Sichtbarmachung männlicher Strukturen
Diskussion Erste Zwischenbilanz zur ak-Frauenquote seit ihrer Einführung im August
Von der ak-Redaktion
Nicht erst zur Sommerpause 2012 stellten wir fest, dass unsere Autorinnenquote oft nur zwischen zehn und 20 Prozent lag, also miserabel war. Damals Grund genug, über Ursachen dieser Schieflage sowie Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Veränderung nachzudenken - und uns eine Autorinnenquote von 25 Prozent zu setzen. (Siehe ak 573)
Schließlich hatten wir über das »Problem« schon oft gesprochen; geändert hatte sich wenig. Wir wollten, dass sich merklich etwas wandelt, auch mit der möglichen Konsequenz, dass eine Seite in ak leer bleibt - für eine linke Zeitung, die sich das Gegenteil auf die Fahnen schreibt, nämlich Seiten zu füllen, hoffentlich Anreiz genug, Praktiken zu überdenken und aktiv zu werden. Bei der Idee mit der leeren Seite ging es uns darum, die Schieflage sichtbar zu machen. Weniger Seiten zu drucken, wäre eine Alternative gewesen, die kaum wahrnehmbar gewesen wäre und somit kaum Aufmerksamkeit und Diskussionen zur Folge gehabt hätte.
Seit der Augustausgabe tragen wir dafür Sorge, Autorinnen für mindestens acht Seiten der Zeitung zu finden. (1) Bisher ist es - zu unserer eigenen Verwunderung - nicht dazu gekommen, dass eine Seite leer blieb. Auch wenn die Quote in den letzten Nummern nicht wesentlich anstieg, können wir im Vergleich zu vor der Sommerpause zufrieden sein. (2)
Allerdings sind die Zahlen nicht so eindeutig, wie es auf den ersten Blick scheint: Zählt ein ganzseitiger Text eines Autorenduos mit einer halben Seite zur Frauenquote? Was ist mit Texten von Menschen, die sich in der Unterscheidung Mann/Frau gar nicht aufgehoben fühlen? Wie zählen wir Interviews, bei denen ein Mann eine Frau befragt - oder umgekehrt? (3)
Die redaktionelle Praxis mit der Quote muss auch noch besser werden. Schließlich soll das Ziel, mehr Autorinnen in ak zu haben, nicht dazu führen, dass bestimmte Themen hinten runter fallen. Wenn wir zum Beispiel Themen wichtig finden, aber dazu keine Autorin finden und bereits zu viele Männer schreiben, sollte das nicht dazu führen, dass wir nichts zum gewünschten Thema bringen, sondern dass bereits früh eingeworbene Artikel von Männern eben wieder rausfliegen. Ein bisher ungewohntes Vorgehen, das wir im Redaktionsalltag noch nicht gut eingeübt haben. Eine solche Praxis wird vor allem »auf Kosten« unserer Autoren gehen, was sie aber aushalten müssen, wenn sie die Idee mit der Quote prinzipiell gut und richtig finden.
Erfreulich ist, dass uns aufgrund der Ankündigung einer Frauenquote mehrere Autorinnen Texte angeboten haben - und zwar keineswegs nur zu »klassischen« Themen. Nach wie vor ist es aber leider so, dass viel mehr Männer mit Artikelangeboten an uns herantreten. Das wird wohl auch noch eine Weile so bleiben - zum einen ist das Netzwerk unserer AutorInnen insgesamt männlich dominiert, zum anderen wird die Zeitung auch von mehr Männern als Frauen gelesen. Diese Feststellung verweist auf die männliche Hegemonie und Dominanz in der Linken und der Gesellschaft überhaupt. Das bedeutet aber auch, dass wir als Redaktion das »Problem« isoliert nur bedingt bearbeiten können. Was uns erneut zur Frage nach den ausschließenden Strukturen und Mechanismen führt, die wir in ak 573 (Juni 2012) bereits angeschnitten haben. Ohne diese Frage zu stellen oder zu beantworten, wird jeder angebotene Support für Autorinnen vergeblich.
Bis mehr Frauen und feministische Themen ihren selbstverständlichen Platz in ak haben, bedarf es noch weiterer Anstrengungen. Eine Eigendynamik hat die von uns beschlossene Frauenquote bisher nicht entwickelt, was aber auch nicht zu erwarten war. Die Zahlen zeigen: Es ist an der Zeit, die Quote anzupassen. Auch um die noch längst nicht ausgeschöpften Ideen einer veränderten Praxis zu forcieren, setzen wir sie ab Januar auf 30 Prozent.
Eine andere Frage, die mit der Quote nicht unmittelbar zusammenhängt, ist die nach feministischen Themen und Perspektiven in ak. Wie eng - und vor allem wie - die beiden Themen miteinander verwoben sind, haben wir noch nicht abschließend diskutiert. Einerseits sind feministische Fragen keine »Frauensache«, sondern die Analyse und Kritik asymmetrischer Geschlechterverhältnisse eine Aufgabe aller. Andererseits ist es (leider) so, dass Frauen, auch aus eigener Betroffenheit, eine derartige Perspektive eher einnehmen und damit als Autorinnen feministische Sichtweisen auf Themen stärken.
Auf unsere Quotenankündigung bekamen wir vor allem von Frauen Rückmeldungen und konkretes Feedback. Zwar hießen viele männliche Autoren das Vorhaben prinzipiell gut, dennoch gab es dann im einzelnen auch Kämpfe um Seiten und Zeichenzahlen - etwa weil wir Männern momentan nur noch in Einzelfällen doppelseitige Artikel »zugestehen«.
Nicht zuletzt wird aber auch innerhalb der Redaktion um Seiten und Zeichen gefeilscht - wenn auch nicht immer bewusst. Die Frauenquote dient daher letztlich vor allem als ein Instrument, das uns dazu zwingt, einen bestimmten Raum für Autorinnen zu reservieren - damit dieser nicht immer wieder in Gefahr ist, aus scheinbar »objektiven« Zwängen heraus wegdiskutiert zu werden: Ein Thema ist gerade »politisch so wichtig«, es findet sich nun mal keine Autorin etc. Daher auch die strikte Regelung, bei Nichterreichen Seiten leer zu lassen - als Sichtbarmachung männlicher Strukturen.
Anmerkungen:
1) Bei einem Umfang von 32 Seiten Text als Berechnungsgrundlage aufgrund von Anzeigen, Bildern und Randspalten (Kalender etc.), die von den 36 Druckseiten abgezogen werden.
2) ak 574 (August): Frauen 10,3 Seiten; Männer 14,5 Seiten; Autorenduo 1 Seite; Gruppen 4,4 Seiten. ak 575 (September): Frauen 11,5 Seiten; Männer 15,8 Seiten; Autorenduo 3 Seiten. ak 576 (Oktober): Frauen 9,4 Seiten; Männer 14,1 Seiten; gemischte Gruppen 5,5 Seiten. ak 577 (November): Frauen 9,5 Seiten; Männer 17 Seiten; Autorenduo 2 Seiten; gemischte Gruppe: 0,7. ak 578 (Dezember): Frauen 10,5 Seiten; Männer 16,6 Seiten; Gruppen 1,4 Seiten.
3) Wir entschieden uns vorläufig dafür, den/die InterviewerIn als ausschlaggebend zu werten.