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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 590 / 21.1.2014

Hinter den schwulen Lachern

Kultur Ein neues Buch untersucht die Darstellung von Homosexualität bei den »Simpsons«

Von Hanna Bermann und Felix Endruweit

Die animierte Sitcom »Die Simpsons« bildet mit ihren 25 Staffeln und dem Kinofilm einen kaum zu überblickenden Schatz, der in alle Richtungen anschlussfähig scheint und zu jeder Situation das passende Zitat liefert. Entsprechend sind es nicht nur Konversationen am Küchentisch, sondern auch akademische Diskurse, die sich dieses Fundus annehmen. In diversen Publikationen wurden die Simpsons aus (fast) allen erdenklichen Perspektiven durchleuchtet. Zu den medien- und kulturwissenschaftlichen Publikationen rund um die gelbste Familie der Welt gehört Erwin in het Panhuis' neues Buch »Hinter den schwulen Lachern - Homosexualität bei den Simpsons«.

Der Autor hat sich die Arbeit gemacht, die ersten 500 Folgen der Serie (etwa 190 Stunden Material) durch eine queere Brille zu sehen. Er nimmt den Gebrauch von Stereotypen in den Blick und versucht zu klären, ob diese verstärkt oder untergraben werden und ob es darüber hinaus emanzipatorische Aspekte in der Serie gibt. Seine Auswertung bezieht nicht nur Folgen und Szenen mit ein, in denen Homosexualität explizit besprochen wird und Hauptthema der Handlung ist, sondern widmet sich auch unauffälligen Details.

Ein Kapitel untersucht einzelne Figuren und zeigt, wie ihre sexuelle Identität bzw. ihre Meinung zu verschiedenen Formen von Begehren und Sexualität dargestellt wird. Dabei berücksichtigt Panhuis durchaus die narrative Form von Fernsehserien, in der sich Kontinuitäten und wöchentlicher Reset zu einer eigenständigen Form verbinden und Widersprüche in den Figuren nicht als problematisch wahrgenommen werden. Analysiert wird z.B. der unauffällig bis spießig wirkende Waylon Smithers, der schon früh als homosexuelle Figur konzipiert war. Das äußerte sich zunächst nur in subtilen Anspielungen und sorgte für Spekulationen in der Fangemeinde; in späteren Staffeln wird Smithers aber als selbstbewusster Teil von Springfields Gay Community gezeigt.

Neben der inhaltlichen Breite überzeugt auch die Gestaltung des Buches: Gelbe Marginalien und die charakteristische Simpsonsschrift werden wie eine Hommage eingesetzt; kaum eine Seite kommt ohne ein farbiges Still aus. Besonders letzteres unterstützt ein entspanntes und sprunghaftes Lesen. Fans werden beim Blättern auf Szenen treffen wie auf alte Bekannte.

Dekonstruktion homophober Stereotype

Bei aller Zuneigung und Begeisterung für die Serie, die auch aus der Aufmachung des Buches spricht, entgeht Panhuis nicht, dass z.B. Lesben chronisch unterrepräsentiert sind und dass Sexualität zwischen Frauen oft für einen männlichen Blick inszeniert scheint. Ein Indikator für eine positive Entwicklung ist das Coming-out von Patty Bouvier (Marge Simpsons Schwester) in Staffel 16 - eines der wenigen Ereignisse, die nicht durch die retroaktive Kontinuität des wöchentlichen Neustarts ausgelöscht werden.

Eine tiefergehende Einbettung in den Kontext einer queeren Fernsehgeschichte lässt das Buch leider vermissen. Panhuis geht zwar auf relevante politische Hintergründe in den USA ein und ergänzt die Darstellung um ein Kapitel, in dem er sich anderen animierten Sitcoms zuwendet. Der Zusammenhang mit parallelen Entwicklungen in nicht animierten Fernsehserien wie »Rosanne«, »Friends« oder »Ellen« kommt dagegen kaum vor. (1)

Im Laufe der 1990er Jahre wurde Homosexualität auch in Serien präsenter, die für ein breites Publikum produziert wurden. Doch wie repräsentieren nun die »Simpsons« Homosexualität? Erwin in het Panhuis' Fazit fällt letztendlich positiv aus: Die Serie dekonstruiere homophobe Einstellungen und ergänze stereotype Darstellungen von Schwulen und Lesben durch differenziertere, individuelle Figuren.

Als ein kulturelles Artefakt, das mit Doppeldeutigkeiten spielt und mit verschiedenen Schichten von Codes, Anspielungen und Witzen unterschiedliche Zielgruppen anspricht, sind die »Simpsons« deutungsoffen. »Hinter den schwulen Lachern« liefert, neben berechtigter Kritik an der Serie, wichtige Argumente für eine emanzipatorische Lesart und ist eine willkommene Ergänzung der bereits vorhandenen Literatur.

Hannah Bermann interessiert sich für Queerness in verschiedensten Kulturerzeugnissen, Felix Endruweit ist Medienwissenschaftler. Beide leben in Leipzig und träumen davon, mit Lisa auf die Springfield Gay Pride Parade zu gehen (formerly Springfield Heritage Day).

Erwin in het Panhuis: Hinter den schwulen Lachern. Homosexualität bei den Simpsons. Archiv der Jugendkulturen Verlag, Berlin 2013. 205 Seiten, 28 EUR.

Anmerkung:

1) Sehr gut nachzulesen ist dies im Kapitel »Gay Identity, Queer Culture, and The Simpsons« in Matthew A. Henrys Buch »The Simpsons, Satire and American Culture« (New York 2012).