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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 589 / 17.12.2013

Grüne Revolution vs. Ernährungssouveränität

International In Burkina Fasos Landwirtschaft konkurrieren gegensätzliche Ansätze miteinander

Von Sarah Lempp

Unter der Präsidentschaft von Thomas Sankara (1983-1987) machte Burkina Faso als ein Land von sich reden, das auf Nahrungsmittelimporte weitgehend verzichten wollte. Sankara investierte in die kleinbäuerliche Landwirtschaft und machte das Land innerhalb von vier Jahren quasi unabhängig von Nahrungsmittelimporten.

Wie steht es heute um die Entwicklung der Landwirtschaft in Burkina Faso, 26 Jahre nach Sankaras Ermordung? Ist die Förderung kleinbäuerlicher Landwirtschaft nach wie vor der sinnvollste Ansatz in einem Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben? Oder bedarf es neuer Ansätze, wie sie etwa die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) fordert? Mit diesen Fragen landen wir - eine kleine Gruppe europäischer JournalistInnen - in Burkinas Hauptstadt Ouagadougou, um eine Woche lang von verschiedenen GesprächspartnerInnen Einblicke in dieses komplexe Thema vermittelt zu bekommen.

Gleich am zweiten Tag unseres Aufenthalts treffen wir den Larlé Naba, einen der Minister des traditionellen Oberhaupts der Mossi, Burkina Fasos größter Bevölkerungsgruppe. Der Larlé Naba - mit bürgerlichem Namen Victor Tiendrébéogo - ist eine schillernde Figur: Als Geschäftsmann und Abgeordneter im Parlament treibt er seit mehreren Jahren den Anbau von Jatropha voran, einer Pflanze, aus deren Samen Öl gewonnen werden kann - u.a. für Biodiesel.

In einem langen, weiß-blauen Gewand führt der Minister uns über sein Anwesen und berichtet davon, wie er durch Manager der Berliner Firma Deutsche Biodiesel (DBD) von Jatropha erfuhr. Die Zusammenarbeit mit DBD scheiterte letztlich daran, dass sich die Firma aufgrund der europäischen Finanzkrise aus dem Projekt zurückzog. Tiendrébéogo begann trotzdem, Jatropha anzubauen, und ist überzeugt davon, »dass wir hier in fünf Jahren Jatropha-Milliardäre sind«. Aufgrund ihrer Anspruchslosigkeit bezüglich Bodenqualität und Wassermenge sei die Pflanze bestens für die burkinischen Böden geeignet; zudem könne das Öl vor Ort verarbeitet und eingesetzt werden.

Landgrabbing durch lokale Eliten

In Ländern wie Ghana, Mosambik oder Tansania, in denen Jatropha bereits in deutlich größerem Maßstab angebaut wird, zeigt sich allerdings, dass der Jatrophaanbau weniger für den lokalen Markt, als vielmehr für den Export von Interesse ist. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass in Europa der Markt für Agrotreibstoffe - also Treibstoffe pflanzlichen Ursprungs - boomt, seitdem eine EU-Richtlinie vorschreibt, dass herkömmlichen Kraftstoffen mindestens sechs Prozent »Biodiesel« beigemischt werden soll.

Das ist höchst umstritten: KritikerInnen sehen die Gefahr, dass die Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais steigen könnten, wenn diese auch als Treibstoff Verwendung finden. Zudem könnte der lukrative Anbau von »Energiepflanzen« mit dem Anbau von Lebensmitteln in Flächenkonkurrenz treten.

Im Fall von Jatropha argumentieren die BefürworterInnen, dass die Pflanze aufgrund ihrer Genügsamkeit auf Flächen angebaut werden könne, die bisher sowieso nicht landwirtschaftlich genutzt wurden. Dennoch: Wenn LandwirtInnen mit Jatropha mehr verdienen können als mit Nahrungsmitteln, werden sie es auch auf guten Böden anbauen - was auch tatsächlich geschieht, wie Roman Herre von FIAN gegenüber der Wochenzeitung WOZ schildert: »Die derzeitige Expansion ist nicht auf karge Flächen fokussiert. Gerade in Afrika, aber auch in Indien oder Brasilien, wird Jatropha auf Flächen angebaut, die von Nomaden oder KleinbäuerInnen genutzt wurden, die nun verdrängt werden.« (1)

Ähnliche Vermutungen gibt es im Fall des Larlé Naba, der ca. 50 Kilometer von Ouagadougou entfernt auf einem 80 Hektar großen Feld Jatropha anbaut. Das Land sei zuvor gänzlich ungenutzt gewesen, versichert uns sein Mitarbeiter Alfred Sawadogo. Der burkinische Journalist Inoussa Maiga bezweifelt dies: Vielleicht sei die Fläche nicht intensiv landwirtschaftlich bearbeitet worden; KleinbäuerInnen und ViehhalterInnen aus der Region hätten sie jedoch durchaus genutzt. Aufgrund des hohen gesellschaftlichen Status des Ministers trauten sie sich aber nicht, ihn nun öffentlich anzuprangern.

Maiga ordnet den Jatropha-Anbau des Larlé Naba daher durchaus als eine Form des Landgrabbing ein. Anders als etwa im Nachbarland Mali geschieht der großflächige Landraub in Burkina Faso nämlich weniger durch transnationale Unternehmen oder andere Staaten, als vielmehr durch lokale Eliten. Dies liegt u.a. daran, dass die verfügbaren Flächen in Burkina Faso klein sind, dass der Boden zu trocken ist für den Anbau von Landgrabbing begünstigenden, typischen Exportpflanzen wie Ölpalmen oder Zuckerrohr und dass wenig Infrastruktur vorhanden ist.

Eine zweite »Grüne Revolution«?

Insofern ist die kleinbäuerliche Landwirtschaft in Burkina Faso weiterhin das vorherrschende Modell. Deren Förderung hat sich auch die Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika (AGRA) auf die Fahnen geschrieben - zumindest offiziell. Die AGRA wurde 2006 von der Bill & Melinda Gates Stiftung und der Rockefeller-Stiftung gegründet und ist mittlerweile in 14 afrikanischen Ländern aktiv. Seit ihrer Gründung flossen weit über 380 Millionen US-Dollar an Stiftungsgeldern in die Organisation dennoch ist sie bisher im medialen Mainstream relativ unbeachtet geblieben.

Die Rockefeller-Stiftung war schon an der Finanzierung der »Grünen Revolution« der 1960er Jahre beteiligt, in deren Zuge vor allem in Asien landwirtschaftliche Hochertragssorten verbreitet wurden. Diese »Grüne Revolution« ist heute sehr umstritten, da sie ökologisch und sozial verheerende Folgen hatte. Das scheint die AGRA jedoch nicht davon abgehalten zu haben, sich mit ihrem Namen auf dieses Großprojekt zu beziehen.

Mit der AGRA weitet die Gates-Stiftung, die bisher vor allem im Gesundheitssektor tätig war, ihre Aktivitäten auf die Landwirtschaft aus - und verfolgt auch dort in erster Linie technische top-down-Ansätze, hinter denen häufig die Interessen von Konzernen stehen. So gibt es z.B. enge personelle Verflechtungen zwischen der AGRA und den Saatgutkonzernen Monsanto und Syngenta. Zudem ist die AGRA Teil der 2012 gegründeten »Neuen Allianz für Ernährungssicherung« der G8, die u.a. die Eigentumsrechte an Saatgut stärken will, um Privatinvestitionen in die Saatgutproduktion zu fördern.

Entsprechend setzt die AGRA bei der Steigerung landwirtschaftlicher Erträge vor allem auf »verbessertes« Saatgut. In der Praxis bedeutet dies in der Regel Hybridsaatgut, das zwar mehr Ertrag bringt als konventionelles Saatgut, aus dessen Pflanzen die BäuerInnen aber kein neues Saatgut gewinnen können: Hybridpflanzen sind steril, so dass jedes Jahr neues Saatgut gekauft werden muss. Damit werden die BäuerInnen abhängig von Saatgutunternehmen, während sie bisher ihr eigenes Saatgut gewannen oder es auf lokalen Märkten tauschten.

Kritische BeobachterInnen wie Peter Clausing sehen deshalb in der AGRA in erster Linie einen Versuch, »den profitablen Teil der afrikanischen Kleinbauernschaft in die globale Marktwirtschaft einzubinden«. (2) Schließlich stellt Afrikas Landwirtschaft einen noch längst nicht ausgeschöpften Markt (nicht nur) für Saatgut und Dünger dar, der zudem ein großes Potenzial für Kapitalinvestitionen und Finanzspekulationen birgt. Die Weltbank bezeichnete den Kontinent deshalb in einem jüngst veröffentlichten Bericht ganz unverhohlen als »last frontier« (letzte Grenze) innerhalb des globalen landwirtschaftlichen Sektors. Gute Aussichten für das Agrobusiness also - und die AGRA ist ein wesentlicher Player beim Versuch, diese Grenze zu erobern.

Obama und Annan als prominente Fürsprecher

Eines der Unternehmen, die die AGRA in Burkina Faso fördert, ist das Saatgutunternehmen Nafaso, das zwischen 2008 und 2010 AGRA-Gelder in Höhe von gut 143.000 US-Dollar erhalten hat. Es hat seinen Sitz in Bobo-Dioulasso, der zweitgrößten Stadt Burkina Fasos. Dort empfängt uns Idrissa Sawadogo, der technische Direktor des Unternehmens, in seinem Büro. An der Wand hinter ihm hängt ein Foto, auf dem VertreterInnen von Nafaso zusammen mit US-Präsident Obama zu sehen sind. Aufgenommen wurde es 2013 im senegalesischen Dakar, wo Nafaso bei einem Landwirtschaftsforum als vielversprechendes Unternehmen ausgezeichnet wurde. Ein anderes Foto zeigt Nafaso-Vertreter zusammen mit dem früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, der mittlerweile den AGRA-Vorsitz inne hat. Auf einem Banner prangt der Spruch: »Wer die verbesserten Samen von Nafaso kauft, trägt zur Ernährungssicherheit und zur Grünen Revolution in Afrika bei.«

»Verbesserte« Samen - das bedeutet auch bei Nafaso in aller Regel Hybridsaatgut. Das 2008 gegründete Unternehmen verfügt mittlerweile über ein großes Netz an SamenproduzentInnen, die auf über 200 Hektar Mais-, Bohnen- und Reissamen für Nafaso herstellen. 2011 und 2012 lag die Produktion jeweils bei 2.000 Tonnen; Sawadogo spricht davon, dass mittlerweile ca. eine Million BäuerInnen in Burkina Faso mit Samen von Nafaso arbeiten. Während die Erträge z.B. bei konventionellem Mais ungefähr bei fünf Tonnen pro Hektar lägen, bringe der Hybridmais je nach Sorte einen Ertrag zwischen fünf und neun Tonnen pro Hektar. Dafür kostet das Hybridsaatgut jedoch dreimal so viel wie reguläres Saatgut; außerdem sind für den Anbau 25 Prozent mehr Dünger notwendig.

Kleinbäuerliche Organisationen wie ROPPA (Netzwerk der Kleinbauern- und Produzentenorganisationen Westafrikas) kritisieren den Fokus von AGRA auf teures (Hybrid-)Saatgut, das stark von Düngern und Pestiziden abhängig ist als sowohl ökonomisch als auch ökologisch gefährlich. 70 Organisationen aus zwölf afrikanischen Ländern unterzeichneten daher schon 2007 beim Weltsozialforum in Dakar eine Erklärung unter dem Titel »Afrikas Reichtum an Saatgutvielfalt und bäuerlichem Wissen - bedroht durch die Initiative Grüne Revolution der Gates- und Rockefeller-Stiftung«.

Schließlich sind die Herstellung und der Tausch von Saatgut wesentliche Bestandteile kleinbäuerlicher Landwirtschaft - nicht nur in Westafrika. Saatgut ist der Anfangspunkt der Nahrungsmittelkette. Deshalb kämpfen bäuerliche Bewegungen weltweit gegen die Privatisierung und Monopolisierung von Saatgut, das zusammen mit Wasser und Boden das wichtigste Produktionsmittel für Landwirtschaft und Gartenbau darstellt. (Siehe auch den Artikel von Andreas Riekeberg auf S. 9)

Es ist ein Kampf zwischen ungleichen GegnerInnen, denn die Saatgutkonzerne sitzen näher am Hebel der Macht. So sieht z.B. ein Strategiepapier für Mosambik der »Neuen Allianz« der G8 vor, die »Verteilung von frei verfügbarem und nicht verbessertem Saatgut systematisch zu beenden«; ähnliche Vorgaben gibt es für Äthiopien, Tansania und Burkina Faso. (3)

Wer ernährt die wachsende Weltbevölkerung?

Ein beliebtes Argument in dieser Diskussion ist, dass die Lebensmittelproduktion ausgeweitet werden müsse, um die weltweit fast 870 Millionen Hungernden zu sättigen und um die bis 2050 auf neun Milliarden anwachsende Weltbevölkerung zu ernähren - und das gehe nun einmal nur mit verbessertem Saatgut, mehr Dünger und höheren Investitionen. Dabei ist zum einen bereits sehr umstritten, ob das zentrale Problem die zu geringe Quantität oder nicht doch vielmehr die ungerechte Verteilung von Nahrung das Problem ist. Zum anderen führen gerade Maßnahmen wie die der »Neuen Allianz« dazu, dass Menschen der Zugang zu günstigem Saatgut erschwert - und damit ihre Ernährungssouveränität verhindert - wird.

Marine Lefebvre von der belgischen NGO SOS Faim kritisiert daher den Ansatz von AGRA und ähnlichen Organisationen. »Man muss den Leuten beibringen zu fischen, nicht ihnen Fisch geben«, sagt sie und meint damit, dass es stärker um eine Selbstermächtigung der BäuerInnen gehen müsste, um die Sicherung von Ernährungssouveränität und um die Förderung ökologischer Anbaumethoden.

Auch in unserer kleinen Journalistengruppe entbrennt darüber eine Diskussion: Muss es wirklich in erster Linie darum gehen, den Leuten ein Auskommen in der Landwirtschaft zu sichern? Ist es nicht auch sinnvoll, wenn weniger BäuerInnen mit effizienteren Methoden mehr anbauen und andere dafür in anderen Wirtschaftszweigen ihr Geld verdienen - oder zumindest die Möglichkeit dazu haben? Schließlich sind wir doch auch froh, nicht mehr jeden Tag aufs Feld zu müssen, um genug zu essen zu haben.

Sicherlich birgt die Debatte um Ernährungssouveränität und familienbasierte, subsistenzorientierte Landwirtschaft die Gefahr einer Romantisierung dieser Lebensweise. Dennoch: Solange 80 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft leben - wie es heute in Burkina Faso der Fall ist -, muss es erst einmal darum gehen, die Bedingungen in diesem Bereich so zu gestalten, dass die BäuerInnen dort genug für sich und ihre Familien erwirtschaften können. Der Zugang zu freiem, nicht-hybridem Saatgut sowie die Förderung ökologischer Anbaumethoden und familiärer Landwirtschaft sind diesbezüglich deutlich vielversprechendere Ansätze als der Fokus auf eine exportorientierte, auf chemischem Dünger basierende Landwirtschaft.

Anmerkungen:

1) »Die entzauberte Nuss«, WOZ vom 21.2.2008.

2) »Bill Gates in Afrika«, www.welt-ernaehrung.de.

3) »Langfristig mehr Hunger«, taz vom 16.10.2012.