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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 576 / 19.10.2012

Aufstand der iSlaves

International Zum Verkaufsstart des iPhone 5 nehmen Arbeiterproteste in Chinas Foxconnwerken zu

Von Ralf Ruckus

Am Abend des 23. September brach bei Foxconn in Taiyuan, Shanxi, ein Riot aus. 2.000 ArbeiterInnen beteiligten sich, Tausende schauten zu, 40 wurden verletzt. Die ArbeiterInnen schmissen Schaufenster ein, entzündeten Feuer auf der Straße, warfen Polizeifahrzeuge um und zerstörten Firmenzäune. 5.000 PolizistInnen konnten die Situation erst in den frühen Morgenstunden unter Kontrolle bringen. Verhaftungen wurden keine gemeldet. Die Werksleitung stoppte für einen Tag die Produktion im gesamten Werk. Foxconn produziert in Taiyuan unter anderem Teile für Mobiltelefone wie das neue iPhone 5. 79.000 Leute arbeiten dort. Ihr Durchschnittsalter: 20 Jahre.

Nach Angaben von ArbeiterInnen begann der Riot, als der Werkschutz in einem Wohnheim in einen Streit eingriff und Leute verprügelte. Diese holten Hilfe. Tausende hatten gerade die Schicht beendet und beteiligten sich. Schon vorher hatte es zahlreiche Übergriffe von WerkschützerInnen gegeben. Die Methoden des Werkschutzes sind Teil des paramilitärischen Führungsstils bei Foxconn.

Ein Grund für den Riot war aber auch, dass Foxconn zusätzliche ArbeiterInnen für die Produktion von Teilen für das neue iPhone 5 brauchte. Also wurde Verstärkung aus Shenzhen und Zhengzhou herbeigeholt. Viele ArbeiterInnen wollen aber nicht in Provinzstädte wie Taiyuan. Die meisten ArbeiterInnen müssen zudem monotone und sich wiederholende Aufgaben erledigen, zehn bis zwölf Stunden am Tag. Der Krawall geht auf die Unzufriedenheit der Beschäftigten mit ihren repressiven Arbeits- und Lebensbedingungen zurück. Der Angriff des Werkschutzes war der Funke, der zur Explosion führte.

Am Freitag, den 5. Oktober, streikten ArbeiterInnen dann auch bei Foxconn in Zhengzhou in der Provinz Henan. In den Tagen zuvor hatte es in den USA und anderswo eine Welle von Kundenbeschwerden über Kratzer auf der Rückseite des iPhone 5 gegeben. Das Unternehmen reagierte, indem es die Qualitätsstandards in den Foxconnfabriken anhob. Die ArbeiterInnen wurden aber nicht entsprechend geschult. Der Streik brach aus, nachdem ArbeiterInnen und Qualitätskontrolleure in Streit geraten waren, bei dem es Verletzte gab und ein Kontrollraum zerstört wurde. Später wurden weitere Qualitätskontrolleure verprügelt und bedroht. Nachdem das Management Beschwerden der Qualitätskontrolleure ignoriert hatte, traten diese in den Streik. Mehrere Produktionslinien für das iPhone 5 waren den ganzen Tag blockiert. Insgesamt beteiligten sich 3.000 bis 4.000 Leute. Foxconn wies später alle Berichte zurück und leugnete den Streik.

Neue Streiks nach Apple-Kundenbeschwerden

Schon nach der Selbstmordserie von 2010, als innerhalb eines Jahres fast 20 ArbeiterInnen von Fabrikgebäuden in den Tod gesprungen waren, standen Foxconn und Apple unter Druck. Foxconn hatte danach an den Gebäuden Sicherheitsnetze installiert und die Löhne erhöht. ArbeiterInnen berichten allerdings, dass auch die Arbeitsgeschwindigkeit hoch gesetzt wurde und die Zahl der nicht entlohnten Überstunden zunahm. (1)

In diesem Jahr hat es schon etliche Berichte über Arbeiterkämpfe bei Foxconn gegeben. Im Januar drohten 150 FoxconnarbeiterInnen in Wuhan, sich von einem Gebäude zu stürzen, wenn ihre Lohnforderungen nicht erfüllt werden; 1.000 traten aus demselben Grund in Yantai in den Streik. Im Februar legten Hunderte in Ningbo die Arbeit nieder und verlangten eine bessere Feiertagsentlohnung. Im März traten 1.000 ArbeiterInnen in Taiyuan wegen der Löhne in den Streik; im April streikten 2.000 wieder in Taiyuan. In Wuhan drohten 200 mit Massenselbstmord wegen schlechten Löhnen und Arbeitsbedingungen, und in Shenzhen organisierten Dutzende eine Dachbesetzung gegen Verlagerungen und Versetzungen. Im Juni schließlich gab es in Chengdu einen Riot von 1.000 ArbeiterInnen nach einem Streit mit dem Werkschutz. (2)

Die neue Generation der chinesischen WanderarbeiterInnen erwartet Verbesserungen, erlebt aber fortgesetzte Ausbeutung und Diskriminierung. Die ArbeiterInnen wissen, dass Apple hohe Profite mit den Produkten macht, die sie herstellen, während ihre Bedingungen weiterhin mies sind. Und sie wissen auch, dass ArbeiterInnen in den Streik treten oder sich an Riots beteiligen. Sie haben in den letzten Jahren ständig auf höhere Löhne gedrängt. Gleichzeitig blieb die Fluktuation in den Fabriken hoch. Die ArbeiterInnen stellen sich die Frage, ob sie »einfach gehen« oder »bleiben und kämpfen« sollen. Es sieht so aus, als wählten sie nun öfter die zweite Option - auch bei Foxconn.

Ralf Ruckus schrieb in ak 570 über Arbeitskämpfe und ihre Organisationsformen in Chinas Weltmarktfabriken.

Weitere Informationen zu Foxconn: tuanjie.blogsport.de, Texte zu Klassenkämpfen in China: www.gongchao.org.

Anmerkungen:

1) Siehe Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan: Wo Zai Fushikang, Beijing 2012. Das Buch wird Anfang 2013 mit dem Titel »iSlaves - Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken« auf Deutsch im Mandelbaum Verlag erscheinen. Informationen zum Buch auf www.gongchao.org.

2) Siehe Berichte auf: chinastrikes.crowdmap.com/reports.