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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 572 / 18.5.2012

Urlaub vom Urlaub

Der Gedanke an Flucht

Arbeit ist scheiße - Urlaub ist toll! Und das Schönste ist die Vorfreude: Flug gebucht, haha, der Arbeit ein Schnippchen geschlagen! Tausend Sachen, zu denen man sonst nicht kommt - im Urlaub wird endlich Zeit dafür sein. Die Urlaubsplanung ist für den Arbeitsmenschen beinah so befreiend wie für Gefangene der Gedanke an Flucht. Im Urlaub sieht die Sache dann oft anders aus. Buch ist langweilig, nach drei Tagen hat man alle Wege am Urlaubsort schon mehrmals beschritten, und ein wenig abwechslungsreicher Tag am Strand endet mangels anderer Optionen um halb zehn im Bett. Beim Einschlafen dann ein beunruhigender Gedanke: Vermisse ich etwa die Arbeit?

Rudi Dutschke gab zu diesem Thema mal folgendes zu Protokoll: »Urlaub ist die Ergänzung der unmenschlichen und langweiligen Arbeit, der langweiligen 40 Arbeitsstunden pro Woche. Da ich mich zu meinem Studium menschlich verhalten darf, mich mit ihm identifiziere, brauche ich keinen Urlaub.« Das war, als geistige Tätigkeit noch ein Privileg Weniger war und Arbeit ansonsten mit Entfremdung gleichgesetzt wurde. Inzwischen weiß man, dass Identifikation mit der Arbeit nicht vor Erschöpfung schützt. Im Gegenteil: Da die scheinbar selbstbestimmte Arbeit den Stress oft noch steigert, nimmt die Zahl psychischer Erkrankungen - Ruhelosigkeit, Burnout, Depression - rapide zu.

Das Schlimmste am Urlaub ist der Kater bei der Rückkehr. Eine Bekannte erlitt nach ihrer letzten Reise einen regelrechten Zusammenbruch: Schon vor der Abfahrt hatte sie von ihrem unterfordernden und schlecht bezahlten Job die Schnauze voll. Am Tag der Rückkehr war das Offensichtliche dann nicht mehr zu verdrängen: Jetzt geht es wieder jeden Tag dorthin. Alle Erholung sofort verflogen.

Bei mir ist es etwas anders. Ich bin einer jener »selbstbestimmt« Arbeitenden, die sich extrem mit ihrer Tätigkeit identifizieren. Eigentlich. Doch nach dem letzten Urlaub ging erstmal gar nichts mehr. Bergeweise Mails zu beantwortenund gleich drei drängende Projekte vor der Nase, deren Abgabetermine näherrückten. Sicherheitshalber blieb ich noch ein paar Tage auf Tauchstation und tat erstmal nichts. Was die Probleme leider auch nicht löste, sondern verschärfte. Mein Vorhaben, einen soliden Plan für die Zukunft zu schmieden, war ich im Urlaub auch nicht angegangen.

Wie kommt's, dass Urlaub weder gegen langweilige fremdbestimmte noch gegen auslaugende selbstbestimmte Arbeit schützt? Die Antwort ist einfach: Urlaub schafft die für den kapitalistischen Markt zu leistende Arbeit nicht ab. Er verlängert nur die Erholungspause bis zum nächsten Montag. Was natürlich nicht bedeutet, dass mehr Urlaub nicht besser wäre. Meine nächsten freien Tage verbringe ich deshalb in Frankfurt bei dem Versuch, das Bankenviertel zu blockieren. Vielleicht hilft das ja.

Jan Ole Arps