Meinung
Die radikale Linke profitiert von einem Dialog
Die Partei DIE LINKE ist ein ganz schön anmaßender Laden - schließlich hat sie sich mit dem Namen, den sie sich mit ihrer Gründung gegeben hat, bereits herausgenommen, für die Linke insgesamt zu sprechen. Sie scheint keinen Unterschied zwischen gesellschaftlichen, radikalen oder Partei-Linken zu machen. Dabei scheint sie inhaltlich nur die gewerkschaftliche und die friedensbewegte Linke der 1980er Jahre zu repräsentieren. Schließlich lauten die zentralen Forderungen: Mindestlohn, Hilfen für »Schlecker-Frauen« und Raus aus Afghanistan! Gleichzeitig fehlen LINKE-Fahnen auf keiner Demo und keiner Blockade. Ein bis zwei ParteigenossInnen sind eigentlich auch immer auf Veranstaltungen der sozialen Bewegungen anzutreffen. Es gibt also trotz der scheinbar eingeschränkten inhaltlichen Palette kaum einen Raum, in dem die radikale Linke vor der LINKEN verschont bleibt, so sehr sich das manch eineR auch wünschen mag.
Wenn man sich das Programm der LINKEN ansieht, so findet man allerdings eine Menge Forderungen, die - bliebe die Autorenschaft verborgen - sicherlich von vielen radikalen Linken unterzeichnet werden müssten: »Familie ist da, wo Menschen Verantwortung füreinander übernehmen, egal, ob als Lebensgemeinschaft, als Ehepaar, als Mehrgenerationenhaushalt oder in anderen Formen der Gemeinschaft.« Oder: »Eine ökologisch nachhaltige Entwicklung steht im Widerspruch zur kapitalistischen Wachstumslogik. Die ökologische Frage ist ... eine Systemfrage.«
Oftmals scheint also nicht eine konkrete Forderung das Problem zu sein, sondern die Organisationsform der Partei selbst. Und tatsächlich muss DIE LINKE selbst erkennen, dass der enge Verbund einer Partei wenig Luft für Differenzen lässt - trotz sehr unterschiedlicher Möglichkeiten der Partizipation wie klassischer Vorstandsarbeit, Basisorganisationen oder inhaltliche Zusammenschlüsse. Wenn es am Ende immer um Wählerstimmen geht, kann die Idee der großen Veränderung schnell in den Hintergrund treten. So zumindest die Unterstellung, die sicherlich nicht nur in Einzelfällen zutreffend sein dürfte.
Und doch ist es derzeit eine Partei, die europaweit als Stimme gegen ausbeuterische Eurorettungsschirme und Sparzwänge wahrgenommen wird: Ohne die Erfolge von SYRIZA sähen wir - ob parteipolitisch organisiert oder nicht - ganz schön alt aus. So sehr wir uns bemühen: Die deutsche Linke wird nicht als Motor für radikale Veränderungen in der Eurokrise wahrgenommen. SYRIZA hingegen ist die Hoffnungsträgerin, Alexis Tsipras steht für radikale Parteipolitik, die den herrschenden Politiken etwas entgegenzusetzen verspricht.
Vielleicht mag der aktuelle Erfolg SYRIZAs auch im Bündnischarakter zu suchen sein. Schließlich hat sich die Partei als Partei erst zu den Neuwahlen im Juni 2012 gegründet. Davor war sie ein Wahlbündnis. SYRIZA war also zunächst eine Form der Mosaik-Linken, wie sie Hans-Jürgen Urban, ein Vordenker der Gewerkschaftslinken, an verschiedener Stelle gezeichnet hat. In dem Wahlbündnis war jeder Stein nach wie vor erkennbar, doch zusammen entwarfen sie ein Bild.
Innerhalb der deutschen Linken muss das Mosaik anders aussehen. DIE LINKE hat sich inzwischen so weit entwickelt, dass sie keinen Raum für Bündnisse nach griechischem Vorbild zulässt. Deutsche Bündnisse müssen temporärer und inhaltlich spezifischer geschlossen werden. Und doch können DIE LINKE wie die radikale Linke nur gewinnen, betrachten sie sich als Teile eines Mosaiks der gesellschaftlichen Linken. DIE LINKE hat es verdient, dass sie von der radikalen Linken angetrieben wird. Sie muss sich inhaltlich und methodisch erneuern. Klatschparaden und stehen genauso wenig wie Bockwurst und Kartoffelsalat, dem Klassiker jedes Parteitages, für gesellschaftliche Veränderung.
Und die radikale Linke profitiert davon, wenn sie offen für einen Dialog mit der parlamentarischen Linken ist. Auf welche FürsprecherInnen gegen Überwachung und Repression, für kritische Freiräume in der Wissenschaft und der Bildung und eine grundsätzliche Ablehnung des Kapitalismus kann sie denn sonst noch zurückgreifen? Deshalb darf es der radikalen Linken nicht egal sein, was sich bei der LINKEN tut. Sie muss immer wieder entscheiden, an welchem Punkt die LINKE zu stützen ist und an welchen Punkten sie kritisiert gehört. Aber zumindest hat sie mit dem jüngst gewählten Parteivorstand den besten Ansprechpartner, den DIE LINKE seit ihrer Gründung anbieten kann.
Lena Kreck
Lena Kreck ist Redakteurin beim Magazin für Freiheit und Sozialismus - Prager Frühling.