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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 595 / 17.6.2014

Aufgeblättert

Theater macht Frieden

Dialogisch, partizipativ, politisch! So versteht sich das Theater der Unterdrückten (TdU), das von Augusto Boal als Antwort auf die Repression während der brasilianischen Militärdiktatur (1969-85) entwickelt wurde. Als Teil des politischen Widerstands und der sozialen Basisbewegung stellt sich das TdU radikal auf die Seite derjenigen, die von Unterdrückung betroffen sind. In ihrer Studie untersucht Linda Ebbers die Wirksamkeit des TdU auf Grundlage eines zweimonatigen Arbeits- und Forschungsaufenthalts am Centro do Teatro do Oprimido - Zentrum des Theaters der Unterdrückten (CTO) in Rio de Janeiro. Dabei stellt sie die Methode des Forumtheaters in den Mittelpunkt ihrer Analyse. Hier funktioniert der ästhetische Raum wie ein Spiegel, in dem sich die Zu-Schauspieler - eine Wortschöpfung aus Zuschauer und Schauspieler - von außen sehen, aber auch hineintreten können, um das Spiegelbild zu verändern. Der Dialog zwischen Bühne und Zuschauerraum soll Unterdrückung aufdecken und zu sozialem Wandel beitragen. Linda Ebbers bietet eine anschauliche Einführung in das TdU. Dabei lässt sie AkteurInnen des CTOs in Rio selbst zu Wort kommen. Die Schlussfolgerung der Studie: Wenn auch bislang wenig beachtet, so sind die Methoden des TdU doch eine große Chance für die zivile Konfliktbearbeitung. Die Studie ist ein inspirierendes Plädoyer für das Potenzial von Kreativität und Theater in der zivilen Konfliktbearbeitung.

Lydia Koblofsky

Linda Ebbers: Darstellende Kunst und zivile Konfliktbearbeitung. Das Theater der Unterdrückten als kreative Methode der Konflikttransformation. Ibidem Verlag, Stuttgart 2014. 134 Seiten 19,90 EUR.

Sexdiskurse

Ulrike Heider schreibt als eine Protagonistin der »Sexrevolte« rund um 1968, die betont, dass das lustvolle Reden über Sex in der Adenauer-Zeit einer Befreiung gleichkam. Von diesem Ausgangspunkt geht sie diversen Diskursen über Sexualität bis in die heutige Zeit nach. So behandelt sie die Kommunebewegung, die neue Frauenbewegung, die schwulen Aufbrüche und die ab den 1980er Jahren um sich greifenden Versuche, mittels Gewaltapologie in der Begegnung der Geschlechter und SM-Praktiken ein »verschärftes Leben« auf den Plan zu rufen. Ihre Position ist dabei unterlegt von einem kulturrevolutionären Optimismus und der Annahme einer prinzipiell möglichen lustvollen Begegnung der Geschlechter. Schmerz, Tod und Teufel, ein ins vorgeblich Lustvolle gewendeter katholischer Umgang mit Sexualität, der bei George Bataille und seinen Freunden anzutreffen ist, verfällt ihrer Kritik. Dabei geht die 67jährige Publizistin durchaus sympathisierend auch queerfeministischen Theorien nach, würdigt ihre libertäre Offenheit, nicht ohne die zuweilen bloß performative und wenig lebensweltlich praktikable wie sozial umwälzende Praxis zu kritisieren. Ihr Buch bietet eine kritische Bestandsaufnahme und geht auch auf die hysterische Moralpolitik der neuesten Sexdiskurse ein, in denen hauptsächlich »Bedrohung« konstruiert wird, um »Unschuld« in einer sexistisch geprägten totalen Marktökonomie heuchlerisch reklamieren und schützen zu können.

Gerhard Hanloser

Ulrike Heider: Vögeln ist schön. Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt. Rotbuch Verlag, Berlin 2014. 288 Seiten, 14,95 EUR.

Feministische Kritik

Was ist feministische Ökonomie? Wie ist sie entstanden? Wo sind die Ökonominnen geblieben? Bettina Haidinger und Käthe Knittler haben sich auf die Suche gemacht und sind fündig geworden. In ihrem Intro, das im Wiener Mandelbaum-Verlag erschienen ist, bieten sie leicht verständliche Antworten auf diese Fragen. Sie behandeln nicht nur die Kritik an neoklassischen Ansätzen und dem »strategischen Schweigen« ihrer Vertreter gegenüber feministischer Ökonomie, auch die feministische Kritik an heterodoxen (marxistischen) Ansätzen wird in dieser lesenswerten Einführung thematisiert. Ebenso widmen sich die Autorinnen der aktuellen Care-Debatte und machen Vorschläge zur Abgrenzung gegenüber dem traditionellen Reproduktionsbegriff. Neben der systematischen Darstellung von theoretischen Debatten, wirtschaftspolitischen und makroökonomischen Prozessen sowie einem Ausflug in die Welt der Statistik stellen Bettina Haidinger und Käthe Knittler auch Widerstandsstrategien, Alternativen und Utopien jenseits patriarchaler Ökonomie vor. Das Buch ist keine grundsätzliche Kritik an feministischer Ökonomie, sondern eine Einführung in dieses facettenreiche Themenfeld. Ob für interessierte NeueinsteigerInnen oder langjährige AktivistInnen - ein anregendes Buch für all jene, die sich mit ökonomischen Fragen kritisch auseinandersetzen (wollen), Fragen, die aus einer linken emanzipatorischen Perspektive jedenfalls interessieren sollten.

Sandra Stern

Bettina Haidinger und Käthe Knittler: Feministische Ökonomie. Intro. Mandelbaum Verlag, Wien 2013. 168 Seiten, 12 EUR.

Brasilien

Brasilien sei das Land der Zukunft, schrieb in den 1940er Jahren der deutsche Schriftsteller Stefan Zweig. Brasilien sei das ewige Land der Zukunft, wurde später gespottet, als sich die Hoffnungen auf wirtschaftlichen Aufstieg und demokratische Entwicklung über Jahrzehnte nicht erfüllten. Dieses Stigma legt Brasilien allmählich ab - als Teil der aufstrebenden BRICS-Staaten entwickelt sich das Land zunehmend zu einer regionalen Wirtschaftsmacht. Entsprechend betitelt die Geografin Verena Maier ihr Buch über Brasilien mit »Land der Gegenwart«. Nach einem Überblick über Geografie, Demografie und Politik gibt das Buch fundierte Einblicke in die Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Landes. Es beleuchtet schwerpunktmäßig die vier wichtigsten brasilianischen Städte - Brasília, Recife, São Paulo und Rio de Janeiro - und widmet dem Amazonas-Gebiet ein eigenes Kapitel. Es bietet somit einen umfassenden landeskundlichen Überblick. Das Buch ist leicht verständlich geschrieben und wird durch Reportageelemente aufgelockert. Zwar nimmt die Autorin keine explizit linke Perspektive ein, geht aber doch kritisch auf einige Fallstricke des brasilianischen Entwicklungsmodells ein. So sind in der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt nach wie vor Armut und soziale Ungleichheit extrem ausgeprägt. Und auch wenn sich das Land offiziell gern als »Regenbogennation« ohne Diskriminierung präsentiert, ist Rassismus in Brasilien nach wie vor tief verankert.

Sarah Lempp

Verena Meier: Brasilien - Land der Gegenwart. Rotpunktverlag, Zürich 2013. 256 Seiten, 29,90 EUR.