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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 581 / 15.3.2013

Foxconn-ArbeiterInnen gegen Lohnsklaverei

International Proteste in den chinesischen Großfabriken zwingen den Elektronikriesen zu Zugeständnissen

Von Ralf Ruckus

Foxconn ist der weltgrößte Auftragshersteller für Elektronik und produziert in Großfabriken in China und anderswo für Apple, Sony, Google, Microsoft, Amazon und andere Marken. Foxconns ArbeiterInnen sind die iSlaves, die unter miesen Arbeitsbedingungen unsere elektronischen Geräte produzieren: iPhones, Kindles, Playstations. Im Jahr 2010 erschütterte eine Selbstmordserie von ArbeiterInnen die chinesischen Foxconn-Werke und zog weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Unter dem Druck des öffentlichen Aufschreis versprach Foxconn, die Löhne zu erhöhen, aber die Situation hat sich seitdem kaum verbessert. Seit 2010 kommt es vermehrt zu Arbeiterunruhen in den Fabriken. (Siehe ak 570 und 576) Eine internationale Kampagne soll Foxconn und den größten Kunden Apple zwingen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ihre Argumente und Methoden werfen jedoch Fragen auf.

Vertragshersteller wie Foxconn produzieren für Markenfirmen, die über keine eigenen Fabriken verfügen - ein System, das in den 1970er Jahren nicht nur im Elektronik-, sondern u.a. auch im Textilsektor entwickelt wurde. Viele dieser Fabriken stehen in Sonderwirtschaftszonen von Niedriglohnländern in Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Seit den 1980er Jahren wurde aus dem kleinen Subunternehmen Foxconn das größte private Industrieunternehmen der Welt mit über einer Million Beschäftigten allein in China. In seinen Fabriken mit Zehntausenden ArbeiterInnen übernimmt Foxconn alle Herstellungsschritte von der Entwicklung bis zur Produktion von Elektronikgütern, die Fabrikationsanlagen reichen von Sweatshops bis zur hochmodernen Montagewerken.

Die Arbeitsbedingungen bei Foxconn sind geprägt durch tayloristische Arbeitsprozesse an den Fließbändern und Werkbänken, ein Schichtsystem mit Pflichtüberstunden, die oft nicht vollständig entlohnt werden, strenge Überwachung bei der Arbeit (mit ständigen Kontrollen, harten Strafen auch für kleinere Vergehen, Leibesvisitationen durch WerkschützerInnen), hohe Arbeitsgeschwindigkeit sowie gefährliche Arbeitsumgebungen, die zu vielen Unfällen und Krankheiten führen.

Arbeit und Ausbeutung bei Foxconn

Die meisten ArbeiterInnen wohnen in überfüllten Wohnheimen, die mit ihren strengen Eingangskontrollen und Vorschriften eine Verlängerung der Werkhallen und Fließbänder sind. ArbeiterInnen unterschiedlicher Abteilungen und Schichten müssen sich ein Wohnheimzimmer teilen, was zu Isolation, Schlafmangel und persönlichen Konflikten führt. Mit dieser Strategie will Foxconn die ArbeiterInnen spalten und kollektiven Widerstand verhindern.

Die meisten ProduktionsarbeiterInnen sind zwischen 16 und 25 Jahre alt, MigrantInnen, 60 Prozent sind männlich. Sie verdienen überwiegend etwa 160 bis 280 Euro (inklusive der vielen Überstunden). Das ist etwas mehr als der gesetzliche Mindestlohn der jeweiligen Region, aber der Lohn reicht nicht, um sich in der Stadt niederzulassen, eine Familie zu gründen, und so zu leben, wie sie es erwarten. Foxconn stellt außerdem jedes Jahr Zehntausende, meist 16 bis 18 Jahre alte SchülerInnen von technischen Schulen als »PraktikantInnen« ein, um die Arbeitsgesetze zu umgehen. 2010 stellten sie 15 Prozent der Gesamtbelegschaft. Oft werden sie von ihren Schulen gezwungen, als Teil ihrer Berufsausbildung bei Foxconn zu arbeiten. Formal gelten diese Arbeitseinsätze als Praktika, um berufliche Fähigkeiten zu erlernen, tatsächlich stehen die SchülerInnen am Fließband mit den anderen ArbeiterInnen - für niedrigere Löhne und leicht und ohne Entschädigung kündbar.

Foxconn-ArbeiterInnen sind keinesfalls stille Opfer der Ausbeutung und Repression. Sie beschweren sich über niedrige Löhne, den brutalen Maschinenrhythmus, die Langeweile und Sinnlosigkeit der Arbeit, über Gefahren am Arbeitsplatz, despotische Vorgesetzte, überfüllte Wohnheime.

Die KP China reagiert zunehmend nervös

Sie vergleichen Foxconn mit einem Gefängnis, bezeichnen das Kantinenessen als »Schweinefutter« und haben die tägliche Erschöpfung während und nach der Arbeit satt. Außer der Abstimmung mit den Füßen - Grund für die hohe Fluktuation - setzen ArbeiterInnen regelmäßig alltägliche Formen des Widerstands ein, wie Sabotage oder Bummelei, und ab und zu schaffen sie es, kollektive Kämpfe wie Streiks zu organisieren, zum Beispiel in Zhengzhou im Oktober 2012 und in Fengcheng im Januar 2013. Wenn Foxconn solche Kampfformen durch sein militaristisches Regime blockiert, kommt es auch mal zu militanten Ausschreitungen, wie in Chengdu im Juni und in Taiyuan im September 2012.

In den chinesischen Industriezentren hat die Zahl solcher Wanderarbeiterkämpfe seit den frühen 2000er Jahren zugenommen und erreichte mit der Streikwelle in der Autoindustrie 2010 ihren vorläufigen Höhepunkt. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, die Löhne anzuheben. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) eine Destabilisierung ihrer Herrschaft fürchtet und die regionalen Mindestlöhne von 2006 bis 2011 jährlich um durchschnittlich 12,5 Prozent erhöhte.

Seit Jahren versucht die KPCh, Arbeiterunruhen nicht nur durch Repression, sondern auch durch Schlichtungsorgane, Arbeitsgerichte oder das direkte Eingreifen der Arbeitsbehörde zu kanalisieren. Da die Wellen von Arbeitsunruhen trotzdem weitergehen, experimentiert die KPCh nun auch mit Veränderungen des staatlich gelenkten Gewerkschaftssystems.

Foxconn geriet nach der Selbstmordwelle in den chinesischen Fabriken 2010 unter öffentlichen Druck und erhöhte die Löhne - beschränkte allerdings gleichzeitig Zulagen und Überstunden. Zudem beschleunigte Foxconn die Produktionsverlagerung von den Küstenregionen im Südosten ins chinesische Hinterland, wo die Löhne bis zu 50 Prozent niedriger sind. Das Unternehmen investiert außerdem in neue Maschinerie und Arbeitstechnologien, aber weder die räumlichen noch die technologischen Lösungsversuche konnten die neuen Kämpfe verhindern, die nach 2010 vor allem in den neuen Fabriken »auf der grünen Wiese« im chinesischen Hinterland stattfanden.

Anfang 2013 kündigte der Konzern an, vor Juli in seinen Werken in China Gewerkschaftswahlen auf betrieblicher Ebene abhalten zu wollen (danach dann alle fünf Jahre). Die offizielle KP-Gewerkschaft ist in Foxconn-Werken schon seit 2006 aktiv - unter der Kontrolle des Managements. Mit der »demokratischen« Legitimierung der betrieblichen GewerkschaftsvertreterInnen will Foxconn sein Ausbeuter-Image loswerden und die gewerkschaftsunabhängigen Arbeiternetzwerke, die hinter den Streiks und anderen Aktionen stehen, schwächen. Reformierte Gewerkschaftsstrukturen sollen mehr Informationen über die Arbeiterunzufriedenheit nach oben leiten, so dass das Management Gegenmaßnahmen ergreifen und Proteste frühzeitig unterbinden kann.

Problematische Kampagne gegen Apple und Foxconn

Foxconn zieht mit seiner brutalen Ausbeutung und den schlechten Arbeitsbedingungen zu Recht viel Kritik auf sich. Und ebenso Apple: Das US-Unternehmen symbolisiert eine globalisierte, kapitalistische Kultur, die auf Lohnsklaverei beruht - in Zulieferfabriken wie Foxconn, in Apple-Geschäften und anderswo. Eine internationale Kampagne von NGOs, die schon vor den Selbstmorden 2010 begann, will Schande über diese beiden Unternehmen bringen, den öffentlichen Druck erhöhen und Konsumboykotte initiieren, in der Hoffnung, dass dies Foxconn zu einer Verbesserung der Bedingungen zwingt.

Welchen Einfluss die Kampagne wirklich hat, ist schwer zu sagen. Sicherlich ist Apple auf sein Image bedacht, aber bisher reagierten Apple und Foxconn nur mit theatralischen Versprechen und kosmetischen Änderungen. Der eigentliche Druck entsteht durch die hohe Arbeiterfluktuation bei gleichzeitiger Arbeitskräfteknappheit in den industriellen Zentren Chinas und durch die regelmäßigen Arbeiterkämpfe in Foxconn-Fabriken.

Es geht bei der Kampagne gegen Foxconn und Apple jedoch nicht so sehr um die Frage der Wirksamkeit der Shitstorms und Konsumboykotte gegen bestimmte Firmen. Vielmehr werfen diese Kampagnen mindestens drei Probleme auf (bzw. verschärfen sie): 1. Sie beschränken sich oft auf eine Kritik an »Überausbeutung«, »fiesen Bossen«, »undemokratischen Unternehmen« oder »Gewerkschaftsfressern«; das führt sie zu Forderungen nach »sozialer Verantwortung« der Firmen, »demokratischer« Vermittlung im »Konflikt zwischen Arbeit und Kapital« oder schlimmer: zu Forderungen nach der Intervention des (autoritären) Staates zur Sicherung »sozialer Gerechtigkeit«. 2. Die Kampagnen sprechen sich oft für (unabhängige) Gewerkschaften, Tarifverhandlungen oder andere Formen der Klassenvermittlung aus und stärken damit die Illusion in grundsätzliche Veränderungen durch reformistische Schlichtung. 3. Die Kampagnen fordern zur Unterstützung von außen auf: »KonsumentInnen« in »reichen Ländern« sollen »ProduzentInnen« in »armen Ländern«, die als schwach und wehrlos präsentiert werden, helfen. Dies ist der falsche Weg, wenn es um die Verbindung und Vernetzung der weltweiten Kämpfe geht. So wird die Spaltung zwischen Arbeiterklassen in verschiedenen Teilen der Welt festgeschrieben.

In der kapitalistischen Krise mit weltweit neuen Klassenbewegungen, die ihre Fähigkeit zur Selbstorganisation zeigen, machen Kampagnen Sinn, wenn sie alle kapitalistischen Ausbeutungsstrukturen angreifen, sich nicht auf Klassenvermittlung einlassen und einen solidarischen Bezug »auf gleicher Augenhöhe« herstellen. Solidarität ist möglich, wenn (latent) rebellische Subjekte gemeinsame Ziele erkennen und sich auf dieser Grundlage gegenseitig unterstützen. Im Fall von Foxconn hieße das, dass IndustriearbeiterInnen in Foxconn-Fabriken in China (oder auch Tschechien), Coltan-BergarbeiterInnen im Kongo, VerkäuferInnen in Apple-Geschäften und Call-Centern weltweit gegen ihre eigene Ausbeutung kämpfen und andere Ausbeutungszusammenhänge und Kämpfe entlang der Produktionskette aufgreifen.

Ralf Ruckus schrieb in ak 570 und 576 über Arbeitskämpfe in den chinesischen Weltmarktfabriken.

Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan: iSlaves - Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken. Mandelbaum Verlag, Wien 2013, 250 Seiten, 19,90 EUR.

iSlaves - Buch und Veranstaltungen

Das Buch »iSlaves - Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken« von Pun Ngai, Lu Huilin, Guo Yuhua, Shen Yuan erscheint dieser Tage im Wiener Mandelbaum Verlag. Anfang April sind Veranstaltungen in Österreich geplant: am 3. April in Villach, am 8. April in Graz und am 9. April in Wien.

Weitere Informationen unter

www.gongchao.org/de/islaves-buch und www.gongchao.org/de/veranstaltungen. Zu Arbeitskämpfen in China und speziell bei Foxconn: tuanjie.blogsport.de.

Die Maschine ist der Herr und Gebieter*

Von Yang

Produktionsquoten und Qualitätskontrollen setzten den ArbeiterInnen ebenso zu wie die Anwendung verbaler Gewalt. Am deutlichsten war das während der täglichen Morgenversammlungen. Zunächst wurden alle Namen aufgerufen. Dann erläuterte der Linienführer anstehende Arbeitsaufgaben und wies auf Probleme wie mangelnde Sauberkeit am Arbeitsplatz, Unordnung auf den Werktischen, Sprechen während der Arbeitszeit und schlampiges Arbeiten hin. Jeden Morgen mussten wir uns als Erstes diese Zurechtweisungen anhören.

Die Vorgesetzten unterdrücken die ArbeiterInnen, die Maschinen nehmen ihnen das Gefühl für den Sinn und Wert des Lebens. Die Arbeit dort verlangt keinerlei Mitdenken. Jeden Tag werden dieselben einfachen Körperbewegungen wiederholt, sodass die Leute nach und nach empfindungslos und apathisch werden. Sie sind mit ihren Gedanken nicht mehr in der Gegenwart. Ich merkte, wie ich bei der Arbeit immer wieder Aussetzer hatte. Ich hatte alle Arbeitsbewegungen bereits verinnerlicht, schreckte aber plötzlich auf und wusste nicht, ob ich das vorige Werkstück bearbeitet hatte oder nicht. Ich musste dann meine Kollegin fragen, um mich zu vergewissern.

Ich hatte oft den Eindruck, dass die Maschine der Herr und Gebieter war, dem ich als Sklave die Haare kämmen musste. Ich durfte nicht zu schnell kämmen, aber auch nicht zu langsam. Ich musste sauber und ordentlich kämmen, es durften keine Haare brechen, der Kamm durfte nicht hinunterfallen, und wenn ich es nicht gut machte, wurde ich zurechtgestutzt.

Eines Tages erzählte mir eine Arbeiterin, dass im Januar desselben Jahres die Überstunden nicht bezahlt worden waren und ArbeiterInnen deswegen die Arbeit niedergelegt hatten. Einige hatten die Initiative ergriffen und an jenem Tag die Überstunden verweigert. Die anderen ArbeiterInnen in der Halle hatten sich sogleich angeschlossen, und am Ende der normalen Schicht hatte ein Großteil keine Überstunden gemacht und die Halle verlassen. Einige derer, die damals die Initiative ergriffen hatten, verließen später die Firma oder wurden in andere Abteilungen versetzt.

In den Werkhallen war oft zu beobachten, wie ArbeiterInnen nach Möglichkeiten zum Faulenzen suchten. Eines Tages kam der Kollege Ming zu mir. Wir sind gute Freunde, aber ich wunderte mich, warum er während der Arbeitszeit nichts zu tun hatte. »Die Maschine ist kaputtgegangen«, sagte er. Ich erwiderte: »Das ist ja bestens.« Er blieb eine Weile und flüsterte mir zu: »Ich habe die Maschine absichtlich beschädigt. Ich musste nur den Notschalter betätigen, dann hielt die Maschine an. Ich habe den Netzschalter einfach wieder auf die Ausgangsposition gestellt, sodass niemand weiß, was passiert ist.« Ein anderer Arbeiter erzählte mir, dass er in Zeiten, in denen zu viel zu tun ist oder wenn er mal seine Ruhe haben will, normgerechte Teile als Ausschuss behandelt und kaputtmacht, um sie dann noch einmal herstellen zu müssen. So kann er die vorgegebene Produktionsmenge reduzieren und die Arbeitsgeschwindigkeit drosseln. Er sagte: »Mein Kollege auf der Nachtschicht hat sogar mal zwei Kartons mit normgerechten Teilen weggeworfen.« Es gibt natürlich auch eine einfache und direkte Form des Widerstands, die Abstimmung mit den Füßen, sprich: einfach gehen. Einmal bekam ich nach der Schicht eine SMS von einem Arbeiter: »Ich kündige! Es ist nichts, außer dass ich keine Lust mehr auf die nächtliche Folter habe.« Er hatte lediglich 35 Tage bei Foxconn gearbeitet.

Yang ist Student und Produktionsarbeiter bei Foxconn.

* Gekürzter Auszug aus dem Buch »iSlaves - Ausbeutung und Widerstand in Chinas Foxconn-Fabriken« (siehe Kasten).