen zu sein. Durch die Breite des Bündnisses von Antifagruppen über Gewerkschaften bis hin zu Grünen und SPD wurde dem Extremismuswahn in Dresden effektiv etwas entgegengesetzt.

Man kann spektrenübergreifende Bündnisse dafür kritisieren, dass in ihnen Positionen verwässern, dass politische Parteien versuchen, solche Bündnisse zu instrumentalisieren, dass man mit Leuten gemeinsame Sache macht, deren Positionen man an anderer Stelle politisch ablehnt. Aber im Fall von Dresden Nazifrei muss man anerkennen: Trotz massiver Repression mit Hausdurchsuchungen, Funkzellenabfrage, Strafanzeigen und trotz Medien- und Politikerhetze gegen vermeintliche linke Chaoten, Randale, Gewalttäter, Kreuzberger Zustände etc. gab es eben keine öffentlichen Distanzierungen aus dem Umfeld von Dresden Nazifrei. Im Gegenteil: Ziviler Ungehorsam steht auch bei Bürgerinnen und Bürgern heute hoch im Kurs.

Das ist jedoch nicht das einzige, was in diesem Februar deutlich wurde. Mythen wie die Opfererzählung von Dresden sind hartnäckig und langlebig. Sie können sich verändern - zum Gutem wie zum Schlechten. Oft bleibt ein Kern, auch wenn sich die Deutung verschiebt. Einen Naziaufmarsch kann man vielleicht nach wenigen Jahren knacken, Opfermythen jedoch nicht. Der Eindruck drängt sich auf: Sollten die Nazis in den kommenden Jahren im Februar der Stadt fernbleiben, wird es nicht allzu lange dauern, bis man in Dresden zu dem zurückkehrt, was man dort zur Genüge kennt: stilles Gedenken an die eigenen Opfer mit Glockengeläute in der ganzen Stadt zum Zeitpunkt der Bombardierung und dem ganzen Drum und Dran.

Moment mal, war das nicht genau das, woran die Nazis jahrelang anknüpfen konnten? Da heißt es, am Ball bleiben - auch ohne Nazis. Apropos, was meinen die denn eigentlich zum diesjährigen Februar? Nichts Gutes, wie man sich denken kann. Schon der 13. Februar war ein »schlechter Witz«, ein »Debakel« und »frustrierend« heißt es in einschlägigen Internetforen der extremen Rechten. Zwar sind die Veranstalter bemüht, den Ultra-Kurz-Aufmarsch als Erfolg zu verkaufen, aber so recht will da die Basis nicht folgen.

»Hier wurde ZWEI zentrale Veranstaltungen des NW von Zecken und etablierten Systempolitikern kaputt gemacht. Und wir haben es einfach so geschehen lassen und versuchen es auch noch als Sieg darzustellen«, beschwert sich ein User im Naziforum Thiazi, um zu dem Schluss zu kommen: »Dresden ist gestern ein zweites mal untergegangen.« Auch an anderer Stelle fragt man sich: »Wie soll es weitergehen?« Man habe das letzte große Ereignis verloren, die Zeit der großen Trauermärsche sei damit vorbei. Um sich nicht »zum Gespött« zu machen, müsse man entschlossen auftreten - »einer Masse die sich lenken läßt wie Vieh schließt sich doch kein normaldenkender Mensch an«. Wie war das noch mit »Führer, wir folgen dir«?

In Hamburg versucht man sich derweil auf der Naziseite mein-hh.info an Strategiepapieren. Man werde auch künftig mit massiven Blockaden rechnen müssen, z.B. beim TddZ, dem »Tag der deutschen Zukunft« Anfang Juni in Hamburg. Hoffentlich haben die Nazis in diesem Punkt mal ausnahmsweise Recht.

Auch die Demonstration am 18. Februar von Dresden Nazifrei mit einer Route, auf der noch vor ein paar Jahren 7.000 Rechte durch die Stadt zogen, frustriert viele Neonazis. Die kleinen Aufmärsche in Gera, Worms und Fürth spenden da wenig Trost.

Rund die Hälfte der AntifaschistInnen, die ursprünglich nach Dresden fahren wollten, sind auch tatsächlich gefahren, obwohl die Nazis ihren Aufmarsch abgesagt hatten. Das ist in Anbetracht des leider üblichen antifaschistischen Beißreflexes, immer da sein zu wollen, wo die Nazis sind, ganz beachtlich. Das Ergebnis war eine beeindruckende linke antifaschistische Demonstration, laut, kraftvoll und vielfältig. Politik kommt ohne Emotionen nicht aus. Zu sehen und zu erfahren, dass wir viele sind, tut da ab und zu auch mal ganz schön gut.

Aktivierungskonferenz

Im Sommer macht Blockieren bestimmt noch mehr Spaß als im Februar. Seit mehreren Jahren marschieren Neonazis jedes Jahr im August durch das niedersächsische Bad Nenndorf. Damit das nicht so bleibt, findet vom 23. bis zum 25. März in Hannover eine Aktivierungskonferenz statt, Infos unter aktivierungskonferenz.blogsport.de.