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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 582 / 19.4.2013

Aufgeblättert

Antideutsche

Ein weiterer Titel beschäftigt sich mit den Antideutschen. Anton Stengle analysiert deren Entstehung und Niedergang. Nach »Die antideutsche Ideologie« (2003) und »Sie waren die Antideutschesten der deutschen Linken« (2004) das wohl ausführlichste Werk zu den bisweilen ins Neokonservative abgedrifteten ehemaligen deutschen Linken. Der Autor holt weit aus: In Teil I geht es um die Gründung Israels, um die deutsche Linke - u.a. um das Verhältnis von KPD, SED und der antiimperialistischen Bewegungen zu Israel - sowie um die offiziellen Beziehungen BRD-Israel. Dies ist aufschlussreich, weil nach 1945 »kaum ein anderer europäischer Staat so fest hinter Israel stand wie die BRD«, so Stengle. Teil II beleuchtet AkteurInnen und Geschichte der antideutschen Strömung: vom ersten Irakkrieg 1990/91 über den »War on Terror« - vom Protagonisten Stephan Grigat als »Krieg gegen den islamischen Faschismus« bezeichnet - bis zur Befürwortung der Erstürmung einer Gaza-Hilfsflottille 2011. Teil III beschäftigt sich mit Antizionismus und Linken in Israel, da Antideutsche stillschweigend davon ausgehen, dass alle Jüdinnen und Juden bzw. Israeli die Politik Israels unterstützen würden, meint Stengle. Gruppen wie Peace Now, Gush Shalom oder Meretz würden aber das Gegenteil beweisen. Das Kapitel IV geht der Frage nach, ob antideutsche Gruppierungen samt deren Hauptorgan Bahamas oder auch Blättern wie Phase2 oder Jungle World noch Teil der Linken sind.

Florian Osuch

Anton Stengle: Antideutsche. Zambon Verlag, Frankfurt am Main 2012. 330 Seiten, 12 EUR.

Deutsche Rassisten

Harry Waibels Buch »Rassisten in Deutschland« behandelt die Zeit zwischen 1949 und 2011 in beiden deutschen Staaten. Auf dem Cover sind die Namen von Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 aufgelistet. In drei etwa gleich langen Kapiteln untersucht der Autor die BRD und die DDR zwischen 1949 und 1990 sowie das »wiedervereinigte« Deutschland seit 1990. Die ausführliche Beschäftigung mit der DDR ist verdienstvoll. Dass sie deren ApologetInnen provoziert, ist, wenn nicht beabsichtigt, zumindest unvermeidlich. Denn entgegen der staatsoffiziellen Berufung auf »Völkerfreundschaft« und »proletarischen Internationalismus« gab es im Arbeiter- und Bauernstaat rassistische Ressentiments und Diskriminierung. Die ausländischen »Vertragsarbeiter« in der DDR waren von rechtlicher und sozialer Gleichstellung ähnlich weit entfernt wie die »Gastarbeiter« im Westen. Im dritten Kapitel über die Zeit seit 1990 wird der Anspruch des Autors deutlich, nur ja nichts zu vergessen. Auf jeweils wenigen Seiten handelt er die Walser-Bubis-Debatte ab, Martin Hohmann, Günter Grass, Eva Hermann, Thilo Sarrazin, den NSU. Eine ausführlichere Beschäftigung mit weniger Themen wäre sinnvoller gewesen. Zuweilen wird das Buch auch zur Kampfschrift, etwa in dem Abschnitt »Anti-semitischer Anti-Zionismus bei Linken und Rechten«. Hier nimmt Waibel zwei antideutsche Hardliner gegen den - berechtigten - Vorwurf in Schutz, »passionierte Kriegsapologeten« zu sein.

Jens Renner

Harry Waibel: Rassisten in Deutschland. Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2012. 447 Seiten, 59,95 EUR.

Schwarze Frauen

20 Jahre nach dem Tod von Audre Lorde würdigt ein Buch die Verdienste der schwarzen lesbischen US-amerikanischen Dichterin, Theoretikerin und Aktivistin für die schwarze Frauenbewegung in Deutschland. Deren Anfänge sind eng mit Lorde verknüpft: Als sie ab Mitte der 1980er Jahre an der FU Berlin lehrte, entstanden gerade die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland und ADEFRA, ein Zusammenschluss schwarzer Frauen. »Euer Schweigen schützt euch nicht« - so forderte Lorde schwarze Frauen dazu auf, aktiv zu werden. Ein zentrales Ergebnis war das Buch »Farbe bekennen« von 1986, auf das sich auch das jetzt erschienene Buch immer wieder bezieht. Der Band versammelt bereits erschienene sowie neu übersetzte Texte von Audre Lorde. Ergänzt werden diese durch Texte und Gedichte von Wegbegleiterinnen und schwarzen Frauen der Nachfolgegeneration aus Deutschland. Sie verhandeln Themen wie (Nicht-)Zugehörigkeit, Heimat, Gewalt, Frausein und Sprache und drehen sich damit letztlich oft um das Überleben in einer feindlich gesinnten Umgebung. In den Texten legen die Autorinnen eigene Traditionen frei, sie kämpfen um ihre Selbstbezeichnung und wehren sich gegen eine Geschichtsschreibung, die Schwarze in Deutschland immer außerhalb der Mehrheitsgesellschaft verortet(e). Als Einführung in das Werk einer der wichtigsten schwarzen Feministinnen füllt das Buch eine Lücke in der Geschichtsschreibung der Frauenbewegung in Deutschland.

Sarah Lempp

Peggy Piesche (Hg.): Euer Schweigen schützt Euch nicht. Audre Lorde und die Schwarze Frauenbewegung in Deutschland. Orlanda Frauenverlag, Berlin 2012. 240 Seiten, 19,50 EUR.

Tote Arbeit

Die Veränderungen der letzten Jahrzehnte werden oft so beschrieben, dass nicht mehr nur die Arbeit, sondern alle Lebensäußerungen der Kapitalverwertung unterworfen seien. Die Arbeitswissenschaftler Carl Cederström und Peter Fleming radikalisieren deshalb die Marx'sche Unterscheidung von toter und lebendiger Arbeit zu der von toter Arbeit und Leben überhaupt. Dabei fassen sie uns, die ArbeiterInnen des Biokapitals, als »Untote«: »eine Existenz, die angemessener durch ihr Gegenteil definiert ist, eine des Nicht-Lebens, das bereits tot ist.« Leiden wir am »Un-Tod«, den wir leben, bleibt als Ausweg nur ein Tod, der mit ihm Schluss macht. Cederström/Fleming belegen ihre These an Suiziden mit ausdrücklichem Bezug auf Arbeitserfahrungen und unterscheiden dabei zwei Formen des Abgangs der Untoten. Die erste ist der Selbstmord der restlos Unterworfenen, die im Suizid die Schuld gestehen, den Anforderungen durchkapitalisierten Lebens nicht gewachsen zu sein. Die zweite ist der Selbstmord der hilflos Protestierenden, mit dem das Zeichen gesetzt werden soll, »dass sie nicht mehr weitermachen konnten, weil die Arbeit sie zerstört hatte«. Solchem endgültigen Scheitern setzen Cederström/Fleming den »symbolischen Selbstmord« entgegen, der erlauben soll, »das Leben aus der Perspektive des Todes neu zu denken«. Zu Recht werden sie hier nicht konkreter, nennen aber KronzeugInnen aus Philosophie und Literatur, bei denen man sich kundig machen kann.

Thomas Seibert

Carl Cederström, Peter Fleming: Dead Man Working. Die schöne neue Welt der toten Arbeit. Edition Tiamat, Berlin 2013. 141 Seiten, 13 EUR.