Titelseite ak
Linksnet.de
ak bei Diaspora *
ak bei facebook
Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 591 / 18.2.2014

Grabenkämpfe in Wien

Aktion Die Proteste gegen den Akademikerball 2014 schlagen hohe Wellen

Von der Interventionistischen Linken Wien

Der Burschenschafterball in der Wiener Hofburg sorgte auch dieses Jahr wieder für breiten Protest. Trotz oder auch wegen der Verbote im Vorfeld sind am 24. Januar 2014 rund 8.000 AntifaschistInnen in Wien auf die Straße gegangen. Sie haben dafür gesorgt, dass so wenig BesucherInnen wie nie zuvor zum Ball erschienen sind.

Der im Jahr 2013 zum Akademikerball umbenannte Ball des Wiener Korporationsringes (WKR) fand erneut in den repräsentativsten Gemäuern Österreichs statt. Vor zwei Jahren war dem Wiener Korporationsring die Austragung des Balls in der Hofburg noch untersagt worden. Seitdem springt die FPÖ als Veranstalter ein. (Siehe ak 579)

Unter Berufung auf deren »demokratische« Legitimität schieben sich nun der private Pächter und der Bund die Verantwortung für die Vermietung hin und her. Lapidar antwortete etwa die Betreibergesellschaft mit dem Verweis auf ihre »politische Neutralität« auf einen offenen Brief von prominenten Holocaustüberlebenden, in dem sie gefordert hatten, den deutschnationalen Burschenschaften, HolocaustleugnerInnen und ihren FPÖ-UnterstützerInnen die ehemalige Kaiserresidenz nicht zur Verfügung zu stellen.

Vonseiten der Polizei wurde von Anfang an auf eine repressive Strategie gesetzt. Die Kundgebung des bürgerlichen Bündnisses »Jetzt Zeichen setzen!«, in dem die InitiatorInnen des offenen Briefs und die Israelitische Kultusgemeinde aktiv sind, wurde vor der Hofburg untersagt. Ein drei Tage vor der Demonstration ausgesprochenes Vermummungs- und Schalverbot in den inneren Bezirken Wiens (1.-9.) führte diese Eskalationsstrategie fort. Doch damit nicht genug. Rund um die Hofburg wurde eine Fläche größer als beim Besuch des US-Präsidenten Georg W. Bush im Jahr 2006 in Wien zum Sperrgebiet erklärt.

Breite antifaschistische Proteste in Wien

Wie auch im letzten Jahr mobilisierten die zwei Bündnisse Offensive gegen Rechts (OGR) und NOWKR zu Protesten gegen den Akademikerball. Zwei Demonstrationszüge führten durch die Innenstadt zum Stephansplatz. Beim Abschluss der NOWKR-Demonstration kam es zu einer kurzzeitigen Eskalation. In der Folge gingen Fensterscheiben und Polizeiautos zu Bruch.

Wenn in der Rückschau der Fokus auf ein paar zerbrochene Scheiben verengt wird, erfasst dies nicht annähernd die Vielfältigkeit des antifaschistischen Protestes an diesem Tag. Wir haben am 24. Januar erlebt, wie AktivistInnen bewaffnet mit Klobürsten, Schildern und vielem mehr Zufahrtsstraßen sitzend, stehend, tanzend oder mit Gegenständen blockierten. Damit wurde deutlich gemacht, dass wir ein solches Vernetzungstreffen der extremen Rechten Europas in unserer Stadt niemals hinnehmen werden. Tausende leisteten bewusst und kollektiv Regelüberschreitungen und zivilen Ungehorsam. Trotz dieses Protestes konnte der Ball jedoch noch nicht verhindert werden.

Auf der anderen Seite erlebten wir einen Polizeiapparat, der ständig zwischen totaler Überforderung und massiver Gewalt rotierte. Jugendliche, die durch massiven Pfefferspray- und Schlagstockeinsatz verletzt wurden, stundenlange Kessel und die Umstellung und Durchsuchung der Akademie der Bildenden Künste an ihrem »Tag der offenen Tür« sind nur einige Beispiele für einen völlig skandalösen Polizeieinsatz.

Wie schon in den Tagen zuvor waren der Akademikerball und die Gegenproteste das zentrale Medienereignis in Österreich. Während die internationale Presse den Ball skandalisierte, dreht sich die Debatte in Österreich vor allem um ein paar eingeschlagene Fensterscheiben. Ganz in österreichischer Tradition wähnt sich die aufgebrachte Öffentlichkeit als Opfer deutscher »Anarchisten«, die einen »Gewaltexzess wie in Hamburg« ins beschauliche Wien exportiert hätten.

Die Sachschäden in der Innenstadt wurden zum Vorwand genommen, um jeglichen antifaschistischen Widerstand zu delegitimieren, der die Ebene des symbolischen Protests überschreitet. Vereinzelt wurde sogar ein generelles Demonstrationsverbot für die Wiener Innenstadt gefordert. Die Präsidentin der Wirtschaftskammer, Brigitte Jank, etwa will Demonstrationen, »von denen Gewalt ausgeht, überhaupt aus der Stadt verbannt wissen«. Auch der verantwortliche Einsatzleiter, Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl, rüstete in den Tagen danach verbal weiter auf: Die Polizei sei zu defensiv und Waffengewalt zur Verhinderung der Sachschäden angebracht gewesen.

Im Nachklang des Balles hat die rot-grüne Koalition im Wiener Gemeinderat Stellung gegen den Akademikerball bezogen. Gemeinsam wurde eine Resolution verabschiedet, nach der die Veranstaltung in Zukunft nicht mehr in der Hofburg abgehalten werden soll. Auch Bundespräsident Heinz Fischer sprach sich gegen den Ball an diesem Ort aus.

Die Freiheitlichen sehen sich hingegen erneut als Opfer. Bereits vor zwei Jahren hatte sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit der Aussage »Wir sind die neuen Juden« mit Opfern des Nationalsozialismus gleichgesetzt. In diesem Jahr setzte der Wiener FPÖ-Gemeinderat Wolfgang Jung mit einem weiteren Judenvergleich nach: »Ersetzen Sie das Wort Jude durch Nazi, dann haben Sie genau die Parolen, die ihre Anhänger gebrüllt haben.«

... unser Lachen kriegt ihr nicht!

Ein Resümee aus aktivistischer Perspektive muss angesichts der Ereignisse und Debatten rund um den 24. Januar vielschichtig ausfallen. Auf der einen Seite stehen ein erneuter Mobilisierungserfolg, ein entschlossener Protest und ein unmissverständliches Zeichen der antifaschistischen Bewegung gegen den WKR und seine FPÖ-UnterstützerInnen. Auf der anderen Seite hat sich erneut gezeigt, wie diskursmächtig das rechte Österreich ist.

Die Gewaltdebatte und der repressive Polizeieinsatz machen deutlich, dass Proteste immer mit Gegenwind seitens der Staatsmacht zu rechnen haben. Was das für zukünftige Proteste heißt, ist momentan noch nicht absehbar. Herauszustellen ist jedoch, dass die Bündnisse trotz ihrer zum Teil nicht unerheblichen Differenzen sich nicht spalten ließen.

Dies ist nicht nur geboten, weil mit dem Aktivisten Josef aus Jena aktuell ein Antifaschist in Untersuchungshaft sitzt und mit weiterer Kriminalisierung von AntifaschistInnen zu rechnen ist. Vielmehr ist es die Voraussetzung, um über ein Event hinaus gesellschaftlich breite Bündnisse zu bilden. Nur so kann eine qualitative Weiterentwicklung der Proteste erreicht werden, die massenhafte und kollektive Selbstermächtigungsprozesse möglich machen. Wie gut das gelingt, wird sich spätestens im Mai zeigen, wenn der WKR ein sogenanntes Fest der Freiheit in der Wiener Innenstadt veranstalten will.

Die Interventionistische Linke Wien hat sich 2013 gegründet und war an den Protesten gegen den Akademikerball mit einem Block auf der NOWKR-Demo und an Blockaden beteiligt.

Spenden für Josef: Rote Hilfe Ortsgruppe Jena, Stichwort Wien, IBAN DE77 430609674007 238309, BIC GENODEM1GLS. Soli-Blog: soli2401.blogsport.eu