Urlaub vom Urlaub
Kleines Feierabend-ABC
Vergangenen Donnerstag um 15:30 Uhr rief eine Freundin an und schlug vor, einen Kaffee trinken zu gehen. Ich war überrascht. »Musst du nicht immer bis 17 Uhr arbeiten?« »Doch«, bestätigte sie. »Aber heute habe ich B-Urlaub.« B-Urlaub? Ich ließ mich aufklären. A-Urlaub ist, wenn man selbst Urlaub nimmt. B-Urlaub ist, wenn der Chef oder die Chefin Urlaub hat. Dann weicht die Disziplin aus dem Büro wie Luft aus einem kaputten Reifen, die Computer werden heruntergefahren, und spätestens eine halbe Stunde vor dem offiziellen Feierabend ist der Raum wie leergefegt. »B-Urlaub ist nämlich ansteckend«, erläutert meine Freundin. »Vor allem, wenn du das Gefühl hast, du und dein Kollege, ihr seid die letzten beiden auf der Etage.« Man sollte daher, sagt sie, stets darauf achten, dass A- und B-Urlaub nicht auf die gleichen Tage fallen. Denn wer hat schon kostbare Urlaubszeit zu verschenken.
Ich gebe es ungern zu, aber dieses Konzept war mir bisher unbekannt. Es könnte daran liegen, dass ich freiberuflich arbeite, die Freundin aber in einer öffentlichen Einrichtung. (Vermutlich greift die B-Urlaubsregelung auch in jedem anderen größeren Büro.) Da ich mein eigener Chef bin, fallen A- und B-Urlaub quasi unvermeidlich zusammen. Der traurige Schluss: Ich kann niemals B-Urlaub haben!
Kann ich nicht? Der Kampf um die »Poren des Arbeitstages«, von dem Karl Marx schon im Kapital berichtete, nimmt bekanntlich vielfältige Formen an. Vorgesetzte eröffnen ihn gern mit der »Bitte«, »noch kurz« dieses und jenes zu erledigen. Beschäftigte wiederum haben ein gigantisches Arsenal verzögernder Operationen im Dauereinsatz, ob sie nun die Mittagspause in die Länge ziehen, überflüssige Wege in andere Abteilungen zurücklegen oder ihre Privatmails und Facebook checken. Viele dieser Methoden wende ich ebenfalls an, und meistens kriegt der Chef in mir nichts davon mit - oder duldet meine Trödelei, ganz wie im echten Arbeitsleben. Auch, dass ich zwei Stunden früher als geplant den Feierabend einläute, kommt vor, natürlich. Der Preis dafür ist leider oft ein schlechtes Gewissen, das die Freude an der hinzugewonnenen Lebenszeit - anders als bei meinen fest angestellten FreundInnen - eintrübt. Mein Problem ist also nicht mangelnder B-Urlaub, sondern fehlende Urlaubsstimmung. Im Endeffekt: eine ungenügende Persönlichkeitsspaltung.
Wie also die Arbeitnehmerseite in mir stärken? Knallharter Klassenkampf des Bauches gegen den Kopf? Oder besser ein sozialpartnerschaftliches Gentlemen's Agreement, dass es irgendwann auch mal reicht mit der Arbeit? Den »Chef« zwingen oder überzeugen?
Vielleicht sollte ich einen Psychologen zu Rate ziehen.
Jan Ole Arps