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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 595 / 17.6.2014

Alte Bekannte statt neuer Freunde

Von Christoph Kleine

Gegen die Erklärung »Für eine solidarische Auseinandersetzung mit den Montagsmahnwachen« ist inhaltlich nicht so viel einzuwenden. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Montagsmahnwachen »im Kern ... eine neurechte Bewegung« sind, wovon die UnterzeichnerInnen sich abgrenzen, oder ob »sich Teile dieser Bewegung in einer Weise (artikulieren), die mit rechten Ideologien kompatibel ist oder ihnen direkt entstammt«.

Auch spricht nichts dagegen, »Kontakt, Debatte und Kooperation« mit den Menschen zu suchen, die sich hauptsächlich der Kriegsgefahr entgegen stellen wollen. Aber dafür hätte es gar keinen bundesweiten Aufruf gebraucht, weil dies an vielen Orten längst stattgefunden hat. Manchmal mit dem Resultat, dass aus den Montagsmahnwachen tatsächlich eher linke Veranstaltungen wurden, die einen »klaren Trennstrich nach rechts« gezogen haben, manchmal mit der erschreckenden Feststellung, dass rechte Kräfte direkt an der Organisation beteiligt sind oder weiter geduldet werden, am häufigsten aber mit dem ernüchternden Befund, dass es sich um skurrile, überschaubare Versammlungen handelt, auf denen nichts darauf hindeutet, dass dort der Keim für eine »kraftvolle und emanzipatorische Bewegung« zu finden wäre.

Das Problematische an der Erklärung ist ihr Kontext und ihr Gebrauch; wurde und wird sie doch als Persilschein für die Wortführer der Montagsmahnwachen benutzt, eine klare und glaubwürdige Abgrenzung gegenüber rechten Positionen und Verschwörungstheorien mit antisemitischem Unterton nicht vornehmen zu müssen. Die Abgrenzung ist nicht mit einer Distanzierung von Figuren wie Jürgen Elsässer oder Andreas Popp erledigt.

Die Äußerung von Mahnwachen-Guru Lars Mährholz, dass die US-Notenbank FED für alle Kriege der letzten 100 Jahre verantwortlich sei, bleibt eine gefährliche geschichtsrevisionistische Aussage, auch wenn inzwischen eine Kritik an der EZB hinterhergeschoben wird. Für »sekundären Antisemitismus« hat sich Mahnwachen-Star Ken Jebsen zwar in einem Videogespräch mit Pedram Shayhar mit halbgaren Worten entschuldigt - aber das Video von 2012, in dem er fast eine Stunde lang über die israelische Besatzungspolitik und die zionistische Lobby in Begriffen von »Genozid«, »Holocaust« und »Ausrottung« redet, ist weiterhin in seinem Youtube-Kanal abrufbar und hat dort fast 100.000 Klicks.

Viele RednerInnen auf den Montagsversammlungen stellen keine »neue Bewegung« dar, sondern sind alte Bekannte. Der ganze ökonomische Unsinn einer verkürzten Zins- und Bankenkritik, vermischt mit wilden Verschwörungstheorien, wie er auch bei den Anfängen von Attac vertreten war, feiert seine Wiederauferstehung. Fast bedenklicher als die antisemitischen Implikationen ist daran das Motiv der angeblich fehlenden oder eingeschränkten Souveränität Deutschlands.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch viele Beiträge bei den Montagsmahnwachen, ob zur NSA, zu TTIP oder zur Ukrainekrise. Verantwortlich sind die USA, die FED, die City of London, vielleicht auch noch die EZB, die Regierenden aber nur insoweit, als sie sich nicht gegen diesen Einfluss zur Wehr setzen. Dafür bietet Mährholz gleich das ganze Volk zur Unterstützung an, als »80 Millionen Bodyguards« - nicht ohne im Satz davor mit der absurden Aufzählung von »J.F.K., Herrhausen, Barschel, Rohwedder und viele weiteren« anzudeuten, dass diese (von wem auch immer) gezielt beseitigt worden wären.

Es wäre die Aufgabe einer »linken Intervention«, solchen Vorstellungen zu widersprechen. In einem imperialistischen Kernland, insbesondere in Deutschland aufgrund seiner Geschichte und seiner Rolle bei der Durchsetzung der Austeritätspolitik in der EU, ist jede Vorstellung von einem linken oder befreienden Nationalismus brandgefährlich.

Das Argument, dass die Linke sich ins Handgemenge begeben sollte, anstatt nur von der Seitenlinie zu kommentieren, ist richtig - ebenso wie die Feststellung, dass »soziale Bewegungen ... in sich die Widersprüchlichkeit tragen, die aus der Widersprüchlichkeit ihrer Gesellschaft entsteht«. Nur wird diese Erkenntnis auf das falsche Phänomen angewendet. Die Mahnwachen sind, anders als z.B. die Montagsdemos gegen Hartz IV, keine spontane Bewegung gegen ein zentrales Projekt der staatlichen und wirtschaftlichen Eliten. Genau dieser Fokus fehlt ihnen.

Bereits von der Dimension her sind beide Mobilisierungen nicht miteinander zu vergleichen. Es gab damals zwar den Versuch von Neonazis, sich an die Bewegung anzuhängen, und rassistische oder nationalistische Vorstellungen bei einem Teil der Protestierenden - nicht aber rechtsoffene Führungs- und Identifikationsfiguren. Noch absurder ist der Verweis auf die Gezi-Proteste in der Türkei, den Tahrir in Kairo oder gar den Kiewer Maidan, um die Mahnwachen irgendwie in die Reihe neuer globaler Aufstände einzuordnen. Treffender wäre ein Vergleich mit anderen ideologisch unklaren Bewegungen neuen Typs, wie der zur Unterstützung Guttenbergs gegen die Plagiatsvorwürfe.

Ebenso geht der Hinweis fehl, dass die Abgrenzung von »links und rechts« auch bei den spanischen Indignad@s anzutreffen sei. Diese Form der Postideologie ist auch dort nicht ohne Probleme, aber sie speist sich aus der verständlichen Abwehr gegen etablierte Politikformen - und kommt nicht wie in Deutschland aus einer Szene, die damit ihre offensichtliche Schwierigkeiten mit rechten Ideologien wegschieben will.

Letztlich ist aus dem Versuch einer linken Intervention bei den Montagsmahnwachen eine Intervention in die Linke geworden, und aus dem Anspruch, mit sich Neupolitisierenden in Kontakt zu treten, ein Bündnis mit den ideologischen Führungsfiguren, die öffentlich auch noch in Schutz genommen werden. Eine linke Intervention hätte z.B. bedeutet, die Berechtigung der linken Kritik an verschwörungstheoretischen und rechtsoffenen Positionen zu vertreten, anstatt den Leuten nach dem Munde zu reden und sie in dem Glauben zu bestärken, sie würden von den Medien, der Antifa und Jutta Ditfurth diffamiert.

Vieles spricht dafür, dass die Montagsmahnwachen eine Episode bleiben. Die Debatte um sie ist dann nicht müßig, wenn wir sie als Weckruf für die überfällige grundsätzliche Erneuerung der Antikriegsbewegung verstehen.

Christoph Kleine ist aktiv bei Avanti - Projekt undogmatische Linke, organisiert in der Interventionistischen Linken (IL).