Come together - oder lieber nicht?
Kultur Ein neuer Dokumentarfilm aus Dresden zeigt, woraus der unsägliche 13. Februar in der Landeshauptstadt zusammengebraut wird
Von Katja Leyrer
»Muss das wirklich sein?«, fragte ich die Regisseurin vor ein paar Wochen. »Muss der Film unbedingt diesen kitschigen Titel haben?« Mittlerweile habe ich verstanden, dass »Come together« nicht nur einprägsam, sondern dass die Vieldeutigkeit des Titels auch gewollt und richtig ist.
Barbara Lubichs Dokumentarfilm über die Dresdner Gedenkkultur zu den Alliierten Bombenangriffen im Februar 1945 ist kein Agit-Prop-Mobilisationsstück für oder gegen irgendwelche Demonstrationen. Er bietet 94 Minuten lang Hintergrund, schmerzhaft realitätsnah. Und ist eine wahre Fleißarbeit: Über viele Jahre hat das Team gedreht, Demonstrationen begleitet, an Sitzungen teilgenommen, Interviews geführt, recherchiert und Dokumente zusammengetragen. Entstanden ist so etwas wie ein geknüpfter Filmteppich aus Hunderten von dicht geschnittenen Szenen, Aussagen und Bildern, die einen Gesamteindruck vermitteln von den Dresdner Befindlichkeiten, den Naziaufmärschen, den Bündnissen gegen die Nazis, den Unzumutbarkeiten der Stadt- und Landespolitik und den historischen Wurzeln dieses elendigen Gedenktages, den es in dieser dumpfen Ausprägung nur in der Sächsischen Landeshauptstadt gibt. Wobei an dessen Ausprägungen nicht nur die Ortsansässigen mitgewirkt haben, weder zu DDR-Zeiten noch später. Die beinahe schon wieder in Vergessenheit geratene TV-Berichterstattung aus der Mitte der 1990er Jahre belegt, was damals ReporterInnen oder staatliche WürdenträgerInnen von sich gaben - eine Trennschärfe zu den Statements der heute normalen parlamentarischen NPD ist da kaum zu entdecken. Das ist zweifellos erschreckend, aber eine der ganz großen Stärken des Films: dass er sich auch in den historischen Beiträgen an den Wahn der vereinigten Gedenkkultur des damals frisch wiedervereinigten Deutschlands wagt und nicht nur die fragwürdigen DDR-Manifestationen aus den 1950er und 1960er Jahren gegen den »anglo-amerikanischen Bombenterror« darstellt.
Der Film kommt ohne erklärende oder gar wertende Kommentare daher, lässt ausschließlich Beteiligte bzw. ProtagonistInnen, Bilder und Dokumente sprechen. Das ist handwerklich sehr gekonnt, aber manchmal durchaus irritierend. Klare Worte von Nora Goldenbogen, der Vorsitzenden der Dresdner Jüdischen Gemeinde, sehr schön, da freut man sich. Eine feine Szene zwischen dem aalglatten Palaver der PolitikerInnen, in der ein paar AktivistInnen ein riesiges Transparent gegen Nazis auf einem Hochhausdach in der Stadt anbringen. Das Herz hüpft - langer Beifall bei der Uraufführung. Sogar ein paar Einblicke ins Blockadetraining und viele Demobilder, die die Stärke und Vielfalt der letzten Anti-Nazi-Demos zum 13. Februar in Dresden zeigen. Das sieht man alles gern.
Nicht wirklich schön, aber bekannt: wie sich ParteienvertreterInnen, hier vor allem von CDU und FDP, winden. Ekelhaft die Nazis selber bei ihren Aufmärschen - alles, wie es sich gehört.
Aber richtig spannend sind die Brüche, die der Film dokumentiert. Wie die weiße Rose zum Symbol für den Gedenktag gemacht wurde. Und wie der sympathisch wirkende junge NPD-Abgeordnete vor sich hin menschelt und freimütig seine Gedanken zum Thema ausbreitet und sich nicht einmal scheut, eine Nähe zu den Geschwistern Scholl zu fühlen. Das tut richtig weh. Und es ist großartig, dass der Film so etwas nicht unterschlägt.
Nazis haben eben nicht immer schwarze Fahnen und Fackeln bei sich, sondern können auch ganz locker mit Dreitagebart und ohne Schlips in ihrem Abgeordnetenbüro aus dem Nähkästchen plaudern - hier über die interne Entstehungsgeschichte der Dresdner Nazi-Aufmärsche. Und die Stadt Dresden, die Unsummen für Frauenkirchenneubau, innerstädtisches Barock-Disneyland und eine heftig umstrittene Brücke ausgab und -gibt, hält es nicht für nötig, am Ort des ehemals größten NS-Zwangslagers für die Menschen, die in der Dresdner NS-Rüstungsindustrie arbeiten mussten und meist in KZs ermordet wurden, auch nur einen Euro auszugeben. Aber sie verfügt über ein tränendrüsiges Protokoll zum gemeinsamen Kranzabwurf für die eigenen Toten alljährlich am 13. Februar am Heidefriedhof. Dort sieht man dann Pelzdamen und schwarzgekleidete Herren (oder auch mal einen in Ausgehuniform der Bundeswehr) mit ernster Miene schreiten, die weiße Rose im Knopfloch, parteiübergreifend ...
Das Denkmal für die Opfer der Bombenangriffe auf Dresden ist 1965 entstanden, zu DDR-Zeiten also, Stehlen in der Runde, die Dresden einen sauberen Opferstatus in einer gleichsetzenden Reihe mit z.B. Warschau, Theresienstadt und Auschwitz verleihen sollen. Das ist dermaßen ungeheuerlich und frech, dass man kotzen möchte. Es ist die offizielle Politik im Elbflorenz, derer sich offenbar niemand der städtischen WürdenträgerInnen schämt. Man muss sich wahrlich nicht wundern, dass die »Nationalen Kräfte« nachgerade in dieser Stadt so gern ihre rituellen Märsche abhalten.
Auf der anderen Seite: Nicht alle Dresdnerinnen oder Dresdner, die am 13. Februar an den Menschenketten teilnehmen, sind GeschichtsrevisionistInnen oder feige. In der Tat sind diese Menschenketten »nur« ein Symbol, unter dessen Deckmantel sich viele unterschiedliche Standpunkte subsummieren lassen. Meine Nachbarn aber zum Beispiel, die fast alle sehr kleine Kinder haben, gehen dort mit ihren Kindern hin und nicht zu den Blockaden - da sind gefährliche Polizeiangriffe und die normale Winterskälte im Februar -, aber sie gehen dorthin, weil sie gegen die Naziaufmärsche sind. Einige von ihnen haben im nächsten Jahr vor, sich auch an den Blockaden zu beteiligen, während ich ihre Kinder hüte.
All das, wenn auch meine Nachbarn nicht im Film auftauchen, ist Thema von »Come together«. Und noch viel mehr. Bitte anschauen! Ach so, und ich bin absolut dafür, dass dieser Dresdner Gedenktag vollständig und ersatzlos abgeschafft wird.
Katja Leyrer ist Journalistin und lebt in Dresden.
Come together. Dresden und der 13. Februar. hechtfilm. Regie: Barbara Lubich, Filmteam: Michael Sommermeyer, Claudia Jerzak, Ralf Jakubski und Nikolaus Woernle. www.come-together-der-film.de. Ab Januar im Kino.