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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 578 / 21.12.2012

Digitale Solidarität

Kultur Das Internet ist ein Labor für solidarische Produktionsformen. Was fangen wir damit an?

Im Internet ist eine Kultur des solidarischen Austauschs und der kooperativen Produktion entstanden, die wichtiger Baustein eines politischen Emanzipationsprojekts sein könnte. Doch sie ist mit verschärften Versuchen privater Akteure konfrontiert, sich die gemeinsam produzierten Werte anzueignen. Was sind die Triebkräfte der digitalen Solidarität? Was ist zu tun, um sie zu stärken? Und welche Bedeutung hat sie über den Bildschirmrand hinaus?

Von Felix Stalder

Die Netzpolitik ist nicht nur eine Sparten- oder Industriepolitik, sondern sie legt, ähnlich wie Bildungspolitik, Grundlagen für die künftige Gesellschaftsentwicklung, reguliert, wer teilhaben kann, welche sozialen Dynamiken entstehen können und welche verhindert werden. Umfassend verstanden ist die Netzpolitik ein wesentlicher Baustein für eine Entwicklung der Commons, einer Produktionsform die den Nutzwert einer geteilten Ressource ins Zentrum stellt und damit Alternativen zu einem entfesselten, alles durchdringenden Markt ermöglichen kann.

Diese sind dringender denn je, denn das politisch-ökonomische System Europas steckt in einer tiefen Krise. Diese hat viele Gründe. Einer davon ist, dass sich in Kernbereichen der Ökonomie ein Widerspruch verschärft. Auf der einen Seite haben wir die zunehmende Bedeutung der Momente der sozialen Interaktion, des Austauschs, des vernetzen Wissens- und Handelns, auf der anderen Seite haben wir eine sich verschärfende Logik der privaten Aneignung dieser gemeinsam hervorgebrachten Werte. Während die eine Seite sich immer wieder der Aneignung zu entziehen versucht, und mit freien Lizenzen auch teilweise Mittel gefunden hat, das zu tun, zerstört eine aggressive Privatisierung von Wissen und Kultur die Voraussetzungen für neue Produktion.

In den letzten zwei Jahrzehnten war das Internet ein Labor der sozialen Innovation. Eine der erstaunlichsten Entdeckungen, die wir in diesem Labor machen konnten, war, dass es neben Markt und Staat weitere institutionelle Formen gibt, um Produktion und soziale Koordination in großem Umfang zu organisieren: die Commons. Welche Bedeutung haben diese neuen Formen solidarischen Handelns? Warum konnten sie sich gerade im Internet entwickeln? Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Perspektive für eine fortschrittliche Netzpolitik - und für ein politisches Emanzipationsprojekt überhaupt?

Geteilte Erfahrungen und das Motiv der Solidarität

Eine progressive Politik ohne das Motiv der Solidarität kann nicht gelingen. Solidarität in diesem Sinne ist keine Abstraktion. Sie ist keine menschliche Konstante, nur weil der Mensch ein soziales Wesen ist. Solidarität lässt sich auch nicht verordnen, sonst wird sie rasch zum Vorwand für Bevormundung. Solidarität als Grundlage einer emanzipatorischen Politik speist sich aus der täglichen Erfahrung, erneuert sich in gemeinsamen Handlungen und drückt sich in der praktischen Einsicht aus, dass sich die eigenen Wünsche und Ziele nur im Verbund mit anderen - und nicht ohne sie und gegen sie - erreichen lassen.

Traditionell war die Grundlage der Solidarität, auf der linke Politik aufbaute, die geteilte Erfahrung der ArbeiterInnen in der industriellen, kapitalistischen Produktion und der daraus gewonnene Wunsch, die kollektiven Lebensbedingungen zu verbessern. Zu dieser Erfahrung gehörte die Erkenntnis, dass sich ein besseres Leben der ArbeiterInnen nicht durch individuelle Tüchtigkeit erreichen lässt, sondern Veränderungen der allgemeinen Rahmenbedingungen erfordert. Ob dieses Ziel innerhalb oder nur außerhalb des Kapitalismus zu erreichen sei, darüber gab es heftige Kontroversen.

Die geteilte Erfahrung der ArbeiterInnen in der industriellen Produktion und die daraus erwachsende solidarische Ausrichtung sind in den letzten Jahrzehnten schwächer geworden, jedenfalls in Europa und Nordamerika. Das hat mit dem relativen Bedeutungsverlust der industriellen Produktion zu tun. Es ist eine Folge der neoliberalen Politik, die bewusst Momente und Instrumente der gelebten Solidarität zerstörte. Es ist aber auch eine Konsequenz eines gesellschaftlichen Wandels, den man ganz allgemein als »Individualisierung« bezeichnen kann.

Es ist also dringend nötig, neue Felder zu bestimmen, in denen Erfahrungen der Solidarität entstehen können, und nach politischen Instrumenten zu suchen, die diese Prozesse verstärken. Eines dieser Felder ist die digitale Kultur und eines der Instrumente ist die Netzpolitik.

Die drei Quellen der digitalen Kultur

Die digitale Kultur stellt eine konkrete, gelebte Realität dar, die viele Menschen als positiv und ermächtigend erleben. Sie ist ein günstiges Feld für progressive Politik, weil man hier meint, den Wind der Geschichte im Rücken zu spüren, während er einem in anderen Bereichen allzu oft ins Gesicht bläst. Dass der Wind in diesem Bereich von hinten bläst, hat vor allem drei Gründe, auf die ich gleich eingehe: den Wandel der Arbeit, die gesellschaftliche Individualisierung und die Entwicklung neuer Technologien.

Die Arbeitswelt und ihre Anforderungen haben sich verändert. Das wird besonders deutlich im Bereich der sogenannten »Wissensarbeit«, ist aber nicht darauf beschränkt. Die Arbeit ist sozialer, kommunikativer, komplexer und vernetzter geworden. Mit sozial meine ich, dass Fähigkeiten wie Teamarbeit und emotionale Identifikation wichtiger geworden sind. Kommunikativ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein wesentlicher Teil der Arbeit aus Koordination mit anderen besteht, deren Befindlichkeiten kontinuierlich abgefragt und in die eigene Planung einbezogen werden müssen. Die Komplexität, die dabei jedem einzelnen im Alltag begegnet, ist so groß, dass niemand mehr behaupten kann, seinen Bereich, und sei er auch noch so klein und spezialisiert, selbst überschauen zu können. Die Realität Wissensgesellschaft drückt sich auch ganz stark in der Erfahrung des eigenen Nicht-Wissens aus. Aber die Arbeitswelt wird auch immer vernetzter, und damit steigen die Möglichkeiten, das eigene Nicht-Wissen und Nicht-Können durch Kooperation produktiv zu machen. In Bezug auf die Entwicklung von Freier und Open Source Software gibt es den berühmten Satz »Given enough eyeballs, all bugs are shallow«. Er bedeutet, dass es für jedes Problem, das man selbst nicht lösen kann, jemanden gibt, der genau dieses Problem lösen kann, wenn nur der Pool der Personen, die zu Rate gezogen werden können, groß genug ist.

Doch es geht nicht nur darum, viele zu finden, sondern aus einer großen Menge die eine Person, zu der produktive Unterschiede bestehen. Mit Suchmaschinen, sozialen Netzwerken, und anderen Plattformen haben wir heute erste Infrastrukturen, die uns erlauben, genau solche Differenzen aufzuspüren. Diese Differenzen dürfen nicht zu klein sein, sonst entsteht nichts Neues in ihrer Vernetzung. Sie dürfen aber auch nicht zu groß sein.

Die zweite Quelle, die den Wind der Geschichte blasen lässt, ist die gesellschaftliche Individualisierung. Sie ist das große, positive Vermächtnis der neuen sozialen Bewegungen der letzten 40 Jahre. Individualisierung bedeutet zunächst nur, dass die Spannbreite wächst, innerhalb derer Menschen ihre Identität und ihre Lebensweisen ausdrücken können, ohne in einen tiefen Konflikt mit der Gesellschaft zu geraten. Sie ist daher nicht gleichzusetzen mit gesellschaftlicher Atomisierung und Entsolidarisierung, auch wenn das die neoliberale Ideologie sehr erfolgreich getan hat. Dass man sich von anderen unterscheidet und diese Unterschiede betont, muss noch nicht heißen, dass man mit ihnen keine Erfahrungen teilen kann. Das ist der große Unterschied zwischen progressiven Ideen der Gemeinschaft, die als Vielfalt gedacht werden, und konservativen Ideen von Gemeinschaft, die als Einheit entworfen werden.

Diese Form der positiven Differenzen zeichnet die kooperativen Dimensionen der digitalen Kultur aus. Sie ermöglichen es, ein anderes Verhältnis zwischen Individuum und Gemeinschaft zu erproben. Die Vernetzung ist eben kein Kollektivierungsprozess im traditionellen Sinne, bei dem die internen Differenzen minimiert werden. Im Gegenteil, das Gemeinsame wird als Voraussetzung der Individualisierung erfahrbar. Bei aller Konkurrenz, die innerhalb freiwilliger Projekte herrscht, sei es bei freier Software oder in der Wikipedia-Community, so ist doch immer klar, dass der eigene Status nur durch die Gemeinschaft überhaupt erworben und durch die Stärkung der Gemeinschaft vergrößert werden kann. Das bedeutet keineswegs, dass die internen Prozesse konfliktfrei ablaufen, aber es gibt ihnen eine andere Dynamik.

Der dritte Punkt betrifft die Technologie selbst. Es stehen heute Infrastrukturen zur Verfügung, die es erlauben, große Projekte offener und kooperativer zu organisieren. Der Druck zur Hierarchisierung und Bürokratisierung, der noch vor einer Generation innerhalb jeder Organisation parallel mit ihrem Wachstum zunahm, ist heute deutlich schwächer. Die erhöhten Kommunikationsanforderungen, die horizontale Koordination verlangen, lassen sich heute effizient und kostengünstig bewältigen. In einigen Fällen klappt das schon sehr gut - freie und Open Source Software ließen sich auch hier als Paradebeispiele anführen. War es früher ein Privileg der Eliten mit ihren Privatsekretariaten, große soziale Netzwerke zu unterhalten, so kann das heute jeder.

Wie kann die digitale Solidarität gestärkt werden?

Wenn wir also davon ausgehen, dass die digitale Kultur neue Felder gelebter Solidarität eröffnet, kann und sollte Netzpolitik darauf ausgerichtet sein, genau diese Momente zu stärken. Was bedeutet das konkret?

Erstens: Einschränkungen der freien Kommunikation müssen abgebaut werden. Freie Kommunikation ist die Voraussetzung für horizontale Kooperation und für die Entstehung von Solidarität. Dass sie eingeschränkt wird, sei es durch Netzsperren oder durch andere Informationsmonopole, muss unbedingt verhindert werden.

Beispiel Urheberrecht: Die Hauptprobleme hier sind erstens die obsolete Unterscheidung zwischen privater und öffentlicher Nutzung. Im Zeitalter sozialer Medien ist diese Unterscheidung nicht mehr anwendbar. Sie muss gestrichen werden und durch eine Unterscheidung von kommerzieller und nichtkommerzieller Nutzung ersetzt werden. Das zweite Hauptproblem ist, dass jede Veränderung eines Werkes vom Rechteinhaber verhindert werden kann. Das verunmöglicht die freie Kommunikation in einer Welt, die zu einem großen Teil aus kulturellen Werken besteht. Hier brauchen wir eine starke, umfassende Regelung zur freien transformativen Werknutzung. Im Wesentlichen muss es darum gehen, dass die soziale Kommunikation und Alltagskreativität vom Urheberrecht nicht mehr erfasst wird.

Zweitens: Mechanismen des Vertrauens müssen gestärkt werden. Der Schutz der Privatsphäre ist und bleibt wichtig. Die Post-Privacy-Ideologie wird von Menschen betrieben, die selbst dermaßen privilegiert im gesellschaftlichen Mainstream leben, dass sie den Schutz, den die Privatsphäre bietet, gar nicht in Anspruch nehmen müssen.

Auch der Schutz vor Überwachung ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Das betrifft den Bereich von Vorratsdatenspeicherung, geht aber darüber hinaus. Wir müssen verhindern, dass die zunehmende Semiöffentlichkeit des Alltags, etwa in den sozialen Netzwerken wie Facebook, dazu benutzt wird, dass Informationen systematisch gesammelt und für Sicherheitsinteressen ausgewertet werden. Wir müssen neue Schutzmechanismen für diese semiöffentlichen sozialen Formen finden. Wie können wir horizontal teilen, ohne dass der Staat und die großen Unternehmen immer gleich mithören können? Dazu müssen wir neue Formen des Identitätsmanagements entwickeln und uns dagegen wehren, dass die verschiedenen Identitäten, die wir haben, zusammengelegt werden.

Drittens, und das ist der schwierigste Punkt: Wir müssen neue Formen der Einhegung bekämpfen. Damit meine ich die Nutzbarmachung und Optimierung der Kommunikationsflüsse für kommerzielle Interessen. Dies wird ermöglicht durch die zunehmende Zentralisierung und Privatisierung der Kommunikationsmittel.

Beispiel Zensur: Ein Student aus New York hat eine App entwickelt, die auf Basis von Informationen des Londoner Bureau of Investigative Journalism rudimentäre Information zu den Opfern US-amerikanischer Drohnenangriffe darstellt. Apple hat es bisher drei Mal abgelehnt, diese App in den App Store aufzunehmen. Jedesmal mit einer anderen Begründung, aber die Begründung ist gar nicht so wichtig, wichtig ist vielmehr, dass hier eine Instanz entstanden ist, die nach Gutdünken entscheiden kann, was veröffentlicht wird.

Schwieriger zu bekämpfen sind die Einhegungen, die dadurch geschehen, dass die Formen und Mittel, mit denen wir kommunizieren, bereits so angelegt sind, dass sie die Kommunikation in bestimmte, für den Besitzer der Kommunikationsmittel nützliche Bahnen lenkt. Hier geht es nicht um Zensur, sondern um die Formatierung unserer Ausdrucksformen durch kommerzielle Interessen. Das klassische Beispiel ist der fehlende Dislike-Button bei Facebook. Facebook erlaubt nur positive Gefühle und vermeidet soziale Konflikte. Wir können mit der Antifa sympathisieren, aber wir können nicht Nazis ablehnen.

Am schwierigsten zu bekämpfen sind Formen der Einhegung, die im Hintergrund passieren. Das Beispiel hier ist die neue Google-Politik des sogenannten Downrankings. Google stuft Seiten, die mit vielen Urheberrechtsbeschwerden belegt werden, im Ranking zurück. Sie erscheinen dann nicht mehr auf Seite 1, sondern vielleicht auf Seite 15 der Suchergebnisse. So verändert sich das Bild der Welt, das uns diese Medien vermitteln, hin zu dem, wie es mächtige Interessen gerne hätten.

Konsequenzen für ein Emanzipationsprojekt

Wenn wir Netzpolitik nicht nur als reine Themenpolitik sehen, sondern als Ort, an dem die kommunikativen Grundlagen geschaffen werden, um neue Formen gesellschaftlicher Solidarität zu ermöglichen, dann müssen wir uns überlegen, wie wir die neuen Potenziale, welche die digitale Kultur als praktische Utopie bereits in Ansätzen realisiert hat, auch in anderen Feldern fruchtbar machen können. Warum etwa ist es sinnvoll, die Nutzung freier Software im öffentlichen Bereich voranzutreiben? Neben den bekannten Gründen wie Sicherheit, Transparenz, Kostenersparnis und größerer Autonomie gegenüber Software- und Dienstleistungsanbietern ist ein wesentlicher Grund der, dass dadurch ökonomische Akteure gestärkt werden, die ein vitales, positives Interesse an gemeinschaftlichen Ressourcen - in diesem Fall freiem Softwarecode - haben. Die Nutzung freier Software kann in diesem Sinne als ein mögliches Steuerungselement gesehen werden, um einen wirtschaftlichen Umbau zu fördern, der weg von Wissensmonopolen und hin zu offenen Wissensressourcen führt. Als ein Weg, der dezentrale, lokale Lösungen fördert und nicht auf zentralisierte, globale Lösungen angewiesen ist, ohne deshalb vom Strom globaler Innovation abgekoppelt zu sein.

Damit stärkt man langfristig die politische Basis gegen neue Privatisierungsversuche und für Regulierungen, die die Commons unterstützen. Dass in Europa die Softwarepatente nicht durchgesetzt werden konnten, liegt wesentlich an der klein- und mittelständischen Struktur der europäischen Softwarebranche. Der Einsatz freier Software fördert genau diese Strukturen, diese wiederum können Teil einer politischen Basis werden, die vorhanden sein muss, will man wirklich das geistige Eigentum reformieren.

Oder die Kulturpolitik. Sie folgt nach wie vor einem klassischen bürgerlichen Kulturverständnis. Sie fördert kulturelle Werke, die dann über den Markt oder öffentlich finanzierte Kanäle vertrieben werden. Die Rolle der Mehrheit ist die des Publikums, das mehr oder weniger stumm Kultur rezipieren darf. Was würde es aber bedeuten, das Publikum als Teil einer vernetzten Gemeinschaft zu aktivieren? Welche Bedingungen müssten geschaffen werden, damit Menschen sich kulturelle Werke nicht nur anschauen, sondern aneignen können, um dadurch selbst Teil einer kulturell aktiven Öffentlichkeit zu werden? Was müsste sich ändern, damit Archive und Museen nicht mehr Aufbewahrungsorte, sondern Produktionsmittel für alle werden?

Wie würden die Förderung solcher freien Ressourcen und deren Aneignung durch viele die Anforderungen an das Bildungssystem verändern? Oder was würde es bedeuten, Wirtschaftsförderung verstärkt auch Non-Profits zugängig zu machen, wenn sie sich um gemeinschaftliche, produktive Ressourcen kümmern? Oder wie müsste Landwirtschaftspolitik aussehen, wenn eines ihrer Ziele wäre, die Allmenden im ganz traditionellen Sinne wieder zum Blühen zu bringen? Das führt uns natürlich weg von der Netzpolitik. Aber gar nicht so weit, denn alle diese noch zu erschaffenden Commons werden auf Basis digitaler Kommunikationsflüsse organisiert werden.

Die Bedeutung des Teilens

Das Internet ist ein wichtiges Labor gesellschaftlicher Innovation, und eine der erstaunlichsten Entdeckungen, die in diesem Labor gemacht wurden, ist die gesellschaftliche Bedeutung des Teilens. Teilen als Modus des Austausches hat sich gegen alle Erwartungen bereits in vielen Bereichen als äußerst produktiv und stabil erwiesen. Und Teilen beschreibt nichts anderes als eine gelebte Praxis der Solidarität.

Natürlich wirft diese Praxis, die Institution der Commons, auch neue Probleme auf. Nicht alle Gemeinschaften sind progressiv, und auch in Gemeinschaften, denen man mit großer Sympathie begegnet, lassen sich ohne weiteres Schattenseiten ausmachen. Die Wikipedia liefert hier ein reiches Anschauungsmaterial. Und: Nicht alle Bereiche des Lebens können oder sollen als Commons organisiert werden. Öffentliche Infrastrukturen und Einrichtungen bleiben wichtig.

Es ist eine große politische Aufgabe zu bestimmen, auf welchen Feldern neue Formen des Gemeinschaftlichen institutionalisiert werden können. Eins scheint aber sicher: Der Bereich jenseits von Markt und Staat wird wachsen. Die große Aufgabe der Netzpolitik ist es, dafür zu sorgen, dass das Internet als Labor der sozialen Innovation offen bleibt und die Potenziale des Netzes, solidarisches Handeln hervorzubringen, zu fördern. Es ist Aufgabe einer progressiven Politik, diese Erfahrung ernst zu nehmen, und Wege zu finden, sie auf anderen Feldern des Lebens fruchtbar zu machen.

Felix Stalder ist Professor für Digitale Kultur an der Zürcher Hochschule der Künste und forscht am World-Information Institute in Wien. felix.openflows.com

Der Artikel basiert auf einem Vortrag auf der netzpolitischen Konferenz »Netz für alle« am 15. September 2012 in Berlin. Mehr Infos: netzfueralle.blog.rosalux.de