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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 580 / 15.2.2013

Demokratiebewegung gestoppt

International Frankreich verteidigt in Mali seine Vormachtstellung in Westafrika

Von Olaf Bernau

Am 2. Februar 2013 wurde der französische Präsident François Hollande begeistert in Mali empfangen. Die Stimmung war durchaus echt, wie auch AktivistInnen von Afrique-Europe-Interact aus Mali bestätigen. Insofern sollte dieser Umstand vor allem als Hinweis darauf verstanden werden, dass der radikale Islamismus keineswegs ein Selbstläufer ist, auch nicht in ökonomisch verarmten Weltregionen mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Im Gegenteil: Die stark vom Sufi-Islam geprägten Menschen in Mali haben die alltäglichen Zumutungen eines menschenverachtenden Scharia-Regimes regelrecht gehasst.

Entsprechend ist die anfänglich äußerst interventions- bzw. kriegsskeptische Stimmung innerhalb der Bevölkerung Anfang Januar massiv gekippt, nachdem die an den Friedensverhandlungen in Burkina Faso und Algerien beteiligten Vertreter der Islamistengruppe Ansar Dine ihre zwischenzeitlichen Dialogangebote relativ brüsk zurückgezogen hatten.

Gleichwohl gibt es keinerlei Anlass, die französische Militärintervention in irgendeiner Form gutzuheißen. Zunächst, weil die Gefahr eines vor allem für die Zivilbevölkerung katastrophalen Guerillakriegs noch lange nicht gebannt ist. Des weiteren, weil sich die soziale und ökonomische Lage in Mali durch die Militärintervention einmal mehr zugespitzt hat. Schließlich, weil Frankreich keineswegs aus humanitären Motiven gehandelt hat; ausschlaggebend waren vielmehr politische, ökonomische und militärische Interessen.

Es war daher auch keineswegs zufällig, dass Frankreich zusammen mit der westafrikanischen Wirtschaftsunion (ECOWAS) sowie Teilen der politischen Elite in Mali seit Beginn der Krise Anfang 2012 nicht das Geringste zugunsten einer so genannten »malischen Lösung« unternommen hat - ganz gleich, ob diese mit zivilen Mitteln des Dialogs oder durch einen begrenzten, im Zeichen der Selbstverteidigung stehenden Einsatz der malischen Armee erfolgt wäre.

Vielmehr wurde mittels diverser Embargomaßnahmen (als Reaktion auf einen von großen Teilen der Bevölkerung begrüßten Putsch im März 2012) sowie weiterer Interventionen von außen gezielt eine Situation scheinbarer Alternativlosigkeit kreiert, an deren Ende die irrwitzig anmutende Wahl zwischen einem (angeblichen) Ansturm der Islamisten auf Bamako und einer Militärintervention unter französischem Kommando stand.

Basisdemokratischer Flächenbrand als Gefahr

Geht es um die Interessen Frankreichs, werden in der hiesigen Debatte vor allem vier Aspekte hervorgehoben: Die Sorge vor einem nicht kontrollierbaren Rückzugsgebiet für Islamisten (»Sahelistan«); der ungehinderte Zugang zu Bodenschätzen (vor allem Uran) sowie die Sicherung sonstiger Geschäftsfelder französischer Unternehmen; die Errichtung einer dauerhaften Militärbasis im Norden Malis und - als gleichsam übergeordnete Zielsetzung - die »kapitalistische Durchdringung« der Sahara, also »das Vordringen des globalen Kapitalismus im Medium des Kriegs« (Forschungsstelle Flucht und Migration). Sämtliche dieser Überlegungen sind wichtig. Dennoch fällt auf, dass fast ausschließlich aus einer geostrategischen (Metropolen-)Perspektive argumentiert wird, während die politischen Auseinandersetzungen innerhalb Malis bzw. Westafrikas unerwähnt bleiben.

Konkreter: Der Putsch vor knapp einem Jahr ist vor allem deshalb auf riesige Zustimmung gestoßen, weil die Bevölkerung nicht nur der Fassadendemokratie in Mali überdrüssig war, sondern auch eines hierzulande nur schwer vorstellbaren Ausmaßes an Korruption, Vetternwirtschaft und Vernachlässigung staatlicher Aufgabenbereiche. (Siehe ak 574) Die damit verknüpfte Verschiebung des politischen Kräfteverhältnisses ist indessen der Grund, weshalb Frankreich den durch den Putsch initiierten demokratischen Aufbruch massiv torpediert hat, um auf diese Weise einer Intervention Schritt für Schritt den Boden zu bereiten.

Denn Ziel ist es, im Wechselspiel mit den bereits genannten ökonomischen und geostrategischen Zielsetzungen Partei im innermalischen Konflikt zu ergreifen, um einen basisdemokratischen Flächenbrand in ganz Westafrika zu verhindern, der die politische und ökonomische Vormachtstellung Frankreichs in der gesamten Region deutlich schwächen würde. Insofern passt es auch bestens ins einschlägig bekannte Bild, dass der IWF just zwei Wochen nach Beginn der Intervention einen so genannten Hilfskredit zugesagt hat, nachdem in den Monaten davor sämtliche Kredite genauso wie große Teile der Entwicklungszusammenarbeit seitens des Westens eingestellt worden waren.

Konflikt zwischen Tuareg und Nationalstaat

Ebenfalls unterbelichtet bleibt oftmals der seit der Unabhängigkeit Malis im Jahr 1960 periodisch eskalierende Konflikt zwischen Tuareg-Gruppen im Norden und dem malischen Zentralstaat. Und das zu Unrecht, wie unter anderem daran ablesbar ist, dass sich eine der drei nunmehr in die Defensive geratenen islamistischen Gruppen - die bereits erwähnte Ansar Dine - primär aus malischen Tuareg zusammensetzt.

Das aber erklärt, weshalb der von der malischen Sektion von Afrique-Europe-Interact initiierte »Weiße Marsch« die Eröffnung eines Dialogs mit jenen Teilen der Tuareg-Bevölkerung aus dem Norden die sich weder durch die islamistische Ansar Dine noch die laizistische MNLA vertreten sehen, als wesentlichen Schlüssel zu einem nachhaltigen Frieden betrachtet (1). (Die MNLA ist jene Gruppe, die Anfang 2012 ohne weitergehende Verankerung in der Tuareg-Bevölkerung zusammen mit Islamisten einen Aufstand begonnen hat, von diesen allerdings sechs Monate später verdrängt wurde.) Denn nur so könnten die Islamisten sozial und politisch marginalisiert und ihre schrittweise Entmachtung erreicht werden, während gleichzeitig ein echter Versöhnungsprozess zwischen Tuareg und malischer Gesellschaft beginnen würde. (2)

Olaf Bernau von NoLager Bremen ist aktiv bei Afrique-Europe-Interact.

Anmerkungen:

(1) Wegen der Intervention und des derzeitigen Ausnahmezustandes musste der Marsch um mindestens sechs bis acht Wochen verschoben werden, Spenden sind aber weiterhin sehr willkommen!

(2) Dieser Text ist die Kurzversion einer siebenseitigen Stellungnahme von Afrique-Europe-Interact zur aktuellen Militärintervention in Mali, die zusammen mit vielen weiteren Hintergrundartikeln, Kommentaren und aktuellen Informationen auf www.afrique-europe-interact.net dokumentiert ist.