Titelseite ak
Linksnet.de
ak und Fantômas sind Partner von Linksnet.de
ak bei facebook

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 572 / 18.5.2012

Viel Potenzial, wenig Erfolg

Rechtspopulismus In Deutschland steht er sich meist selbst im Weg

Von Jens Renner und Maike Zimmermann

Was ist das eigentlich: Populismus? Laut Bundeszentrale für politische Bildung handelt es sich hierbei um eine Politik, die sich »volksnah gibt, die Emotionen, Vorurteile und Ängste der Bevölkerung für eigene Zwecke nutzt und vermeintlich einfache und klare Lösungen für politische Probleme anbietet«. Schon aus dieser Definition wird ersichtlich, wie unkonkret der Begriff ist. Wann kommt Politik schon ohne Emotionen aus? Entsprechend willkürlich sind oftmals die Abgrenzungen zwischen populistischen DemagogInnen und »seriösen PolitikerInnen«. Man denke nur an Gerhard Schröder (SPD), der in Bezug auf Sexualstraftäter nur eine Lösung sah: »Wegschließen - und zwar für immer!« Oder an Guido Westerwelle (FDP) und sein schon fast geflügeltes Wort von der »spätrömischen Dekadenz«. Gern wird von bürgerlichen PolitikerInnen der Populismusvorwurf auch gegen Linke erhoben; etwa wenn die Linkspartei fordert: »Hartz IV muss weg!«

Auch bei dem Begriff »Rechtspopulismus« ist die definitorische Abgrenzung schwierig. Hinzu kommt, dass der Begriff mitunter verharmlosend wirkt. Nämlich dann, wenn er auf Gruppierungen der extremen Rechten angewandt wird wie z.B. die REPs oder die Lega Nord.

Bislang gibt es in Deutschland keine dauerhaft erfolgreiche rechtspopulistische Partei. Und das, obwohl die Bedingungen seit den 1980er Jahren eigentlich günstig sind: Man denke an die vielzitierte »Politikverdrossenheit«, den Rückgang der Wahlbeteiligung, den Niedergang der »Volksparteien« und ihrer Milieus . Das früher so stabile Drei-Parteien-System hat sich längst zu einem Mehrparteiensystem gewandelt - mit den Piraten ist es noch unübersichtlicher geworden. Die Chancen, sich als Newcomer zu etablieren, stehen im Prinzip also gar nicht schlecht.

Noch fehlt der »charismatische Führer«

Populismus will »volksnah« sein, haben wir eingangs gelernt. Entsprechend sind die klassischen Gegenstände rechtspopulistischer Agitation Mainstreamthemen wie »Asylmissbrauch«, Migration oder Islamisierung. Auch Law-and-Order-Themen gehören dazu, wie Kriminalität (häufig rassistisch aufgeladen als Rede von »kriminellen Ausländern«), Terrorismus und innere Sicherheit. Auf wirtschaftspolitischer Ebene wird gegen »Sozialschmarotzer« gehetzt, von der stabilen D-Mark im Gegensatz zum schwachen Euro geträumt, gegen die EU gewettert und für den Nationalstaat agitiert.

Ideologisch stehen rechtspopulistische Initiativen dem bürgerlich-demokratischen Spektrum an vielen Punkten nahe. Anders als bei extrem rechten Parteien wie der NPD ist man hier prinzipiell zum Bündnis bereit. Die Partei Rechtsstaatliche Offensive unter Ronald Schill hat dies vor gut zehn Jahren in Hamburg eindrucksvoll bewiesen: Mit 19,4 Prozent zog der von den Medien groß gemachte »Richter Gnadenlos« mit seiner Partei in die Hamburger Bürgerschaft ein. Drei Jahre lang wurde die Stadt von einem Bündnis aus CDU und Schill-Partei regiert - bis Schill den CDU-Bürgermeister Ole von Beust zu erpressen versuchte und von diesem abserviert wurde. Bei den Neuwahlen war dann die Schill-Partei schon wieder am Ende; auch der Versuch ihrer bundesweiten Ausdehnung scheiterte kläglich.

Sieht man sich Umfragen zu den von RechtspopulistInnen aufgegriffenen Themen an, wird offensichtlich: Zumindest was die inhaltliche Übereinstimmung angeht, ist ein Wähler- und Unterstützerpotenzial sehr wohl vorhanden. Woran liegt es dann, dass sich in der Bundesrepublik bislang keine rechtspopulistische Partei dauerhaft behaupten konnte?

Offensichtlich fehlt es an dem, was man nach Max Weber als »charismatischen Führer« bezeichnen kann: Der europäische Vergleich zeigt, dass die programmatisch meist dünn aufgestellten Parteien maßgeblich von solchen Leitfiguren abhängen. In der Bundesrepublik hält sich das potenzielle Führungspersonal jedoch von rechtspopulistischen Initiativen weitgehend fern. Das gilt sowohl für einen Friedrich Merz oder Karl-Theodor zu Guttenberg als auch für Hans-Olaf Henkel oder Thilo Sarrazin.

Doch nicht nur programmatisch und personell hat der deutsche Rechtspopulismus wenig zu bieten. Auch an einem Mindestmaß an Professionalität mangelt es. Dies wäre jedoch sowohl für Koalitionen als auch für das Image und für die Unterstützung durch finanzkräftige Sponsoren unverzichtbar. Um gesellschaftliche Akzeptanz zu bekommen, ist zudem eine glaubwürdige Abgrenzung nach Rechts von zentraler Bedeutung. Kommen rechtspopulistische Parteien in den Verdacht, mit Neonazis gemeinsame Sache zu machen - wie beispielsweise im Fall Pro NRW - sinkt die politische Anschlussfähigkeit, und Bündnisse mit dem bürgerlichen Spektrum werden deutlich erschwert.

Kein Grund zur Entwarnung

Politische Krisen, in der die bestehenden Parteien weiter abwirtschaften, erhöhen die Erfolgsaussichten für rechtspopulistische Kräfte. Die FDP legt in diesem Punkt zwar momentan gut vor, aber für eine umfassende Parteienkrise reicht das bei Weitem nicht. Auch in Bezug auf die europäische Krise steht Deutschland eher als Gewinner dar. Zudem lassen sich die bürgerlichen Parteien ungern ihre Themen und Posten wegnehmen. Mit dem Verweis auf das »Ansehen Deutschlands« können sie rechtspopulistische Bestrebungen in der Regel relativ gut ausbremsen, und zumindest verbal versuchen sich bürgerliche Parteien nach rechts abzugrenzen. Nicht zufällig ist Möllemann schon vor Jahren mit seinem Antisemitismusprojekt gescheitert.

Auch wenn es momentan weniger gut aussieht für den Rechtspopulismus in Deutschland, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Die Erfahrung hat gezeigt: Selbst aus Pfeifen wie Schill oder Sarrazin können Helden gemacht werden. Und sogar noch farblosere - und rechtere - Figuren hatten zeitweilig und regional Wahlerfolge. Nur weil es dem Rechtspopulismus zur Zeit an Vielem mangelt, bedeutet das nicht automatisch, dass es so bleiben wird. Auch die Ausstrahlung einer rechtspopulistischen Bewegung in anderen EU-Ländern könnte solche Initiativen in Deutschland fördern. Schon seit Jahren existieren hier verschiedene länderübergreifende Netzwerke. Schon deshalb ist es geboten, sich mit diesen Bewegungen zu beschäftigen.