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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 583 / 17.5.2013

Aufgeblättert

Erwerbslosenprotest

Harald Reins neues Buch enthält 20 Beiträge von 17 AutorInnen. Es widmet sich der Geschichte einiger Facetten des sichtbaren Widerstandes und der formalen und informellen Organisierung von Erwerbs- und Arbeitslosen in den letzten 30 Jahren. Exkurse führen in die Schweiz und nach Österreich und zurück in die Weimarer Republik bis hin zu den Anfängen des Nationalsozialismus, wo es, wie Rein schildert, Widerstand und Organisierung von Erwerbslosen gegeben hat. Neben Überblicksartikeln finden sich Lokalstudien, etwa zum Erwerbslosenprotest in Berlin. Weiter werden Initiativen und Organisationen vorgestellt, wie die Euro-Märsche oder der vor allem in Ostdeutschland aktive Arbeitslosenverband ALV und die Erwerbslosenarbeit in den Gewerkschaften. Michael Bättig ist mit zwei Beiträgen vertreten. In einem erzählt er die Geschichte der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg nach, einer lokalen Organisation, die bundesweite Bedeutung hatte und hat. Im zweiten propagiert er ein Bündnis der Erwerbslosenbewegung mit ökologischen, gewerkschaftlichen und Verbraucherinitiativen und nicht zuletzt der bäuerlichen Landwirtschaft. In einem weiteren Beitrag zu Perspektiven macht Harald Rein die Vision des »guten Lebens« stark. Dieser Begriff schließt als Klammer an die Debatten um ein Existenzgeld der 1990er Jahre und die des Grundeinkommens der letzten Jahre an. Eine 1977 beginnende Zeitleiste zum Erwerbslosenwiderstand schließt den lesenswerten Band ab.

Bernd Hüttner

Harald Rein (Hg.): Dreißig Jahre Erwerbslosenprotest 1982-2012. Dokumentation, Analyse und Perspektive. Verlag AG SPAK, Neu-Ulm 2012. 262 Seiten, 22 EUR.

Europas Rechte

Chrysi Avgi in Griechenland, die British National Party in England, Jobbik Magyarországért Mozgalom in Ungarn: Bei der Wahl zum Europäischen Parlament (EP) 2014 treten in zahlreichen EU-Staaten radikale rechte Parteien an. Auch die NPD will erstmals ins EP einziehen. Und wenn die Sperrklausel-Hürden in den verschiedenen Staaten der EU nicht genommen werden, winken dennoch Gelder aus der Wahlkampfkostenerstattung. Derzeit sitzen rechte Parteien aus zwölf Mitgliedsstaaten mit insgesamt 34 von 754 Abgeordneten im Straßburger Parlament. Es steht zu befürchten, so die Autoren Martin Langebach und Andreas Speit, dass die radikalen rechten Parteien bei der nächsten Wahl mehr Mandate als 2009 erhalten. Die beiden Journalisten reisten 2012 zu Wahlkampfveranstaltungen, Kundgebungen und Konzerten in elf europäischen Ländern, darunter auch die Nicht-EU-Staaten Schweiz und Norwegen. Sie berichten über nationalistische, rassistische und neo-nationalsozialistische Strömungen und beleuchten deren Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg. Themen wie die Bankenpolitik, der Sozialabbau und die ewige Leier von der Angst vor »Überfremdung« eint viele radikale rechte Parteien. Im EU-Parlament jedoch offenbaren sich auch zahlreiche Trennlinien zwischen ihnen. Wer sich vor den Wahlen einen schnellen Überblick über die radikale Rechte in verschiedenen europäischen Ländern verschaffen möchte, liegt mit diesem Buch richtig.

Anke Schwarzer

Martin Langebach und Andreas Speit: Europas radikale Rechte: Bewegungen und Parteien auf Straßen und in Parlamenten. Verlag Orell Füssli, Zürich 2013. 287 Seiten, 21,95 EUR.

Neue hippe Elbinsel

»Metropole Hamburg - Wachsende Stadt«, seit über zehn Jahren gilt dies der Hansestadt als Leitbild. Beim »Sprung über die Elbe« geht es um die Aufwertung des Stadtteils Wilhelmsburg. Unlängst eröffneten hier die Bauaustellung IBA und die Gartenschau igs ihre Tore. (ak 581) Bei der damit einhergehenden Umgestaltung des Stadtteils versucht die IBA vor allem, Images zu kreieren und Investoren zu gewinnen. Seit 2006 beschäftigt sich der Arbeitskreis Umstrukturierung Wilhelmsburg (AKU) mit IBA, igs und den Folgen für den Stadtteil. In dem vom AKU herausgegebenen schmalen Sammelband geht es um die Entwicklung des Stadtteils von der »Bronx des Nordens« hin zum stadtplanerischen Vorzeigeobjekt, um die Folgen von Gentrifizierung und um das, was man »Beteiligungszirkus« nennen könnte: wie die IBA es durch vermeintliche Partizipationsangebote geschafft hat, sich relative Akzeptanz zu sichern. Es geht um Engagement vor Ort - sei es das der MieterInnen der GAGFAH-Häuser, lokaler Initiativen oder KünstlerInnen - und die mehr oder weniger erfolgreichen Versuche der Instrumentalisierung durch IBA und Stadt. Im Fokus steht Wilhelmsburg. Doch die Elbinsel ist nur ein besonders prägnantes Beispiel für neoliberale Stadtentwicklung. Das macht das Buch auch über die Hansestadt hinaus interessant. Für LeserInnen, die sich das erste Mal mit der Thematik beschäftigen, mag der Band recht voraussetzungsvoll sein - aber für die gibt es auch ein Glossar.

Maike Zimmermann

AKU: Unternehmen Wilhelmsburg. Stadtentwicklung im Zeichen von IBA und igs. Assoziation A, Berlin und Hamburg 2013. 110 Seiten, 9,80 EUR.

(R)Evolution

Der vormals in der DDR wirkende marxistische Historiker Ernst Engelberg (1909-2010) ist auch nach seinem Tode mit historischen Schriften präsent. Zu danken ist dies seinem Sohn Achim Engelberg, der Anliegen und Werk seines Vaters fortsetzt, aktuell mit dem Buch »Wie bewegt sich, was uns bewegt? Evolution und Revolution in der Weltgeschichte«. Schon die zwölf Kapitelüberschriften versprechen Interessantes: »Was brachten die Werke von Marx und Engels für die Geschichtsbetrachtung? - Was ist Weltgeschichte? - Warum begann die Revolution Nr. 1 der Bourgeoisie in Deutschland und wann endete sie? - Was ist eine Revolutionsepoche? - Wie ist das Verhältnis von Innen- und Außenpolitik? - Was ist eine Revolution von oben? - Sind Zeitalter-Begriffe überflüssig? - Was ist eine historische Biographie? - Warum ausgerechnet Bismarck und wie stellt man dessen Leben und Wirken dar? - Erfolg und Krise - Was ist historisches Erkennen? - Gibt es einen Sinn in der Geschichte?« Dieses Kernstück des Buches ist Originalton Ernst Engelberg. Achim Engelberg ist gelungen, was er im Vorwort als sein Ziel formuliert: Zu zeigen, dass »ein plurales, auf Marx und Engels fußendes Geschichtsdenken, wie es Ernst Engelberg vor allem in seinem Spätwerk praktizierte, für globalhistorische Studien belangvoll werden« kann, um »die Geschichte national wie weltweit als Ablauf von Gesellschaftsformationen zu sehen und zu erzählen ...«

Ulrich Leicht

Ernst Engelberg: Wie bewegt sich, was uns bewegt. Evolution und Revolution in der Weltgeschichte. Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2013. 229 Seiten, 44 EUR.