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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 593 / 15.4.2014

Aufgeblättert

Lothar König

»Nächstenliebe verlangt Klarheit - Naziaufmärsche blockieren, überall.« Dass sich Teile der evangelischen Kirche inzwischen so klar positionieren, hat viel mit Lothar König zu tun - dem Pfarrer, den die sächsischen Behörden wegen seines antifaschistischen Engagements gegen den Naziaufmarsch in Dresden am 13. Februar 2011 zu kriminalisieren versuchten. Der nun vorliegende Band versammelt Beiträge zum Gerichtsverfahren und den zur Debatte stehenden Ereignissen, Protokolle, Solidaritätsbekundungen sowie Videobeiträge der Jungen Gemeinde Jena und entlastendes Beweismaterial auf einer beiliegenden DVD. Den HerausgeberInnen ist es wichtig, den ausgesetzten Prozess zu dokumentieren und zu kommentieren, um nicht der Staatsanwaltschaft das letzte Wort zu lassen, die weiter auf einer Schuld Königs beharrt. Mit der Veröffentlichung werden die Ereignisse und Debatten um den 13. Februar und den Prozess nachvollziehbar. Es wird deutlich, wie breit die Unterstützung für König war und ist, und es kommen verschiedene AkteurInnen zu Wort, die aus juristischen, politischen und theologischen Perspektiven argumentieren. Leider fehlt eine explizite Auseinandersetzung mit der Extremismustheorie, dem ideologischen Überbau der »sächsischen Demokratie«. Anhand des Einzelfalls wird exemplarisch auf Missstände hingewiesen. So betont auch Lothar König immer wieder, was die Soligruppe auf ihre Transparente geschrieben hat: »Betroffen sind wenige - gemeint sind wir alle.«

Felix Endruweit

Johannes Eisenberg, Lea Voigt, Manuel Vogel (Hg.): Antifaschismus als Feindbild. Der Prozess gegen den Pfarrer Lothar König. Laika Verlag, Hamburg 2014. 304 Seiten + DVD, 21 EUR.

Akkumulation

Immer noch weit verbreitet ist die Ansicht, dass jene Prozesse, die Marx im 24. Kapitel des »Kapital« als »sogenannte ursprüngliche Akkumulation« beschrieben hat, ausschließlich zum historischen »Anleiern« des kapitalistischen Motors benötigt wurden. Neuere Forschungen zeigen dagegen die Aktualität dieses Phänomens. Die Einhegungs- und Enteignungsprozesse sind auch nicht nur jenen peripheren Weltgegenden zuzuordnen, die vermeintlich noch nicht unter Kontrolle kapitalistischer Akkumulationslogik stehen. Sie finden sich vielmehr weiterhin in unterschiedlichsten Weltgegenden und in allen ökonomischen Sektoren. In dem Buch »Die globale Einhegung« stehen - neben grundlegenden theoretischen Zugängen - vor allem gesellschaftliche Naturverhältnisse im Zentrum. Der Band ist aber nicht nur ein Beitrag zu einer kritischen Theorie kapitalistischer Einhegung, sondern auch eine Hommage an Thomas Hurtienne, der 2013 verstarb. Er war ein wichtiger Analytiker internationaler (Ausbeutungs-)Beziehungen, vor allem in Lateinamerika, und leistete unter anderem eine fundierte Kritik der Dependenztheorie. Dennoch führen die Aufsätze dieses Teils zu sehr vom Thema weg, so dass der Eindruck etwas willkürlicher Zusammenstellung der Beiträge entsteht. Dies schmälert aber die Bedeutung des Buches nicht, das einen wichtigen Beitrag zur Verschiebung kritischer Kapitalismusanalyse weg vom »idealen Durchschnitt« und hin zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen darstellt.

Martin Birkner

Stefan Kalmring und Andreas Nowak (Hg.):Die globale Einhegung. Krise, ursprüngliche Akkumulation und Landnahmen im Kapitalismus. Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 2013. 340 Seiten, 29,90 EUR.

Demobeobachtung

Am 17. Mai 2014 findet die erste Welle der diesjährigen Blockupy-Proteste statt. Aktionen sind geplant in Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. In der zweiten Jahreshälfte soll dann zur Eröffnung des neuen Gebäudes der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main demonstriert werden. Bei der Blockupy-Demonstration im Juni letzten Jahres waren etwa 1.000 Personen eingekesselt worden, juristische Auseinandersetzung dazu laufen an. Das Komitee für Grundrechte und Demokratie hatte das Geschehen beobachtet. Daraus ist jetzt ein hoch brisanter Bericht entstanden. Detailliert wird darin das Geschehen der gesamten Aktionstage nachgezeichnet. Die DemobeobachterInnen waren von den Maßnahmen der Polizei »überrascht und entsetzt«. In dem Bericht heißt es: »Der Frankfurter Kessel (...) hat die demokratisch zentralen Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit in einem Ausmaß außer Kraft gesetzt, wie es in den letzten Jahrzehnten nicht beobachtet werden konnte.« Demonstrierende vor, hinter und auch in dem Polizeikessel seien von Beamten »körperlich schwer verletzt« worden. Es habe »eine Recht brechende und Selbstjustiz schaffende Exekutive« gegeben. Weitere Abschnitte der lesenswerten Dokumentation befassen sich mit Themen wie Polizeistrategien (»Die Lust am Kesseln«), Pfefferspray (»die tödliche Waffe, die in Versammlungen nichts zu suchen hat«) sowie mit Aspekten des Versammlungsrechts und dessen Einschränkungen.

Florian Osuch

Komitee für Grundrechte und Demokratie (Hg.): Blockupy 2013. Der Frankfurter Polizeikessel am 1. Juni 2013. Bericht zur Demonstrationsbeobachtung. Köln 2014, 132 Seiten, 7 EUR.

Reproduktion

In der Schweiz, so hat es die feministische Ökonomin Mascha Madörin errechnet, macht die Bruttowertschöpfung durch unbezahlte Arbeit über 60 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus. Was bedeutet dies für linke Theorie und Praxis, die sich in der kulturellen Linken vorrangig auf Anerkennung und in der sozialen Linken auf Umverteilung orientiert? Das trouble every day collective will mit seinem Büchlein die Reproduktionssphäre neu bewerten und vor allem politisieren. Die aus dem AK Feminismus der Naturfreundejugend Berlin hervorgegangene Gruppe versteht sich als materialistisch, queer-feministisch und herrschaftskritisch. Nach einer Einführung, die die aktuelle (Mehrfach-)Krise so versteht, dass jene nicht die Ursache für allerlei ist, sondern die Verhältnisse vor allem verschärft hat, wird die Herausbildung der vergeschlechtlichten Arbeitsteilung samt ihrer Zuweisung von »öffentlicher« und »privater Sphäre« referiert. Nach einem Kapitel über marxistische Krisentheorien soll es dann im letzten Viertel um konkrete Alternativen und Utopien gehen. Hier werden die Commons, das bedingungslose Grundeinkommen, Pflegestreiks und Frigga Haugs Vier-in-einem Perspektive vorgestellt. Diese Alternativen bleiben schlussendlich aber auch sehr abstrakt. Was sie mit einem dissidenten Leben zu tun haben (könnten), bleibt offen. Die einzelnen Abschnitte des Buches sind gut und richtig, Ziel und Zielgruppe bleiben aber doch etwas diffus.

Bernd Hüttner

trouble every day collective: Die Krise der sozialen Reproduktion. Kritik, Perspektiven und Utopien. Unrast Verlag, Münster 2014. 78 Seiten, 7,80 EUR.