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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 573 / 15.6.2012

Ohne Fundamente

Aktion Blockupy: Zwiespältige Bilanz trotz Demoerfolg

Von Olaf Bernau

Es liegt nahe, die Sache von hinten anzugehen: Mit der rundherum fulminanten Abschlussdemonstration hat der ansonsten eher durchwachsene Blockupy-Aktionsreigen eine überraschend positive Wendung genommen. Beeindruckend war nicht nur ihre Größe und Vielfalt, sondern auch die für deutsche Verhältnisse ungemein packende Gesamtatmosphäre. Die Demonstration hat zudem - insbesondere mit Blick auf das hermetisch von der Menge abgeschirmte Bankenviertel - die Vision einer völlig anderen, das heißt einer im Interesse der globalen Multitude stehenden Ordnung aufblitzen bzw. kurzfristig spürbar werden lassen.

Bei aller Begeisterung darf der fragile bzw. fragmentarische Charakter des Protests nicht aus dem Blick geraten. Noch am Vortag sah sich der Vorbereitungskreis der Abschlussdemonstration gezwungen, die Zahl der erwarteten Teilnehmenden auf bis zu 20.000 zu reduzieren. Dies zeigt, wie sehr mittlerweile die Mobilisierung für Massenaktionen zu einer Art Lotterie mutiert ist.

Die Menschen sind zwar wütend und empört, in ihrer Aktionsbereitschaft allerdings wenig einschätzbar - schlicht deshalb, weil sie nur noch vergleichsweise selten in handlungskatalysierende Kollektivakteure wie bewegungspolitische Netzwerke, linke Organisationen à la attac oder Gewerkschaften eingebunden sind. Ganz ähnlich die Situation bei den Blockaden, allerdings in umgekehrter Anordnung: Hier wurde im Vorfeld mit 4.000 bis 8.000 AktivistInnen gerechnet. Am Ende sind es gerade mal 2.500 geworden - und das, obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, dass das Potenzial für derlei Protestformen ungleich größer ist. Es macht also politisch keinen Sinn, Blockupy mit Verweis auf die Abschlussdemo doch noch zum Erfolgsprojekt hochzujazzen. Angebrachter erscheint, der Frage auf den Grund zu gehen, weshalb die Blockaden in Frankfurt auf derart wenig Resonanz gestoßen sind - trotz erheblicher Mobilisierungsanstrengungen sowie medialer Dauerpräsenz der Troika-Politik gegenüber Griechenland und anderen ins Trudeln geratenen Ländern der europäischen Peripherie. Dazu im Folgenden zwei stichwortartige Überlegungen:

1. Bis heute ist es der bewegungspolitischen Linken nicht gelungen, in sozialen Kämpfen ernsthaft Fuß zu fassen. Daran scheinen auch die guten Vorsätze nichts geändert zu haben, welche Anfang 2009 - gleichsam im ersten Krisenrausch - allenthalben gefasst wurden, nicht zuletzt unter Bezug auf schon gemachte Erfahrungen wie bei Gate Gourmet, Emmely oder Strike Bike. Hintergrund dürfte zum einen die ungebrochene Prioritätensetzung zugunsten eventorientierter Großmobilisierungen sein - eine Tendenz, die sich in Frankfurt auch daran bemerkbar gemacht hat, dass die ansonsten phantastisch agierende Demospitze des Antikapitalistischen Blocks (eine Art Hybrid aus Pink & Silver, Mayday- und Ultra-Kultur) in ihren Slogans vor allem den »Kommunismus« zelebrierte, kaum aber Bezüge zu konkreten Forderungen herstellte. Zum anderen der Umstand, dass die mit sozialen Kämpfen unweigerlich einhergehenden Erwartungen an Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit und Kontinuität auf zahlreiche BewegungsaktivistInnen immer wieder abschreckend wirken.

Kurzum: Wären die Krisenproteste in den letzten Jahren von den sozialen Bewegungen - ausgehend von lokalen Auseinandersetzungen - stärker weiterentwickelt worden, hätte dies sicherlich auch positive Folgen für Frankfurt gehabt. Unter anderem, wenn es gelungen wäre, zumindest punktuell VertreterInnen der einen oder anderen Belegschaft für die Blockaden zu gewinnen und somit den Zusammenhang zwischen Niedriglohnpolitik hierzulande und griechischer Krise öffentlichkeitswirksam, mithin mobilisierungsträchtig in Szene zu setzen.

2. Solidarität mit den sozialen Bewegungen in Griechenland hat von Anfang an zum Zentrum der Blockupy-Proteste gehört. Insofern kann es kaum verwundern, dass die Mobilisierung zu keinem Zeitpunkt eine gewisse Schwelle überschritten hat. Denn transnationale Solidaritätsperpektiven befinden sich hierzulande weiterhin in der Defensive. Dabei liegen die Zusammenhänge auf der Hand: Einerseits objektiv, weil Griechenland aus Troika-Sicht ohnehin nur als neoliberales »Krisenlabor« (Delef Hartmann) fungiert - mit unmissverständlicher Signalwirkung für Dritte. Andererseits subjektiv - aus Gründen der politischen und moralischen Unterstützung.

Wie wichtig diese ist, hat eine Aktivistin aus Griechenland unlängst erklärt. Danach sei die unter griechischen AktivistInnen immer wieder spürbare Lähmung (unterbrochen von mehr oder weniger intensiven Phasen des Protests) nicht zuletzt dem Umstand fehlender Unterstützung aus dem übrigen Europa geschuldet. Um so zukunftsweisender war es, dass sich in Frankfurt am Morgen der Abschlussdemo ein große Runde aus »Internationals» zur weiteren Abstimmung europäischer Krisenproteste zusammengefunden hat.

Olaf Bernau ist für NoLager Bremen bei Afrique-Europe-Interact aktiv.