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ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 583 / 17.5.2013

Wo die wilden Tiere wohnen

Diskussion Die neue Plakatkampagne »The Big Five!« reproduziert kolonial-rassistische Bilder

Von Laura Stielike

Einige mögen sagen: Das, was derzeit im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unter Minister Niebel passiert, ist so daneben, dass es kaum lohnt, sich damit zu beschäftigen. Andere mögen sagen: Entwicklungspolitik ist ohnehin nur eine Fortsetzung des Kolonialismus, warum diese also differenziert analysieren, wenn es doch gilt, sie abzuschaffen? Mir scheint es dennoch sinnvoll, die aktuelle Plakatkampagne »The Big Five!« des BMZ etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Schließlich werden hier im öffentlichen Raum Bilder von Afrika verbreitet, die durchaus wirkmächtig sind.Bilder sind nicht unschuldig. Sie schreiben sich in unser visuelles Gedächtnis ein und sind wesentlicher Teil fortwährender Wissensproduktion und Repräsentation. Die Art der Darstellung ist dabei eng mit herrschenden Machtverhältnissen verbunden.

Das Plakat, das seit dem 29. April bundesweit an 3.600 öffentlichen Orten zu finden ist, zeigt im Hintergrund den afrikanischen Kontinent. Im Vordergrund sind fünf Tiere abgebildet: ein Elefant, ein Leopard, ein Nashorn, ein Büffel und ein Löwe. Bei näherem Hinsehen lässt sich neben jedem Tier ein kurzer Schriftzug erkennen: »Menschenrechte schützen - für Demokratie werben«, »Armut bekämpfen - Wachstum fördern«, »Bildung fördern - Chancen schaffen« sowie »Rohstoffe sichern - nachhaltig wirtschaften«. Neben dem Löwen heißt es etwas kryptisch »Artenvielfalt erhalten - Kaza besuchen*«. (1) Überschrieben ist das Plakat mit »Neue deutsche Entwicklungszusammenarbeit« und in wesentlich größeren Lettern darunter: »The Big Five!«

Was hat die deutsche Entwicklungspolitik mit diesen Tieren zu tun? Gut, könnte man sagen, es geht in dieser Kampagne vor allem um das Thema Biodiversität. Nicht umsonst hat Minister Niebel die Kampagne in Berlin gemeinsam mit dem Vorstand des WWF Deutschland, Eberhard Brandes, eröffnet. Was ist dann aber der Link zwischen Elefant und Menschenrechten oder Leopard und Armutsbekämpfung? Und geht man ins Internet - denn es handelt sich um eine interaktive Kampagne - und klickt auf das Nashorn, kommt man zu einem Bericht über Ausbildungsprogramme für Jugendliche in Palästina. Was haben die nun wieder mit Afrika zu tun? Oder mit den Tieren?

»The Big Five« ist ein Begriff, der von europäischen Großwildjägern während der Kolonialzeit geprägt wurde. Er bezeichnet die fünf Tiere, die als besonders gefährlich und schwierig zu Fuß zu jagen galten. Heute wird der Begriff metaphorisch für die gleichen fünf Tiere verwandt, von denen Safari-TouristInnen unbedingt ein Foto »schießen« möchten. Was wollen uns also die »Big Five« im Rahmen der Entwicklungspolitik sagen? Auf der Website des Centrums für Internationale Entwicklung und Migration (CIM), das im Auftrag des BMZ arbeitet, werden unter den »Big Five« der »Beitrag zu Grundbildung, HIV/AIDS Bekämpfung, Erneuerbare Energien, Energieeffizienz (und) Tropenwaldschutz« verstanden - die fünf Themenschwerpunkte des BMZ.

Welche Assoziationen rufen »The Big Five!« aber beim Betrachten des Werbeplakates hervor? Afrika, ein Kontinent, der in der westlichen Erzählung gern als ein einziges Land imaginiert wird, wird hier als Ort porträtiert, an dem bestimmte Tierarten wohnen. Dies wäre vielleicht noch nachvollziehbar, wenn es in der Plakatwerbung tatsächlich um Tiere ginge. Die kurzen Textpassagen werfen jedoch Fragen auf, die in erster Linie Menschen betreffen: Armut, Bildung, Menschenrechte, Ressourcenpolitik.

Werbeplakate von entwicklungspolitischen Organisationen haben in den letzten Jahren zu Recht viel Kritik für ihre stereotype, oft rassistische Darstellung von schwarzen Menschen geerntet. (2) Nun aber einfach Tiere abzubilden, obwohl es um Menschen geht, scheint keine gelungene Alternative zu sein. Vielmehr wird mit dem Begriff »Big Five« und der überdimensionalen Darstellung von Tieren auf dem afrikanischen Kontinent impliziert, dort lebten keine Menschen, der Kontinent sei verfügbar für den Blick der Safari-TouristInnen, denen in ihrer Fotokollektion noch der Büffel fehlt. Dieser ist nämlich nur als Scherenschnitt zu erkennen. Die Quizfrage »Welches Tier suchen wir?« und der QR-Code am linken unteren Bildrand fordern dazu auf, die Antwort auf der Website des BMZ zu hinterlassen. Dieses »interaktive Ratespiel« solle »Menschen nicht nur visuell ansprechen, sondern auch auf die Online-Angebote des BMZ aufmerksam machen«. Werden dort fünf Fragen zu den Arbeitsschwerpunkten des BMZ richtig beantwortet, gibt es die Chance, eine Reise zu den Dienstsitzen des BMZ in Bonn und Berlin inklusive Führung zu gewinnen.

Indem die Kampagne vermittelt, Afrika sei der Ort, wo die »wilden Tiere« wohnen, die von »uns«, den weiß-westlichen BetrachterInnen gejagt, geknipst oder gerettet werden müssen, reproduziert sie kolonial-rassistische Bilder vom afrikanischen Kontinent als exotisch, geschichtslos und für den »Westen« verfügbar. Den Menschen, die dort wohnen, wird in diesem Zuge jegliche Handlungskompetenz abgesprochen. Afrika war, ist und bleibt somit die viel zitierte »Bürde des weißen Mannes«. Wie passend also, dass der einzige Mensch, der auf dem Plakat abgebildet wird, ein weißer Mann ist: Am linken unteren Plakatrand bleckt Minister Niebel seine Zähne in die Kamera.

Laura Stielike ist aktiv im Netzwerk kritische Migrations- und Grenzregimeforschung (Kritnet) sowie bei Reflect! e.V. in Berlin.

Anmerkungen:

1) Kleingedruckt am unteren Plakatrand wird erklärt: »*Kaza ist der größte Nationalpark der Erde im südlichen Afrika.«Der Plakattext ruft also zu Tourismus in diesem Park auf.

2) Siehe beispielsweise www.whitecharity.de.