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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 596 / 19.8.2014

Zeitgeist Compact

Rechte Das Monatsmagazin Compact spiegelt das Krisenbewusstsein und die Abstiegsängste der Mittelschicht in rechtspopulistischem Licht

Von David Begrich

Der Internetauftritt des Monatsmagazins Compact wirkt wie aus dem Ei neuester Marketingstrategien gepellt. Mit Videoclips werden NutzerInnen von Chefredakteur Jürgen Elsässer empfangen, dessen Tonlage von Polemik und Enthüllungsrhetorik bestimmt ist. »Mut zur Wahrheit« lautet der Slogan, unter dem die Zeitschrift segelt. Zu kaufen gibt es nicht nur das Magazin, sondern auch Sonderhefte zu den Themen NSU, Familienpolitik und »den Kriegslügen der USA«. Das Hochglanzmagazin bebildert politische Konflikte auf dem Cover stark fixiert auf politische Personen wie Putin, Obama und Merkel.

Vielfach wird Compact als publizistisches Querfrontprojekt beschrieben, was vor allem auf der Wahrnehmung des Chefredakteurs Jürgen Elsässer als »Altlinken« fußt. Doch die These von einem »Querfront-Magazin«, das inhaltliche und organisatorische Brücken zwischen links und rechts schlägt, ist nicht belegbar. Ein Blick auf die in Compact vertretenen Positionen zeigt, dass vielmehr biederer Konservatismus und Rechtspopulismus dominieren. Das schließt linke Phrasen nicht aus. Die meist retrospektive, absichtsvolle Indienstnahme von Personen wie Rudi Dutschke oder Willy Brandt oder der Chiffre 1968 erscheint in der rechtskonservativen Publizistik immer dann als hilfreich, wenn es gilt, mit Versatzstücken linker Argumente rechte Politikmuster zu plausibilisieren. Eine Querfront im Sinne eines inhaltlichen Zugehens linker Positionen auf rechte findet indes in Compact nicht statt. Linke AutorInnen im weitesten Sinne bilden im Blatt eine seltene Ausnahme.

Wer sich allerdings die Mühe macht, einen Blick auf die Facebook-FreundInnen von Compact zu werfen, findet ein Spektrum an MultiplikatorInnen, das vom NPD-Kader bis zum Kreissprecher der LINKEN reicht. Der Grund für diese facettenreiche Leserschaft dürfte der anschlussfähige, aber grobschlächtige Antiimperialismus sein, der die außenpolitische Berichterstattung des Magazins prägt. Zutreffende Fakten zur militarisierten Außenpolitik der USA werden in Compact in die rechtsgewirkte Argumentation eingeordnet, wonach die USA einen Kulturimperialismus vorantrieben, der ganzen Weltregionen die westliche Lebensweise aufzwinge und ihre kulturelle Identität zerstöre.

Europakritik von rechts

Eines der seit der Erstausgabe wiederkehrenden Themen in Compact ist die Eurokrise. Die Analyse des Blattes folgt dabei denen der rechten EurokritikerInnen. Die Euro-Einführung sei der bittere Preis der Wiedervereinigung auf Kosten des Wohlstandes in Deutschland gewesen und ein Instrument, die Deutschen auf kaltem Wege zu enteignen. Das baldige Ende des Papiergeldes nebst einer Hyperinflation wird ebenso vorausgesagt, wie für den Erwerb von Gold und Edelmetallen als vorgeblich einzig sichere Form der Geldanlage intensiv geworben wird. Hier finden die von der Alternative für Deutschland (AfD) im politischen Raum artikulierten Abstiegsängste und Ressentiments der Mittelschicht ihren Niederschlag in klischeehaften Zuschreibungen an die südeuropäischen Staaten. Ganz im Sinne rechter Europakritik wird der Euro in Compact als Puzzleteil des Souveränitätsverlusts Deutschlands gegenüber den europäischen Institutionen interpretiert. Auf den zurückliegenden Compact-Konferenzen kamen denn auch rechtskonservative Eurokritiker wie der Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider zu Wort. Das Handeln der EU und ihrer Institutionen findet in Compact dann ein positives Echo, wenn sich deren Maßnahmen gegen die Politik der USA richten. Negativ ist die EU hingegen dort konnotiert, wo es um Maßnahmen und Entscheidungen geht, die Einfluss auf politische Entscheidungen in Deutschland nehmen.

Im Untertitel führt Compact die Zeile »Magazin für Souveränität«. Die These, Deutschland handle nicht souverän und stünde unter der Kuratel anderer Staaten, insbesondere der USA, zieht sich wie ein roter Faden durch die Themenpalette der Zeitschrift. Die Auffassung, Deutschland mangle es in jeder Hinsicht an politischer Handlungsmacht, ist ein von der extremen Rechten seit Jahrzehnten variantenreich vorgebrachtes Argument. Souveränität versteht die extreme Rechte in der Tradition von Carl Schmidt als Fähigkeit, außenpolitisch Europa als Mittelmacht zu dominieren, und innenpolitisch namens der Mehrheit des Volkes eine Feindbestimmung im Inneren vorzunehmen. Zu einer solchen Politik der Souveränität sei Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr in der Lage. Eine Blaupause für diese Sichtweise findet sich in dem von dem konservativen Vordenker Caspar von Schrenck-Notzing verfassten Buch »Charakterwäsche - Die Re-Education der Deutschen«, das 1965 erstmals erschien. Darin vertritt Schrenck-Notzing die These, die Politik der Umerziehung der Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg habe den Deutschen ihre nationale Identität geraubt und ihren Willen zur Macht in Europa gebrochen.

Auf breite Resonanz trifft der Souveränitätsdiskurs seit Jahren in der rechtslastigen sogenannten Reichsbürgerbewegung. Deren AktivistInnen stellen sich eigene Pässe aus, verweigern die Zahlung von Gebühren und Steuern und bestreiten die juristische Existenz der Bundesrepublik. Vielmehr existiere das Deutsche Reich fort, sei aber aufgrund alliierter Besatzung gerade nicht souverän handlungsfähig. Wo Compact die Rückkehr zur deutschen Souveränität fordert, sehen sich alle angesprochen, die deren Abwesenheit beklagen und Deutschland von fremden Mächten beherrscht sehen.

Einäugigkeit in der Ukrainekrise

In der sich seit Februar in den deutschen Medien abbildenden Ukrainekrise kritisierte Compact wie eine Vielzahl unabhängiger BloggerInnen und JournalistInnen die vorherrschende Einseitigkeit der deutschen Medienberichterstattung zugunsten der damaligen ukrainischen Opposition und jetzigen Regierung. Dies ging jedoch mit einer vehementen Parteinahme für Putins Politik einher, die die Rolle profaschistischer Akteure ausschließlich auf ukrainischer Seite ausmachte. Dass die Putin-Administration sich seit Langem völkisch-nationalistischer Propaganda bedient, die facettenreiche russische Opposition verfolgt und als Agenten des Westens denunziert, ist in Compact nicht zu lesen. Im Gegenteil. Im Juni veröffentlichte Compact eine Sonderausgabe unter dem Titel: »Putin - Reden an die Deutschen«, in dem seine Reden vor deutschem Publikum abgedruckt sind. Eine kritische Einordnung dieser Statements erfolgt nicht.

Die heilige Familie in Gefahr

Klar positioniert ist Compact in geschlechterpolitischen Fragen. Mehrfach wandte sich das Magazin dem Thema Familie zu. Eine Konferenz unter dem Motto »Für die Zukunft der Familie« im November 2013 in Leipzig und ein Sonderheft standen unter der Prämisse, die heterosexuelle Kleinfamilie stünde vor der gesellschaftlichen Marginalisierung. Unter der Überschrift »Feindbild Familie« bot die Zeitschrift das gesamte Spektrum des konservativen Antifeminismus auf. Eva Herman und Gabriele Kuby als Vorkämpferinnen des geschlechterpolitischen Rollbacks entfalteten ihre vielfach in rechten Medien wiedergegebenen Thesen, wonach Gendermainstreaming und die Gleichstellung von Homosexuellen eine geschlechterpolitische Umerziehung von Kindern und Jugendlichen zum Nachteil des Konzepts der bürgerlichen Kleinfamilie nach sich zöge. Dass sich Compact damit im Strom rechtskonservativer Wertedebatten wie jener rund um den Bildungsplan 2015 in Baden-Würtenberg bewegt, zeigt, wie stark das Blatt den Zeitgeist eines heterogenen konservativen Milieus bedient.

Trotz der Evidenz zahlreicher politischer Schnittmengen mit der AfD bei den Themen Euro, Familie und Einwanderung lassen sich in Compact eindeutige parteipolitische Positionierungen nicht finden. Führende Köpfe der AfD sind jedoch durch Interviews im Meinungsspektrum des Magazins durchaus repräsentiert.

»Gewalt gegen Deutsche« und NSU-Komplex

Die Dimension rechter Gewalt infrage stellend, veröffentlichte das Magazin im Juli 2013 ein Dossier, in dem die »Gewalt gegen Deutsche« als das gravierendere Problem interpretiert wird. Zuvor hatten Teile der rechten Publizistik wie Junge Freiheit und Sezession begonnen, die Kriterien zur Erfassung rassistisch motivierter Gewalttaten auf solche Fälle anzuwenden, in denen MigrantInnen oder Deutsche mit Migrationshintergrund die TäterInnen sind, um zu erklären, entgegen der öffentlichen Wahrnehmung würden Deutsche ohne Migrationskontext immer öfter Opfer eines »Rassismus gegen weiße Deutsche« durch »fremde Täter«. Als Quelle bezieht sich Compact hierbei auf das rechte Onlinelexikon Metapedia, das seine Zahlen wiederum der vom neurechten Verlag Edition Antaios betriebenen Homepage »Deutsche Opfer - Fremde Täter« entnommen hat.

Ein ganzes Sonderheft von Compact widmet sich dem NSU-Komplex. Im Fall der getöteten Polizistin Michelle Kieswetter vertritt Compact die These, bei diesem Mord habe es sich um eine Operation der Geheimdienste gehandelt. Das Magazin will in der Causa NSU den Nachweis geführt haben, die Neonazis seien gar nicht die handelnden Akteure der Mordserie gewesen. Den rechten Terror als Operation eines Ensembles aus CIA und Verfassungsschutz zu interpretieren, und somit neonazistische AktivistInnen als bloße Marionetten erscheinen zu lassen; diese Auffassung wird in der NPD ebenfalls so vertreten. Dass es nachweisbare Geheimdienstaktivitäten im engen Umfeld des NSU gab und der Verfassungsschutz eine politische Mitverantwortung für die Untaten des NSU trägt, ist ebenso unstrittig, wie die Notwendigkeit, die Rolle der Dienste zu hinterfragen. Hier werden jedoch Indizien zu einer breit angelegten Geheimdienstverschwörung verknüpft, die auf kausalen Zirkelschlüssen statt auf Fakten beruht.

Die Zeitschrift Compact liefert auflagenstark und im Gestus von Nonkonformismus und angeblich investigativer Entlarvung von Propaganda Texte für kulturelle Regression und nationalistische Antworten für die komplexe Gleichzeitigkeit gesellschaftlicher Widersprüche. Der in Compact vorherrschende Jargon der Anti-Establishment-Ressentiments gegenüber der politischen Klasse spiegelt die postdemokratischen Ohnmachtsgefühle und Ermächtigungsfantasien jener, die gern selbst namens »des Volkes« das Wort ergreifen. Jürgen Elsässer forderte auf einer Demonstration der neuen Friedensbewegung am 19. Juli in Berlin: »Für ein souveränes Deutschland: Ami go home.« Diese populistische Rhetorik ist in der Gesellschaft breit anschlussfähig.

David Begrich ist in der politischen Bildung tätig und lebt in Magdeburg.

Compact

gehörte zu den Lautsprechern der im Frühjahr aufgetretenen neuen Friedensbewegung. (Siehe ak 595) Auch Ken Jebsen, Redner bei den sogenannten Montagsmahnwachen, schreibt regelmäßig für das Magazin. Außerdem richtet Compact sogenannte Souveränitätskonferenzen aus.