Was nun, Dicki Hoppenstedt?
kreativ & billig Prekäre Kreative könnten die Speerspitze einer neuen politischen Bewegung sein - könnten. Versuch eines Wetterberichts
Von Katja Kullmann
Das Märchen von der »Kreativwirtschaft« ist entzaubert. Jahrelang haben sie höchst prekär vor sich hingebastelt - nun endlich dämmert vielen kreativen Micropreneuren, dass sie nur süße bunte StatistInnen für die ganz großen Geschäfte sind. Dabei könnten sie viel mehr sein: die Speerspitze einer neuen politischen Bewegung - zwischen Statusangst und Subversion.
Neulich, in einer Hamburger Low-Budget-Bar, wo GrafikerInnen, FotografInnen, DoktorInnen der Philosophie und Popkultur, freischaffende Zeilenknechte, fantasievolle HausbesetzerInnen und andere kluge Menschen ohne nennenswertes Einkommen sich treffen, fiel in einer wackeligen Second-Hand-Möbel-Sitzgruppe eine interessante Frage. Sie lautet: Was ist eigentlich aus Dicki Hoppenstedt geworden? Aus dem pummeligen Schuljungen, der 1978 von seinen Eltern zu Weihnachten das Spielzeugset »Wir bauen uns ein Atomkraftwerk« geschenkt bekam?
Kind und Kernkraftwerk sind Teil eines berühmten Loriot-Sketchs, über den man sich auch im Jahr 2013, bei Youtube und anderen Videoportalen, noch prächtig amüsieren kann: Opa Hoppenstedt, verkörpert von Loriot, besorgt den Baukasten für sein Enkelkind in einem Spielzeugladen. Die Verkäuferin, Evelyn Hamann, führt vor, was alles zum Set gehört: »Brennkammer, Uranstab, Kühlsystem, Neutronenbeschleuniger.« Ob das ganze auch »richtig Puff« mache, also explodieren könne, fragt der Opa. »Aber ja«, versichert die Verkäuferin - und tatsächlich: An Heiligabend fackelt Klein-Dicki damit beinahe das hoppenstedtsche Wohnzimmer ab.
Kreativwirtschaft: Leitbild für die Industrie von morgen
Heute dürfte Dicki so um die 40 sein. Und wer weiß: Vielleicht ist ein ordentlicher Ingenieur aus ihm geworden, ein hochdotiertes »High-Potential« bei Siemens oder Vattenfall. Vielleicht wohnt er jetzt in einer Maisonette mit Wintergarten, fährt einen SUV in Mokkabraun und hat für seine fließend Chinesisch sprechenden Kinder schon zig Lebensversicherungen abgeschlossen.
Vielleicht hat Dicki es aber auch gemacht wie Zehntausende andere aus seiner Altersgruppe. Vielleicht hat er geglaubt, dass mehr in ihm steckt als ein berechenbares 38-Stunden-Wochen-Leben - mehr Individualität, mehr Wildheit, mehr ... Kreativität! Vielleicht ist Dicki, »The Creator«, kaum dass er volljährig war, dem 1990er-Jahre-Microsoft-Slogan »Where do you want to go today?« gefolgt - und hat sich als Produktdesigner, Softwareentwickler oder Mediengehilfe selbstständig gemacht. Und nun sitzt er da, in einer dieser charmanten Kleine-Preise-Bars, stiert in sein Glas und weiß nicht, wovon er seine Miete bezahlen soll.
Kreativwirtschaft - so heißt das Zauberwort, das noch bis ins Jahr 2011 auf der Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums prangte. »Die Kreativwirtschaft ist das Leitbild für die Industrie von morgen«, stand da zur Begrüßung. Inzwischen ist der Spruch von der Seite verschwunden. Diejenigen, die tatsächlich versuchen, ihren Lebensunterhalt auf »kreative« Art zu bestreiten, können die Floskel sowieso kaum noch ertragen. Längst hat sie einen zynischen Beigeschmack. Statistiken zeigen es, Bücher und Zeitungsartikel berichten darüber: Das Kreativste an der Kreativwirtschaft sind ihre Beschäftigungsformen. Das, was mittlerweile auch im Tourismus, in der Gastronomie, im Reinigungs- und im Klinikwesen grassiert - Leiharbeit, Zeitarbeit, Werkverträge -, ist zuerst an den sogenannten Kreativen durchexerziert worden. Wenigstens in dieser Hinsicht zählen sie zu einer Avantgarde.
Mit 137 Milliarden Euro jährlich sind die einheimischen Unternehmen der Kreativwirtschaft - von der Architektur über die Medien, das Design und die Softwareentwicklung bis zur Werbung - sogar für mehr Wertschöpfung als die gesamtdeutsche Chemieindustrie verantwortlich. Nur, dass die Kreativunternehmen das, was sie zu verkaufen haben, die Ideen oder den »Content«, vielfach von »Freien« herstellen lassen, die sich ohne soziale Absicherung, dafür mit den Wettbewerbspeitschen »Selbstmarketing« und »Selbstausbeutung« im Rücken, um die Aufträge kloppen müssen - notfalls auch, indem sie sich gegenseitig unterbieten. Allem Kreativgeschwätz zum Trotz ist die Zahl der »Not-Selbstständigkeiten« im Kultursektor besonders hoch, heißt es beim Bundesverband der Freien Berufe (BFB).
Durchschnittlich 15.000 bis 17.000 Euro verdienen freie Kreative, die es in das Versicherungssystem der Künstlersozialkasse geschafft haben - jährlich. Wer dieses Tänzchen am Rand des Existenzminiums schon ein paar Jahre mitgemacht hat, weiß: Die oft langjährige Ausbildung, all die Praktika und Traineeships, alle »Flexibilität«, »Vernetzung« und »Eigenverantwortlichkeit« haben sich schlicht nicht gelohnt. Tausende einst hoffnungsvoll gestarteter Micropreneure, wie Soloselbständige euphemistisch auch genannt werden, sind längst zu einem angeknitterten akademischen Proletariat geworden, zu TagelöhnerInnen und WanderarbeiterInnen, die oft noch mit Ende 30 auf Zuschüsse aus den alt-mittelständischen Elternhäusern angewiesen sind. Wer heute zwischen 20 und 40 ist, gehört, statistisch gesehen, zur bestausgebildeten Generation, die das Land je hatte. Ökonomisch gesehen hat der Aufsteigertraum für viele aber »Puff« gemacht.
Autonome Produktionsmöglichkeiten
Ein Atomkraftwerk ist es nicht gerade, was da summt und fiept - aber vielleicht etwas Ähnliches: Ein 3D-Drucker arbeitet selbstständig so vor sich hin. Er steht in einer Ecke des »Fab Lab St. Pauli«, einer Art offener Bürgerwerkstatt mitten in der Stadt. Das Gerät sieht aus wie eine übergroße Mikrowelle, ist etwa 1,20 Meter hoch und 80 Zentimeter breit, hat ein eierschalfarbenes Gehäuse und eine dunkle Glasfront. Gerade entsteht in dem Ding ein Glasuntersetzer, wie aus dem Nichts. Er wächst langsam von unten nach oben. Wenn Eingeweihte einem Laien den Prozess zu beschreiben versuchen, verweisen sie gern auf den Replikator aus dem Raumschiff Enterprise, auf die zauberhafte Science-Fiction-Maschine, die Spaghetti Bolognese auf Zuruf herstellt. Tatsächlich gibt es heute in Speziallabors schon Experimente in Sachen »Bioprinting«. Da fließen Steaks und Körperorgane aus den Düsen. Ob Zahnbürsten oder Waffenteile - so gut wie alles ist mit einem 3D-Drucker herstellbar.
Die Maschine wird nicht nur mit Baumaterial, etwa Kunststoffen, gefüttert, sondern auch mit einer Konstruktionssoftware, einem CAD-Muster, das in diesem Fall von Robert stammt. Robert, 27 Jahre alt, arbeitet »in der Messebranche, Events und so« und ist fast jede Woche Gast im Fab Lab. Gut anderthalb Stunden dauert es, bis der Glasuntersetzer fertig ist. Gibt es nicht schon genug Bierdeckel und Tischdeckchen? »Ja, klar«, sagt Robert. Nur sei dieser hier ganz individuell. »Außerdem testen wir hier neue Produktionsmöglichkeiten, autonom, sozusagen.« Astrid, 31, freie Industriedesignerin, und Sebastian, 26, nicht angestellter Informatiker - beide wirken superschlau, aber nicht gerade superreich - führen eine »Biomaus« vor, eine Computermaus, die, so weit möglich, aus recyclebarem Material gebaut ist. »Ich will mich als Designerin nicht nur ums Schönmachen kümmern, sondern nützliche Dinge herstellen«, sagt Astrid.
Es geht um die Emanzipation der Produktion
»The Future is Fab« lautet der Kerngedanke des Fab Labs. Sportlich übersetzt heißt das so viel wie: »Die Zukunft ist selbst gebaut.« Dutzende vergleichbare Werkstätten sind weltweit entstanden und haben sich der »Fab Lab Charter« angeschlossen. Die Idee stammt vom Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der Physiker Neil Gershenfeld hielt dort 1998 einen Kurs mit dem Titel »How to make (almost) anything« und gilt als Urvater der sogenannten freien Hardwarebewegung. Der 3D-Drucker, das sagenhafte Gerät, von dem inzwischen nicht nur die Zeitschriften Technolgy Review und Trendbüro schwärmen, sondern auch Barack Obama und Wirtschaftsmagazine wie der britische Economist, steht dabei im Mittelpunkt. Er soll eine neue »Heimindustrie« beflügeln. JedeR sei künftig seine eigene Fabrik!
Als »Marxmaschine« hat der Wissenschaftsjournalist Niels Boeing den 3D-Drucker einmal bezeichnet. Boeing, Jahrgang 1967, gehört zu den Gründern des Fab Labs auf St. Pauli - und ist in gewisser Weise auch ein Dicki Hoppenstedt. Nicht nur weil er ungefähr so alt ist wie das TV-Kind. Zufällig trägt er auch den Namen eines berühmten Flugzeugtyps und ist studierter Astrophysiker. Menschen mit seiner Qualifikation sind zum Beispiel in der Rüstungsindustrie schwer gefragt. Aber Boeing schreibt lieber Bücher und Artikel, hält Vorträge und begreift sich auch als eine Art Polit-Aktivist. »Es geht um die Emanzipation der Produktion«, sagt er - und skizziert die Vision einer selbst verwalteten Manufakturwirtschaft, einer lokal organisierten, auch ökologisch verträglicheren Ökonomie. »Wir sind für alle offen. Wissensvermittlung - für alle Bürger!« Allerdings sei es bislang ziemlich schwer, »die Kids« aus der Nachbarschaft für die Technikexperimente zu begeistern. »Computer finden die schon toll. Aber die Hemmschwelle mitzumachen, ist groß.«
Genau das ist der Vorwurf, der Fab-Labbern wie Boeing entgegenschlägt: Dass das ganze Bohei um die neuen 3D-Drucker wieder nur ein Elitending sei - letztlich nur ein neuer Aufruf zum Konsumismus. Ähnlich wie einst der Personal Computer, werden auch die 3D-Drucker, die derzeit noch mehrere Tausend Euro kosten, nach und nach erschwinglicher, je mehr die Käuferschicht wächst. Und dass sie wächst, steht außer Zweifel. Längst hat der Do-it-yourself-Gedanke, der ursprünglich mal eine widerständige Punkattitüde war, die verunsicherten Mittelschichten durchdrungen. Schon heute ist das Internet voll mit Bastlerinternetportalen wie Etsy oder Dawanda, wo handgemachte Strickmützchen, Filzkissen und andere in Heimarbeit erstellte Deko verkauft wird.
Der 3D-Drucker in St. Pauli ist nicht das allerneueste Modell. »Eine Firma hier in Hamburg wollte das Gerät wegschmeißen. Wir haben es abgeholt, bevor es im Sondermüll landete«, sagt Boeing. Andere Maschinen sind Spenden von privaten UnterstützerInnen, vieles ist selbst gebaut. Auch eine kleine Fräse mit dem hübschen Namen »Roland i-Modela« ist dem Lab gesponsert worden. Rund 800 Euro kostet das Gerät normalerweise. Kritisch betrachtet könnte man sagen: Die Fab Labber fungieren damit als unbezahlte Produkttester für den Hersteller. »Ja, die betrachten uns als Early Adopter, als Beta-Tester«, sagt Boeing - und grinst, auf irgendwie subversive Art.
Wir nennen es Arbeit für BMW und die Daimler AG
Fest steht, dass das Fab-Lab-Prinzip in Entwicklungs- und Schwellenländern erste Ansätze zur autonomen Produktion einfacher Gebrauchsgüter befördert hat. Ob es aber langfristig die Marktmacht der Konzerne unterwandern kann? Und ob es hierzulande eine Perspektive für prekarisierte Kreative bietet, vor allem: eine ökonomische? Hängen nicht die vereinzelten Erfolgsgeschichten des freien Kreativ-Unternehmertums alle immer am Tropf der großen alten Apparate? Aus der »Zentralen Intelligenz Agentur« (ZIA) in Berlin stammt die Nuller-Jahre-Bibel »Wir nennen es Arbeit«. Sascha Lobo und Holm Friebe haben mit dem 2006 erschienenen Buch den Begriff der »digitalen Bohème« geprägt. Das klang mutig, interessant und neu. Wenn man aber genau hinschaut, sieht man: Beratertätigkeiten bringen der ZIA die Kohle - sie leben davon, dass sie Marketingtricks an die dicken Brocken der alten Ökonomie verraten, etwa an die Daimler AG oder an BMW.
»Wir haben es mit einer Gleichzeitigkeit zu tun«, sagt Niels Boeing. Das alte »System« herrsche noch und diktiere seine Bedingungen nach unten, Lohndumping inklusive - aber gleichzeitig entstünden »unten« neue Bewegungen und Prozesse. »Zusammenarbeit: Was unsere Gesellschaft zusammenhält« heißt das jüngste Buch des kapitalismuskritischen US-Soziolgen Richard Sennett, das aktuell in der Fab-Lab-Szene kursiert. Und so mild und süß, wie die Frühlingsluft gerade durch die Straßen weht, sogar in Hamburg, klingt das, was Boeing sagt, tatsächlich nach einem Aufbruch - ein bisschen auch nach einer neuen Runde im ewigen Widerstreit von Kapital und Arbeit. Eine Revolution ist aus dem Fab Lab wohl eher nicht zu erwarten - als sympathisches kleines Optimismuslabor taugt es aber schon.
Piraten als Sprachrohr der Kleinunternehmerklasse
Wo würde Dicki Hoppenstedt sein Kreuzchen malen, am 22. September? »Mittlerweile haben wir ein Millionenheer von Enthusiasten, die nicht wissen, welcher gesellschaftlichen Gruppe sie angehören, und für die es keine politischen Programme gibt«, sagt der Chef der Londoner Tate Gallery of Modern Art, Chris Dercon, in einem oft zitierten Interview mit dem Kunstmagazin Monopol. Vom »Heer der freien Dienstleister« spricht er: »Diese Gruppe wächst an, und man hofft, dass sie selbst nicht erkennt, wie groß sie ist.«
Das Verdienst der Piratenpartei ist es, die diffusen Standortfragen der FreelancerInnen als erste in die Politik eingebracht zu haben - jedenfalls symbolisch. Vollkommen logisch, dass sie in Berlin, der großmäuligsten und gleichzeitig abgebranntesten aller »Creative Cities«, ihren großen Wahlerfolg erzielten. 2011 zogen sie mit 8,9 Prozent der Stimmen ins Hauptstadtparlament ein. Wenn die Piraten für eine Liberalisierung des Urheberrechts eintreten, tun sie dasselbe, was das Handelsbürgertum einst zu Beginn der Renaissance getan hat: Sie umreißen die Rahmenbedingungen, die sie zum Aufstieg ihrer Klasse, einer neuen Kleinunternehmerklasse, brauchen. Längst sind die Piraten allerdings in die hysterisch zerstrittene Bedeutungslosigkeit zurückgefallen. Dass man sie nicht ernst nehmen kann, merkten aufmerksame BeobachterInnen ja schon daran, dass die PiratInnen gern und laut gegen den »Überwachungsstaat« polemisieren - ihre Berliner Antrittsrede dann aber ausgerechnet von einem Applegerät ablasen.
Kreative haben wenig Geld, aber viel symbolisches Kapital
Mit einem »Kreativpakt« versucht jetzt die SPD, die Kinder der »alten Mitte« zu mobilisieren. Jene Kinder zählen heute zur »neuen Mitte«, die Gerhard Schröder im Bundeswahlkampf 1998 ausgerufen hatte. Gezielt sprach Schröder damals bei einer Rede in Leipzig diejenigen an, »die sich trauen, etwas zu erfinden, und die für ihre Träume die eigene wirtschaftliche Existenz einsetzen.« Eine Handvoll Jahre später drückte er die Agenda 2010 durch, die, wie wir heute wissen, die sogenannte Flexibilisierung des Arbeitsmarkts massiv erleichtert hat. Der »Kreativpakt«, mit dem SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nun in den Wahlkampf zieht, sieht unter anderem Mindesthonorare für freie Kreative vor, wenn sie von öffentlichen Einrichtungen wie Museen oder Theatern gebucht werden. Auch um eine bessere soziale Absicherung soll es gehen.
Ironischerweise ist es aber die schwarzgelbe Bundesregierung, allen voran Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die seit einer Weile zaghafte Überlegungen anstellt, wie die Folgen der Agenda 2010 abzudämpfen sind. Von der Leyen hat sich jüngst sogar - ganz im Sinne der freien Kreativen - für eine stärkere Beteiligung der Verwerterkonzerne an der Künstlersozialkasse ausgesprochen. Manchmal muss man fast sagen: Die CDU-Frau ist eine der begabtesten SozialdemokratInnen, die derzeit frei herumlaufen.
Und schließlich könnten etliche abgebrannte Kreative auch einen alten Werbeslogan der FDP locker unterschreiben: »Leistung muss sich wieder lohnen!« Ökonomisch gesehen sitzen sie längst mit FensterputzerInnen, Wachleuten, KurierfahrerInnen und Pflegekräften in einem Boot - und eben darin verbirgt sich auch das politische Potenzial, das in ihnen schlummert. Die Kreativen mögen wenig Geld haben. Aber sie verfügen über all das symbolische Kapital, über Eloquenz, Cleverness, Bloggereinfluss, um sich Gehör zu verschaffen. Wie aufregend, wie neu, wie zukunftsweisend es wäre, wenn sie sich nicht vor lauter Statusangst in ihren Co-Working-Spaces und Blogrolls verstecken würden, streberhaft immer nur unter sich, sondern sich solidarisieren würden mit den weniger gut ausgebildeten »Anderen«. Vielleicht muss es den Kreativen einfach noch ein bisschen schlechter gehen, bis sie es endlich verstehen: dass sie, auch im Stadtmarketing der Metropolen, nichts als eine Dekoration sind - nur die süßen bunten StatistInnen und Hilfsameisen für die ganz, ganz großen Geschäfte, die ungebrochen weiterlaufen, wie eh und je.
Dicki Hoppenstedt war im Kern ein guter, harmloser Junge. Er wollte nie ernsthaft ein Atomkraftwerk bauen. Er wollte ja nur spielen! Wenn man heute nach ihm sucht - im Internet, wo sonst? - erfährt man übrigens: Dicki Hoppenstedt war niemals Dicki Hoppenstedt! Jedenfalls war Dicki kein Junge - sondern ein Mädchen. Gespielt wurde das Kind damals von der Bremerin Katja Bogdanski. Mit einer Karriere in der Kreativwirtschaft hat es auch bei ihr nicht klappt. Statt als Schauspielerin Geld zu verdienen, arbeitet sie heute als Verkaufsleiterin für eine Kosmetikfirma.
Katja Kullmann arbeitet als freie Autorin und setzt sich mit Prekarität in ihrem Buch »Echtleben« auseinander. In ak 571 schrieb sie über die Piratenpartei.