Auch im Sommer: Nazis blockieren!
Aktion Der norddeutsche »Tag der deutschen Zukunft« zieht nach Dresden
Von Maike Zimmermann
»Wir sind die letzte Stimme der Deutschen in unserem Lande gegen eine politische Clique, die sich vollkommen abgewandt hat von den Belangen des eigenen Volkes«, spricht Neonazi Thomas Wulff ins Mikrofon und fährt fort: »Sie sind die Vertreter des globalen Multikultiwahnsinns, sie sind die kapitalistischen Raubtiere, die über unser Volk hergefallen sind.« Es ist Juni 2013, und in Wolfsburg - der KdF-Stadt, wie Wulff es nennt - haben sich rund 500 Neonazis zum »Tag der deutschen Zukunft« versammelt. Es sind überwiegend junge Menschen im Stil der sogenannten Autonomen Nationalisten.
Organisator Wulff erklärt den Anwesenden, worum es geht: »Wir stehen für eine Zukunft unseres Volkes als Deutsche.« Denn, so der langjährige Neonazikader, Multikulti sei nicht nur »Völkermord am deutschen Volk«, sondern der »Multikultimassenmischmasch« rufe auch mittelmäßiges Niveau bei den Deutschen hervor, denen die Leistungsfähigkeit doch eigentlich seit Generationen »im Blute« stecke. Die Deutschen sind also eigentlich in Wirklichkeit schlau, aber die »One-World-Fanatiker« wollen sie ausrotten - ja, nee, is klar. Was man am liebsten als gequirlte Scheiße abtun möchte, scheint leider zu funktionieren. Der »Tag der deutschen Zukunft« (TddZ) ist momentan einer der erfolgreichsten Neonaziaufmärsche in der Bundesrepublik.
Nach Pinneberg, Hildesheim, Braunschweig, Hamburg und Wolfsburg bricht dieses norddeutsche Neonazi-Event nun in andere Gefilde auf. Nächste Station soll am 7. Juni Dresden sein. Es sind vor allem zwei Dinge, die den Aufmarsch für Neonazis so attraktiv machen. Zum einen sein eindeutiger Bezug auf völkischen Rassismus, angelehnt an die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie. Zum anderen sein Versprechen auf Action. Die Hochzeit der neo-nationalsozialistischen »Trauermärsche« à la Wunsiedel oder Dresden scheint mittlerweile endgültig vorbei. Und das nicht nur aufgrund anhaltender antifaschistischer Proteste, sondern eben auch, weil Trauer, Besinnlichkeit und schweigende Disziplin mit hängenden Köpfen einfach nicht so viel Spaß machen wie laute Parolen, rhythmisches Klatschen und Drohgebärden. Das war unter anderem letztes Jahr in Wolfsburg eindeutig erkennbar. Und der Neonazi marschiert einfach gern - auch ohne Publikum, wenn es sein muss, um des Marschierens willen. Denn der »Kampf um die Straße« ist ein ganz wesentliches Ideologie-Element des Neonazismus. Das weiß auch Wulff: »Und so ist es unsere Aufgabe, für die deutsche Zukunft auf die Straße zu gehen - ob mit 200 oder mit 2.000 Teilnehmern.«
In den letzten Jahren schwankte diese Zahl um die 500. Von dem Sprung nach Sachsen erhoffen sich die Neonazis nun einen Anstieg. Das ist laut Timo von der antifaschistischen Gruppe Raddix aus Dresden leider gar nicht so unwahrscheinlich, gerade wegen der eindeutig rassistischen Ausrichtung des TddZ: »Mit ihrem Motto Unser Signal gegen Überfremdung können sie im NPD-Kernland Sachsen in einem rechtskonservativen Mainstream in der Tat auf mehr Resonanz hoffen.« Von rassistischen Mobilisierungen wie in Schneeberg versprechen sie sich Anknüpfungspunkte. »Und sie können hier auf gefestigte Neonazistrukturen setzen«, sagt Timo. Ausrichter des Aufmarsches in Dresden ist der Personenkreis um Maik Müller, den Anmelder des »Trauermarsches« am 13. Februar.
Auch wenn die NPD im Sächsischen Landtag sitzt, ist es nicht die krisengeschüttelte Partei, auf die die Organisatoren um Thomas Wulff, Dieter Riefling und Christian Worch setzen, sondern das Freie Kameradschaftsspektrum. Da passt es ganz gut, dass Wulff wegen seines Bekenntnisses, Nationalsozialist zu sein, gerade aus der NPD geflogen ist und Worch, Chef der Partei Die Rechte, die Nationaldemokraten schon seit Jahrzehnten nicht leiden kann. (Siehe ak 593) Und so wird der TddZ auch zum Schauplatz szeneinternen Platzhirschgerangels, auch wenn (oder gerade weil) er laut Eigenbekundung partei- und spektrenübergreifend sein soll.
Dresden und Aufmärsche - das hat ja in den letzten Jahren für die Neonazis dank antifaschistischer Proteste nicht so gut geklappt. Also alles paletti für den 7. Juni? »Naja, man muss schon sagen, dass es eine intensive Zusammenarbeit aller Akteure bislang nur zum 13. Februar gab«, sagt Timo und betont aber gleichzeitig, dass sich die lokale antifaschistische Linke auch mit anderen Themen und Ereignissen auseinandersetzt. »Gerade zum Thema NSU, zu Alltagsrassismus und rassistischen Übergriffen gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Aktionen.« Aktuell läuft in der Stadt die Veranstaltungsreihe gegenstand | rassismus, für die sich verschiedene Gruppen und Organisationen wie Gewerkschaften, Studierendenverbände oder auch die Gruppe Raddix zusammengetan haben.
Mindestens so viele Gruppierungen wollen auch gegen den »Tag der deutschen Zukunft« vorgehen. Ein Forum gegen Rechts ruft zu Gegenaktivitäten auf. »Natürlich fließen dort auch die Erfahrungen um die Februaraufmärsche mit ein«, erklärt Timo. Ziel sei die Unterbindung des Neonaziaufmarsches mit Mitteln des zivilen Ungehorsams - also auch durch Blockaden. »Angesichts der unklaren Lage setzen wir am 6. Juni allerdings auf eine Vielzahl einander ergänzender Aktionsformen und auf die Solidarität unter allen, die das Ziel teilen, den Naziaufmarsch zu verhindern.«
Nicht nur in Dresden wird man aktiv gegen den Aufmarsch. Vor allem im norddeutschen Raum gebe es großes Interesse an der antifaschistischen Mobilisierung, erzählt Timo. Das dürfte weniger damit zusammenhängen, dass es norddeutsche Neonazis sind, die in der sächsischen Landeshauptstadt marschieren wollen, sondern vielmehr damit, dass das Wissen um das Potenzial des TddZ hier ausgeprägter ist als anderswo. Zwar wird der »Tag der deutschen Zukunft« kaum die Bedeutung erlangen wie die früheren »Trauermärsche«. Weder wird er auf mehrere Tausend TeilnehmerInnen anwachsen, noch bietet er eine vergleichbar hohe Anschlussfähigkeit und Identifikation. Doch das Thema »Überfremdung« ist nicht nur ein neonazistisches Standardthema mit Anknüpfungspunkten an rassistische Stimmungen in der Bevölkerung. Der Aufmarsch ist auch eine Ansammlung des aggressivsten Teils der extremen Rechten.
Diese werben übrigens in diesem Jahr auf Plakaten und T-Shirts mit dem Slogan »Wie geil«. Hintergrund ist eine Auflage aus dem vergangenen Jahr in Wolfsburg: Untersagt wurde das Skandieren der Parole, da sie - massenhaft gerufen - dem unter Paragraf 86a fallenden »Sieg Heil« ähnele. Da haben die niedersächsischen Behörden die Neonazis ja auf eine tolle Idee gebracht.
Keine Zukunft für Nazis!
Bundesweit rufen antifaschistische Gruppen aus, den neonazistischen »Tag der deutschen Zukunft« in Dresden zu verhindern.
-> www.no-tddz.org
In Dresden hat sich ein breites Bündnis gebildet, das unter dem Motto »Diversity welcome - Keine Zukunft für Nationalismus!« gegen den Aufmarsch mobilisiert.
-> www.facebook.com/notddzdd/info
Bis zum 21. Juni 2014 findet in Dresden eine »Veranstaltungsreihe wider den rassistischen Zuständen«statt: gegenstand | rassismus.
-> www.gegenstandrassismus.org