Meinung
UmFairteilen steht nahe der Fernsehkameras
Beim bundesweiten Aktionstag UmFairteilen protestierten in 40 Städten bundesweit laut Veranstalter 40.000 Menschen für eine andere Steuerpolitik, mehr Gerechtigkeit und die Zukunft des Sozialstaats. Dass die Medien gegen Ende des Tages die Zahlen der Veranstalter übernahmen, nachdem es tagsüber noch ganz anders aussah, spricht dafür, dass sie den Protesten wohlgesonnen waren. Das kann schon mal vorkommen. Darauf zu setzen kann aber gefährlich sein. Schließlich gehorchen die Medien ihrer eigenen Logik. Bei UmFairteilen herrschte eine symbolische Politik und Bilderproduktion für die Medien vor. So wurden in Erfurt symbolisch Geldsäcke zur Bürgermeisterin gebracht - zum fairteilen. Im Gegensatz hierzu setzte etwa Blockupy oder die Kampagne Castor schottern! darauf, vielen Menschen ein Angebot für zivilen Ungehorsam zu machen und so die Medien dazu zu zwingen, »zuzuhören«.
Ein einheitliches Bild gab der Protesttag jedoch nicht ab. Während in Hamburg Parteien und deren Fahnen dominierten und schon Wahlkampf geführt wurde, sah es in Bochum ganz anders aus. Hier schien die lokale Bündnisstruktur soziale Initiativen ebenso auf die Straße gebracht zu haben wie gewerkschaftlicher Protest.
Eine politische Nachbereitung zu UmFairteilen ist bisher kaum erfolgt - zumindest nicht öffentlich. Zwar wurde hier und da positiv herausgestellt, dass mit dem Aktionstag ein Anfang gemacht wurde: Auf einem bundesweiten Bündnistreffen am 10. November 2012 soll das weitere Vorgehen besprochen werden. Bisher ist jedoch völlig unklar, wie es weitergehen soll.
Andere Akteure sind da schon weiter. So plant etwa das Blockupy-Bündnis noch im Oktober einen Ratschlag, im November eine Protestwoche gegen die Euro-Finance-Week (EFW) und im Frühjahr 2013 eine Blockade des Bankenviertels. Aber ausgerechnet die politischen Träger von Blockupy, allen voran die Interventionistische Linke (IL), haben bei UmFairteilen nicht mitgemacht. Zwar waren IL-Gruppen mit Flugblättern und Transparenten auf den Demos vor Ort, aber verhielten sich im Vorfeld nicht zur Kampagne selbst. UmFairteilen wurde weder kritisiert, noch klinkte sich die IL in den Trägerkreis ein, was sicherlich von Teilen begrüßt worden wäre.
Eine solches Bündnis ist auch schwer vorstellbar, schließlich haben selbst Bundes-SPD und die Grünen mitgemacht. Claudia Roth (Grüne) forderte etwa am Rande der Kundgebung in Berlin eine Vermögensabgabe, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu erhalten. Und genau hier zeigt sich ein Problem: Der bisherige Zusammenhalt der Gesellschaft hat es aber gerade ermöglicht, dass die Krise nach unten abgewälzt wurde. Die Hoffnung auf einen Zusammenhalt der Gesellschaft funktioniert in den letzten Jahren im Rahmen eines nationalistischen Narrativs, das Klassenwidersprüche einebnet. Widersprüche, die von links und in Konfrontation mit dem Kapital und seiner Logik thematisiert werden müssten. UmFairteilen macht das gerade nicht. Das Bündnis will die sozialen Ungerechtigkeiten mildern - ohne deren Ursachen zu benennen.
Was könnte vor diesem Hintergrund auf der To-Do-Liste der radikalen Linken stehen? Sicherlich nicht auf dem UmFairteilen-Aktionstag zu fordern, den Kapitalismus zu »fairsenken«. Eine solche Politik wiegt selbstgenügsam in revolutionärer Pose. Die radikale Linke müsste vielmehr dazu beitragen, dass in Deutschland der soziale Frieden aufgekündigt wird - in den Betrieben, auf dem Jobcenter, den Universitäten, den Stadtteilen, die von der Kürzungspolitik dank Schuldenbremse betroffen sind und die von allen Parteien außer der LINKEN mitgetragen wird.
Das ist nur möglich, wenn sich GewerkschafterInnen von der SPD lösen. Angesichts der Bundestagswahlen 2013 wird es dazu kaum kommen. Und trotzdem: Die Teile der Gewerkschaften, Sozialverbände, Initiativen und linke Organisationen, die gemeinsam bei UmFairteilen auf der Straße waren, müssten in eine Debatte verwickelt werden, wie den Folgen von Schuldenbremse, Kürzungspolitik, sinkenden Löhnen und Prekarisierung etwas entgegengesetzt werden kann - egal, wer an der Regierung ist. Schließlich ist Rot-Grün für die größten Verarmungs- und Umverteilungsprojekte verantwortlich: Hartz IV und diverse Steuerreformen. Statt auf »die Politik« zu setzen, müsste eine Perspektive für die Selbstermächtigung Priorität bekommen. Möglichst gemeinsam mit den AktivistInnen in anderen Ländern.
Ingo Stützle