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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 578 / 21.12.2012

Aufgeblättert

Moderne Piraterie

»Die Piraterie vor Somalia ist eine vorübergehende und prekäre Form von Arbeit.« Diese These vertritt der Historiker Ralph Klein in seinem neuen Buch »Moderne Piraterie«. Der Autor selbst bezeichnet sein Werk als »Essay«, einen Versuch, sich dem Thema anzunähern. »Die unbotmäßigen piratischen Subjekte greifen zum Mittel der Piraterie, weil sie durch eine zerstörerische postkoloniale Politik ihrer Subsistenzmittel beraubt wurden.« Um das zu beweisen, beschreibt Klein die Geschichte der Region, die traditionellen Strukturen und deren Veränderung im 19. und 20. Jahrhundert. Im Mittelpunkt des Buches steht aber die Beschreibung des piratischen Alltags. Klein nimmt dabei die Perspektive der Piraten ein. Zuweilen verfällt er in einen leicht ironischen Erzählton, spricht immer wieder in seemännischen (»piratischen«) Metaphern und gerät dabei gelegentlich an die Grenze zur Verniedlichung. Andererseits tritt er entschlossen der Mainstream-Berichterstattung entgegen, die Piraterie mit Organisierter Kriminalität, Terrorismus oder Islamismus gleichsetzt. Die Bemühungen der kapitalistischen Staaten, das Phänomen militärisch zu bekämpfen, sieht er als Versuch an, sich Vorteile im »neoimperialistischen Kampf« um Ressourcen zu verschaffen. Die Piraten seien dabei nur ein Anlass. Am Ende geht Klein der Frage nach, ob die Piraten von Somalia als »Sozialbanditen« im Sinne Hobsbawms anzusehen sind. Zu einer klaren Antwort kommt er nicht.

Hans Weber

Ralph Klein: Moderne Piraterie - Die Piraten vor Somalia und ihre frühen afrikanischen Brüder. Assoziation A, Berlin/Hamburg 2012. 132 Seiten, 12 EUR.

Populismus

Die Begriffe Populismus oder populistisch werden in der politischen Auseinandersetzung meist in negativem Sinne gebraucht, ein Populist gilt allgemein als Demagoge. Nicht zu Unrecht, wenn man sich die Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus ansieht. Karin Priester, emeritierte Professorin für Politische Soziologie, versucht mit ihrem Populismus-Buch die »Annäherung an ein Chamäleon«, so der Untertitel. Sie stellt Definitionen und Typologien des Populismus vor, diskutiert Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Faschismus und Populismus und porträtiert den Elitenpopulismus der Tea Party. Über ihre These von der »überschätzten Rolle des Charismas im Populismus« ließe sich streiten: So sieht sie bei Figuren wie Bossi, Le Pen oder Haider lediglich eine »Schwundform des Charismas, den Charme«, am Werke. Diskussionsstoff birgt auch das Kapitel über Hugo Chávez als Beispiel für »linken Populismus an der Macht«. Priester sieht im Chavismus eine »jeder öffentlichen Kontrolle entzogene Verbindung zwischen Führer und Volk«, nicht den Sozialismus, sondern den »werbewirksam inszenierten Populismus des 21. Jahrhunderts«. In Europa erkennt sie allenfalls Ansätze von Linkspopulismus, etwa in der französischen Linkspartei oder in der Occupy-Bewegung. Die Frage bleibt offen, ob Linkspopulismus - etwa in Gestalt des »institutionen- und parteifeindlichen Neoanarchismus« - eine »Gefahr« darstellt oder ein »Korrektiv«.

Jens Renner

Karin Priester: Rechter und linker Populismus. Annäherungen an ein Chamäleon. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2012. 252 Seiten, 29,90 EUR.

Ein anderes Korea

»Ein anderes Buch über Korea« versprechen die beiden Autoren - und in der Tat: Was sie auf den folgenden 200 Seiten bieten, hebt sich von den üblichen Bildern ab, die über Süd- und Nordkorea in den meisten Köpfen existieren. Das kann nicht verwundern: Rainer Werning gilt als ausgewiesener Experte und berichtet seit Langem in der deutschsprachigen Presse über die Region, auch in ak. Der in Tokio geborene Koreaner Du-Yul Song war bis vor Kurzem Soziologie-Professor in Münster und setzt sich für die Annäherung beider Staaten ein. Als Du-Yul Song nach 37 Jahren im deutschen Exil im Jahr 2003 erstmals wieder Südkorea besuchte, wurde er verhaftet und wegen Verstoß gegen das Nationale Sicherheitsgesetz zu sieben Jahren Haft verurteilt. Erst eine internationale Kampagne bewirkte im Juli 2004 seine Freilassung. Satt »grobschlächtiger Vereinfachungen« wollen beide mit ihrem Buch einen Beitrag dazu leisten, »die Prozesse auf der koreanischen Halbinsel im historischen Kontext angemessen ... verstehen« zu können. Diesen historischen Kontext zeichnen die Autoren in fünf Kapiteln - beginnend mit der Annexion Koreas durch Japan 1910 - nach. Wer wissen will, warum Süd- und Nordkorea sich in offener Feindschaft gegenüberstehen und welche geostrategischen Interessen dabei eine Rolle spielen, wird in dem Buch viel darüber erfahren. Was allerdings fehlt: ein Blick auf die Entwicklung im Inneren der beiden Staaten. Das ist schade.

Martin Beck

Du-Yul Song und Rainer Werning: Korea. Von der Kolonie zum geteilten Land. Promedia, Wien 2012. 208 Seiten, 15,90 EUR.

Neue Marx-Lektüre

Der Verein Helle Panke e. V. - Rosa Luxemburg Stiftung Berlin hat in seiner Reihe Philosophische Gespräche das Heft »Die Neue Marx-Lektüre im internationalen Kontext« herausgegeben. Es dokumentiert zwei Vorträge, die Frank Engster und Jan Hoff in dem Berliner Verein gehalten haben. Engster unterteilt die ab den 1960er Jahren einsetzende Neue Marx-Lektüre in drei unterschiedliche Sphären. Diese Absetzung vom traditionellen Marxismus der realsozialistischen Länder bzw. durch den westlichen Marxismus verlief in den entwickelten Industrienationen des Westens relativ zeitgleich. Sie ließ aber »disparate und sogar territorial beschränkte Lesarten und Diskurse« entstehen: die französische, die deutsche sowie die italienische Neue Marx-Lektüre. Engster macht dabei drei Quellen der neuen Marx-Aneignung aus: »das Politische (Frankreich), die Subjektivität (Italien) und das Ökonomische (Deutschland)«. Der vorangestellte Beitrag von Jan Hoff ist - verglichen mit Engsters Text - weniger thesenhaft, sondern eine reine Editions- und Rezeptionsgeschichte. Die Darstellung besticht durch ihre Kenntnis der internationalen Marx-Diskussion, etwa der innerasiatischen Diskussion zwischen chinesischen, japanischen und koreanischen Marx-Kennern. Ein gelungener Blick über den europäischen Tellerrand, der notwendig ist, wenn das Bemühen um eine Internationalisierung der Marx- und Marxismus-Diskussion Früchte tragen soll.

Fabian Kunow

Frank Engster und Jan Hoff: Die Neue Marx-Lektüre im internationalen Kontext. Reihe Philosophische Gespräche, Heft 28, Berlin 2012. 52 Seiten, 3 EUR plus Versandkosten.