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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 588 / 19.11.2013

Gnadenlose Ausbeutung von Bodenschätzen

International Atom- und Bergbaukonzerne bedrohen die Lebensgrundlage der Nomaden in der Mongolei

Von Eike Seidel

Mit Protestschreiben und Bildern von missgebildeten Tieren traten 319 mongolische Viehhalterfamilien aus der Südgobi aus dem Bezirk Ulaanbadrakh in der Provinz Ostgobi im Frühjahr 2013 an die Öffentlichkeit: Im Umkreis einer vom französischen Atomkonzern AREVA durchgeführten Probebohrung nach Uran waren Hunderte von Schafen und Ziegen tot oder mit Missbildungen zur Welt gekommen. Nach einem Giftunfall im Landkreis Khongor, bei dem vor einigen Jahren verseuchtes Wasser die Felder für Saatgut überflutete und Hunderte von Tieren verendeten und Menschen oft monatelang mit Vergiftungssymptomen zu kämpfen hatten, ist dies in wenigen Jahren der zweite Vorfall dieser Art. In Khongor war eine marode Chemiefabrik die Ursache, in der Chemikalien für den Goldbergbau an der Kharaa aufbereitet wurden.

In der Mongolei liegen etwa zehn Prozent der weltweit nachgewiesenen Uranvorräte. Eine Förderung von Uran findet derzeit nicht statt. Die letzte Uranförderung unter damals russischer Regie wurde 1995 im Nordosten nahe der russischen Grenze beendet. Wie die mongolische Anti-Atombewegung GOLOMT mitteilte, stammen die meisten in Kliniken behandelten Fälle von Leukämie bei Kindern aus dem Umkreis des damaligen Tagebaus, dessen Reste heute in einem großen See begraben sind. Im Abraum der damaligen Mine lässt sich noch heute eine erhöhte Radioaktivität feststellen.

Die Lagerstätte in der Südgobi liegt relativ tief und muss nach dem heutigen Stand der Fördertechnik im »in-Situ«-Verfahren erschlossen werden. Bei diesem Verfahren wird Schwefelsäure in die Uran enthaltende Schicht gepresst, das Uran gelöst und nach der Förderung zu »Yellow Cake« verbacken, dem Grundstoff für die weitere Gewinnung von Uran.

Aktuelle Messungen ergeben neunfache Strahlenbelastung

GOLOMT hat in der Gegend um diese Probebohrungen Messungen durchgeführt und eine neunfach erhöhte Strahlung festgestellt. Es wurden dort 1,8 Microsievert/Std. gemessen; 0,2 Microsievert/Std. gelten als unbedenklich.

Ob die Radioaktivität als solche oder andere hochgiftige Stoffe als Ursache für die Missbildungen und Fehlgeburten in Betracht kommen, ist nicht klar. Eine unabhängige Untersuchung unter Beteiligung der betroffenen Hirten wird weder von AREVA noch von der mongolischen Regierung vorgenommen.

AREVA behauptet, sie hätten sich bei der Probebohrung an alle Auflagen gehalten. Angeblich sei bei den Probebohrungen keine Schwefelsäure verwendet worden, sondern es sei lediglich mit Schlamm gearbeitet worden. Der Atomriese will, dass die Hirten mit ihren Tieren in andere Landkreise ausweichen. Etwa 40 Kilometer nördlich der Probebohrungen wurden dafür drei neue Trinkwasserbrunnen gebohrt. Hirten, die 2010 bei AREVA gearbeitet hatten, berichten dagegen, es seien damals 400 Tonnen Schwefelsäure in den Boden gepresst worden.

Unterstützt werden die Hirten bei ihrem Kampf unter andrem von den AtomkraftgegnerInnen der Mongolei von GOLOMT, die sich 2011 gebildet hat. Damals waren mittlerweile auf Eis gelegte Planungen für eine globale atomare Endlagerstätte in der Mongolei bekannt geworden. Seitdem hat die Anti-Atombewegung immer wieder auf die Gefahren der Atomenergie hingewiesen. So wurden zu den Jahrestagen von Tschernobyl und Fukushima jeweils Aktionen durchgeführt.

Die Hirten der Gobi haben in den letzten Jahren erhebliche Verluste hinnehmen müssen. Neben den klimatischen Gründen (im Winter 2009/2010 verendeten etwa 30 Prozent des gesamten Tierbestands der Mongolei) sind es auch Folgen des expandierenden Bergbaus in der Südgobi. Neben dem Uran sind es dort vor allem der weltweit größte Steinkohletagebau an den Fünf Hügeln (Tavan Tolgoi) sowie die unter den drei größten Minen weltweit rangierende Kupfer/Gold-Lagerstätte am Jadehügel (Oyun Tolgoi).

Außerdem ist eine Ost-West-Bahnlinie durch die Gobi geplant, die durch massive Zäune »geschützt« werden soll, so dass eine Querung der Trasse für die wilden Antilopen nicht mehr möglich sein wird. Auch die Weidewege der Hirten werden hierdurch massiv bedroht.

Die Wasserprobleme in der Gobi sind bekannt: Nicht nur der Grundwasserspiegel ist infolge des Wasserverbrauchs durch die Minen in den letzten Jahren gefallen, sondern es sind auch erhöhte Schadstoffe im Grundwasser nachgewiesen worden. Das Wasserproblem in der Gobi ist so groß, dass mittlerweile darüber nachgedacht wird, den Fluss Orchon zu 30 Prozent in einer Pipeline über 900 Kilometer in die Gobi umzuleiten. Dass durch diese Flussumleitung dann auch Hirten im Norden der Mongolei durch den Wasserdurst des Bergbaus direkt betroffen werden, zeigt die landesweite Dimension des Konflikts zwischen der Weidewirtschaft und den Interessen des globalisierten Bergbaus.

Von dieser Weidewirtschaft leben heute direkt etwa 150.000 Familien, d.h. etwa 750.000 Personen. Dies sind etwa 25 Prozent der Gesamtbevölkerung der Mongolei. Diese Weidewirtschaft ist bis heute in der mongolischen Verfassung geschützt. Der Viehreichtum wird als Reichtum des Landes bezeichnet und das Vieh steht unter dem Schutz des Staates. Insofern ist jeder Angriff auf die Lebensgrundlagen der Hirten auch ein Angriff auf die Verfassung.

Für Protestierende drohen bis zu 15 Jahre Knast

Im September 2013 spitzte sich in der Mongolei der Konflikt zwischen den Interessen des Bergbaus und denen der TierhalterInnen und UmweltschützerInnen weiter zu. Auf einer Kundgebung von Hirten auf dem zentralen Platz im Zentrum der Hauptstadt vor dem Parlament ertönten Schüsse, ohne Schaden anzurichten. Anlass für den Protest war die geplante Revidierung des »Gesetzes mit dem langen Namen« von 2009, das den Bergbau an Flussufern und in Waldgebieten verbot.

Für die Polizei waren die Schüsse Anlass, gegen den Vorsitzenden Munkhbayar und zehn weitere Mitglieder dieser Bewegung Strafverfahren einzuleiten. Es drohen Haftstrafen von bis zu 15 Jahren.

Der Ongi-Fluss entsteht im Landkreis Uyanga in der Provinz Övörkhangai aus dem Zusammenfluss von ehemals fünf Flüssen. Ein Fluss war 2010 komplett versiegt, nur ein Fluss aus dem touristisch bedeutsamen Naturschutzgebiet der Acht Seen (Naiman nuur) war unbelastet, die anderen drei verseucht. Der Ongi-Fluss ist einer der für die Gobi-Senken der Großen Seen wichtigen Flüsse, dessen Wasser damit als Trinkwasser für die Herden ausfiel.

Im Jahr 2010 erzählten uns die Bürgermeister des Kreises Uyanga bei einem Besuch dort, wie sie teilweise mit Waffengewalt die Goldsucher vertrieben hätten. Insgesamt sollen etwa 100.000 Mongolen als sogenannte Ninjas in der Goldsuche ihr Glück versuchen. Vielfach sind diese Goldsucher verarmte Hirten, für die diese Arbeit den einzigen Gelderwerb darstellt.

Immer mehr drängen die Bergbaugesellschaften die Mongolei dahin, die Bedingungen für die Ausbeutung der Rohstoffe weiter zu lockern. Angesichts der infolge der Finanzkrise gefallenen Rohstoffpreise steht die mongolische Regierung unter Druck, weil sie die Wahlversprechen nach Wohlstand aus dem Bergbau nicht einlösen kann. Im Gegenteil: Sie hat Probleme, aufgrund der sinkenden Erlöse ihre gleichbleibend hohen, zugesagten Investitionen zu finanzieren und kommt dadurch in akute Finanzprobleme.

Ende Oktober 2013 verkündete AREVA, dass ein Abkommen über die Eröffnung zweier Minen in der Ostgobi »unter Dach und Fach« sei. Der mongolische Staat soll mit 34 Prozent an den Minen beteiligt werden.

Die Fronten sind klar: Hier die internationalen Investoren mit den Teilen der mongolischen Bevölkerung und der Parlamentsmehrheit, die in der Ausbeutung der Bodenschätze ihren Vorteil sehen; auf der anderen Seite der Teil der Bevölkerung, der in dieser Entwicklung »abgehängt« wird und Gefahr läuft, ins Elend abzustürzen.

Eike Seidel schrieb in ak Nr. 547 zum Giftskandal im mongolischen Landkreis Khongor. Er betreibt mit seiner Frau Sabine die website www.munx-tenger.de.

Quellen u.a.:

golomt.org/2013/06/15/uranabbau-in-der-wuste-gobimongolei/

golomt.org/2013/03/02/engnew/

Uranaktien auf »BUY« hochgestuft

Nach der Katastrophe von Fukushima ist weltweit der Uranpreis von einem Rekordniveau von 73 US-Dollar je Pfund auf etwa 35 US-Dollar gefallen. Seit Anfang 2013 aber ist eine Trendwende zu beobachten. Der Uranpreis steigt wieder und es wird im Jahr 2015 ein Preis von 60 US-Dollar und mehr erwartet. Investitionen in Uran-Aktien werden von den Börsenprofis derzeit wieder empfohlen.