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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 595 / 17.6.2014

Montags ist Sprachkurs für Linke

Von Elsa Koester

Auf dem Athener Syntagma-Platz fand sich im Juni 2011 eine diffuse Menge zusammen, darunter wütende BürgerInnen, VerschwörungstheoretikerInnen und NationalistInnen. Die Linke reagierte mit harter Abgrenzung. Die KKE zeigte höhnisch mit dem Finger auf die fehlende Klassenanalyse und zog sich in eine ideologisch saubere Versammlung auf einem eigenen Platz zurück. Einige AktivistInnen aus der SYRIZA und Alpha Kappa beteiligten sich gegen harte innerlinke Kritik. Der Rest ist Geschichte.

»Wir sind weder links noch rechts - denn sie repräsentieren uns nicht«, dieser Slogan wurde bei der Indignad@s-Bewegung 2011 in Spanien zum Albtraum der organisierten Linken. Auch bei der deutschen Occupy-Bewegung dominierte der linke Abwehrreflex. »Echte Demokratie«, das sei doch verkürzter Hippiescheiß. Ein neues Vokabular, eine Herausforderung, geboren aus der Repräsentationskrise. Die Linke ist ihr nicht gewachsen.

Klar, die Montagsmahnwachen sind kleiner und weniger links. Entstanden sind sie aber wie die Indignad@s und Occupy aus Empörung: Empörung darüber, dass die EU- und US-Politik in der Ukraine einen Krieg herbeiführt und die Medien nur über Russland sprechen. Empörung über das Schuldsystem. Empörung über den undemokratischen Klüngel der EU-Kommission. Empörung über die Zunahme der Kriege - unter deutscher Beteiligung. Empörung über die Überwachung durch Geheimdienste.

Gepaart wird diese Empörung mit Lösungsansätzen, die teils links sind, teils rechts. Globaler Frieden, echte Demokratie, Gerechtigkeit, das sind linke Forderungen. Personifizierte Bankenkritik, reaktionär gewendete Vorstellungen von Familie, Glück und Liebe, das sind rechte, teils antisemitische Konstrukte. Es gibt jedoch in den meisten Mahnwachen keine Dominanz dieser rechten Konstrukte, sie sind umkämpft, veränderbar, werden infrage gestellt. Was tun wir damit?

In Berlin gibt die linke Werkzeugkiste nicht viel her. Das linke Milieu tritt geschlossen, besserwisserisch und von außen der Bewegung gegenüber. Die Rechercheantifa stellt fest: Da sind zehn Nazis. Die IdeologiekritikerInnen sagen: Da sind nicht nur zehn Nazis, sondern auch 300 VerschwörungstheoretikerInnen. In Verschwörungstheorien stecken antisemitische Erklärungsmuster. Die sind also auch Nazis. Macht 310 Rechte. Wahre ExpertInnen der Ideologiekritik schauen sich die 690 anderen Leute an und stellen fest: Das sind auch keine Linken. Sind also quasi Rechte. Ergebnis des fleißigen Antifa-Erbsenzählens: 1.000 Rechte in Berlin. Sagen die BündnispolitikerInnen: Mit denen bitte kein Bündnis machen.

Der »Aufruf zu einer solidarischen Auseinandersetzung mit den Mahnwachen« schlägt vor: Glotzen wir nicht wie gebannt auf die zehn Nazis oder auf den Organisatorenkreis. Weiten wir den Blick, schauen wir auf die 690 frisch anpolitisierten Menschen, und sprechen wir doch mit ihnen. Sie sind für Frieden, für Gerechtigkeit. Wir etwa nicht? Knüpfen wir an, auf den Plätzen wie auf Facebook. Sprechen wir mehr über Kapitalismus als über Zinsen, mehr über die Troika als über die FED, mehr über die EU als über Obama. Wer das gemacht hat, hat schnell gemerkt: Das funktioniert. Die Menschen wollen wissen, diskutieren, zuhören, lesen. Sie sind begeistert, wenn sie von den Krisenprotesten in Spanien und Griechenland hören, oder von Blockupy. »Informiere dich!« ist einer der Hauptslogans der Mahnwachen.

Unsere Aufgabe besteht darin, Räume zu öffnen, in denen Menschen ihre spontane Politisierung kritisch reflektieren und ändern können. Das setzt die klare Ablehnung antisemitischer bzw. zum Antisemitismus anschlussfähiger Argumentationsmuster, die ebenso klare Ablehnung reaktionärer Nostalgien und die offensive Verweigerung des Gesprächs mit gefestigten Rechten voraus. Genau so wird aber von uns gefordert, den Leuten die Verortung im Links-rechts-Schema nicht vorab abzuverlangen, sondern ihnen einsichtig zu machen, warum sie noch immer unumgänglich ist. Das erfordert vor allem eines: Kommunikation.

Kommunikation mit Nicht-Linken ist aber nicht in unserer Werkzeugkiste. Das Erbe der Ideologiekritik: Achtung, außerhalb der Linken ist alles mit Antisemitismus, Rassismus, Sexismus verseucht. Reden wir mit denen, stecken wir uns an, verlieren unsere linke Position. Querfront. Gleichsinnig zum klassisch-antideutschen Manöver wird dabei letztlich unterstellt, dass linke Intervention in gesellschaftlichen Protesten nur dann ungefährlich ist, wenn sie solcher Interventionen schon gar nicht mehr bedürftig, weil schlimmstenfalls knapp unterhalb der Höhe linker Basisbanalitäten sind. Ablehnung der Mahnwachen als eines möglichen Interventionsfeldes ist genau besehen die Ablehnung, die Gesellschaft selbst zum Terrain der Auseinandersetzung zu machen.

Nach zwei Monaten der Mahnwachen lässt sich feststellen: Wo Linke sich intensiv eingebracht haben, konnte die Rechte zurückgeschlagen werden (Aachen, Leipzig). Ist die Linke abwesend, nehmen Rechte die Plätze in Beschlag (München, Erfurt), oder die Mahnwachen verharren in verkürzter Konsum- und Geldkritik (die meisten Städte). Dann voller Schadenfreude mit dem Finger auf sie zu zeigen und zu rufen, dass das eben doch keine Linken sind, ist selbstgefällig.

In Berlin brauchte es gerade mal eine Handvoll Linker, um den Fokus auf die FED durch Kritik am Finanzsystem zu ersetzen und eine Abgrenzung von der organisierten Rechten durchzusetzen. Mit mehr Linken hätten wir mehr erreicht.

Vielleicht hat sich das Phänomen »Mahnwachen für den Frieden« mit der Fußball-WM wieder erschöpft. Geplant ist jedoch eine bundesweite Mahnwachen-Demo nach der WM im Juli. Und auch die nächste Bewegung kommt bestimmt. Wer darauf wartet, dass sie links wird, kann lange warten. Die uns von den Montagsmahnwachen gestellte Herausforderung ist nur ein Vorschein der Herausforderungen, die uns von den gesellschaftlichen Widersprüchen selbst gestellt werden. In der Krise fallen alte Weltbilder auseinander. Die Neuorientierungen sind nicht kohärent. Es ist die Zeit der Monster. Solange wir uns weigern, mitzureden, so lange werden die Plätze nicht uns gehören.

Elsa Koester ist aktiv bei FelS, organisiert in der IL und hat den Aufruf zu einer solidarischen Auseinandersetzung mit den Mahnwachen mitunterzeichnet. Der Beitrag spiegelt ihre persönliche Meinung wider.