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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 579 / 18.1.2013

Blockupy Season Two

Aktion Aktionen zivilen Ungehorsams am 31. Mai und Demonstration am 1. Juni

Von Werner Rätz

Eine Bewegung gegen das autoritäre Krisenmanagement von Bundesregierung und Europäischer Union ist in Deutschland nie so recht in Gang gekommen. Dabei spielen Aktionsform und politische Ausrichtung der Bündnisse offensichtlich eine geringe Rolle: Im März 2009 demonstrierten in Frankfurt am Main und Berlin gut 40.000 Menschen unter dem Motto »Wir zahlen nicht für eure Krise«, im Oktober 2011 gingen ähnlich viele in etwa zwei Dutzend Städten in Verbindung mit der Occupy-Bewegung auf die Straße, bei der Blockupy-Demo in der Mainmetropole im Mai 2012 waren es etwa 30.000 und beim Umfairteilen-Aktionstag im September bundesweit wieder etwa 40.000.

Die Blockupy-Aktionstage in Frankfurt am Main waren ein Versuch, eine Antwort auf diese Schwierigkeit zu finden. Wenn schon keine Massenbewegung in Sicht war, dann sollte wenigstens über die Zuspitzung der Aktionsform sichtbar gemacht werden, dass es auch in Deutschland Streit über die Politik der Bundesregierung gibt, die alle sozialen und demokratischen Bedürfnisse den Anlegerinteressen unterordnet. Ein ähnlicher Versuch der Aktionsgruppe Georg Büchner war im Sommer 2010 noch gescheitert. (Siehe ak 554)

Dass die Idee funktionieren kann, zeigten die Reaktionen in der Bankenmetropole. Unmittelbar mit Ankündigung der Aktionen brach bei Banken, Luxusgeschäften und Behörden der Stadt Panik aus. Notfallszenarien, Evakuierung der Beschäftigten, Vernageln der Schaufenster wurden geplant. Die Versammlungsbehörde verhängte, unterstützt von der lokalen Justiz, ein totales Demonstrationsverbot, das sie während der Tage selbst zu einem Anwesenheitsverbot für Tausende steigerte.

Bundesweit war dieser Streit um das Demonstrationsrecht fast der einzige Aspekt, der wirklich zur Kenntnis genommen wurde. Anders allerdings hatte es in vielen europäischen Ländern ausgesehen. Dort war das Signal der Solidarität aus Deutschland sehr wohl angekommen. Viele europäische AktivistInnen hatten sich nach Frankfurt am Main auf den Weg gemacht und sich an den Protesten beteiligt. Von den dortigen Aktionen ausgehend bildeten und verstärkten sich europäische Diskussionszusammenhänge.

Diese drei Erfahrungen - der Streit um die deutsche und europäische Krisenpolitik muss dringend verschärft werden, Frankfurt und die Europäische Zentralbank (EZB) sind dafür ein sensibler Aktionsort, die Blockupy-Mobilisierung trägt zu einer europäischen Bewegung bei - sind es, die wesentlich dazu geführt haben, dass ein Aktionstreffen im Oktober 2012 entschied, Blockupy 2013 zu wiederholen. (Siehe ak 577)

Am 16. Dezember 2012 fand das erste Aktiventreffen statt, um in die konkreten Planungen einzusteigen. Es zeigte sich, dass manches besser aussieht als im vergangenen Mai, vieles aber auch noch prekär und ungewiss ist. Deutlich klarer ist die lokale Basis der Aktion. NoTroika, das Bündnis von Initiativen aus der Region, hat sich eindeutig auf Blockupy 2013 festgelegt und mit dem Ums-Ganze-Bündnis ist eine politische Strömung in den Koordinierungskreis eingestiegen, die in Frankfurt über eine starke Verankerung verfügt.

Anders als 2012 gibt es inzwischen auch einige Kontakte zur Frankfurter Zivilgesellschaft, zu Kirchengemeinden oder Kunstschaffenden. Und auch die Verunsicherung der Frankfurter BürgerInnen, was da wohl auf sie zukommt, ist nach dem vergangenen Jahr kleiner geworden. Noch ist unklar, was man daraus machen kann, aber die Voraussetzungen dafür, in der Stadt nicht isoliert zu sein, sind besser geworden.

Auf dem Treffen im Oktober hat man sich darauf geeinigt, dass Blockupy 2013 wieder Elemente des zivilen Ungehorsams enthalten soll ebenso wie Veranstaltungen unter dem Schutz des Versammlungsrechts. Wichtig war allen, dass die tendenzielle Überforderung, in der sich die AktivistInnen 2012 befunden hatten, abgemildert werden muss.

Das bedeutet zum einen eine klare Begrenzung der Aktionen selbst auf zwei Tage. Am Freitag, den 31. Mai 2013, wird es Aktionen zivilen Ungehorsams geben und am Samstag, den 1. Juni, eine angemeldete Demonstration. Zum Zweiten herrscht Einigkeit, dass es für die AktivistInnen Möglichkeiten des legalen Aufenthalts in der Stadt geben muss. Ob dies über ein Camp, angemeldete Versammlungen, Veranstaltungen in Frankfurter Einrichtungen oder sonst wie gemacht werden kann, wird noch beraten.

Völlig unabsehbar ist, wie sich Versammlungsbehörde, Stadtspitze und Gerichte verhalten werden. Oberbürgermeister ist zwar jetzt Peter Feldmann (SPD), aber sein unterlegener Gegenkandidat, Boris Rhein (CDU), ist immer noch hessischer Innenminister und auch der Ordnungsdezernent ist der alte. Geändert hat sich das formale Verhalten. Das Ordnungsamt hat den Eingang der Demonstrationsanmeldung bestätigt und ein Kooperationsgespräch in Aussicht gestellt. Damit wäre der Zeitrahmen für eine eventuelle gerichtliche Klärung deutlich besser als im letzten Jahr.

Allerdings hatte das Frankfurter Verwaltungsgericht im vergangenen Jahr unbesehen die frei erfundene Gefahrenprognose der Polizei übernommen und uns damit faktisch jeglichen Rechtsschutz verweigert. Dieses Gericht hat zwar sein damaliges Verbot einer Demonstration für die Demonstrationsfreiheit selbst wieder aufgehoben, aber aus rein formalen Gründen. Es ist also keineswegs klar, ob wir nicht wieder eine juristische Auseinandersetzung ums Demonstrationsrecht haben werden statt einer politischen um die autoritäre Krisenpolitik.

Denn das ist es, was die AktivistInnen wollen. Die europäische Krisenpolitik, die ganz wesentlich von der Bundesregierung gestaltet wird, ist dabei, in Griechenland, Portugal und Spanien die Lebensverhältnisse herzustellen, die bald in ganz Europa Einzug halten sollen. Formal tut sie das, um die angebliche Staatsschuldenkrise zu lösen, die ja tatsächlich vor allem eine Katastrophe für die sozialen und demokratischen Lebensverhältnisse der Menschen in der Europäischen Union und Teil der umfassenden systemischen Krise des Kapitalismus ist. Dafür setzt sie bedenkenlos sogar noch die Standards der parlamentarischen Demokratie außer Kraft. Schuldenstreichung, soziale Frage, Demokratie werden denn auch in der einen oder der anderen Weise inhaltlich im Zentrum von Blockupy 2013 stehen. Aktionsmäßig wird es wiederum die EZB sein, die als Teil der Troika eben diese reaktionäre Politik exekutiert.

Werner Rätz ist Mitglied im Kokreis von Attac und beteiligt sich an der Vorbereitung der Blockupy-Aktionstage 2013.

Blockupy 2013 steht

Blockupy Frankfurt kommt wieder: Am 31. Mai und 1. Juni 2013 wird das Bündnis den europäischen Protest gegen die autoritär durchgesetzte Verarmungspolitik in der EU erneut auf die Straßen der Bankenstadt tragen - mit Aktionen zivilen Ungehorsams am Freitag und einer großen Demonstration am Samstag sowie anderen vielfältigen Protesten unter einem Dach. Das haben 120 Aktivistinnen und Aktivisten am Sonntag bei einem Planungstreffen im Frankfurter DBG-Haus beschlossen.

»2012 war erst der Anfang. Unser Widerstand gegen die vor allem von der deutschen Regierung vorangetriebene Kürzungspolitik der Troika geht weiter«, sagte Blockupy-Sprecher Hanno Bruchmann. »Wer wirkliche Lösungen will, muss in dieser systemischen Krise des Kapitalismus grundlegende und radikale Veränderungen gegen die herrschenden Eliten durchsetzen.«

Es sei Teil einer sorgsam gepflegten Legende, dass die sogenannte Eurokrise vor allem eine Krise der Staatsfinanzen sei. Sie sei vor allem eine Katastrophe für die sozialen und demokratischen Lebensverhältnisse der Menschen in der Europäischen Union, insbesondere in den südeuropäischen Ländern. Im Fokus der Kritik von Blockupy wird daher erneut die Europäische Zentralbank als Teil der Troika und Akteur des herrschenden europäischen Krisensystems stehen.

»Die Verbote und Polizei-Blockaden im Mai dieses Jahres haben uns ermutigt, Blockupy erneut in Frankfurt Wirklichkeit werden zu lassen«, sagte Blockupy-Sprecher Thomas Occupy. »Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, unseren Protest kreativ an die Öffentlichkeit zu bringen.« Das Vorgehen von Polizei und Ordnungsbehörden gegen die Aktionstage in diesem Jahr habe sich als haltlos erwiesen. So wurden die Ingewahrsamnahmen der in Bussen aus Berlin anreisenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits für rechtswidrig erklärt. Auch gegen die zurzeit verschickten Bußgeldbescheide haben die Betroffenen Widerspruch eingelegt.

Die Blockupy-Aktionstage 2013 reihen sich ein in die europaweiten Gegenaktivitäten zur aktuellen Krisenpolitik im kommenden Jahr. Geplant sind unter anderem zentrale Proteste zum EU-Frühjahrsgipfel im März in Brüssel sowie ein Alternativengipfel (Alter Summit) der sozialen Bewegungen im Juni in Athen.

Die Vorbereitungen für Blockupy 2013 nehmen nun Fahrt auf. Am 17. Februar werden die Aktiven zu ihrem nächsten Vorbereitungstreffen in Frankfurt zusammenkommen.

Erklärung des Blockupy-Bündnisses vom 17. Dezember 2012. Das Bündnis wird getragen von AktivistInnen verschiedener emanzipatorischer Gruppen und Organisationen, darunter die Interventionistische Linke, Attac, Occupy Frankfurt, Gewerkschaften, das Erwerbslosen-Forum Deutschland, die Partei DIE LINKE und - neu dazu gekommen - das Netzwerk Friedenskooperative und das Bündnis Ums Ganze.