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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 599 / 18.11.2014

Meinung

Die Partei DIE LINKE und das U-Wort

Die Debatte um den »Unrechtsstaat« DDR verläuft wie immer, wenn es um die Partei DIE LINKE geht. Der Bundespräsident hat Bedenken, Wolf Biermann wütet vor laufender Kamera im Bundestag, die CDU und die konservative Presse sind ohnehin dagegen, dass DIE LINKE den Ministerpräsidenten in Thüringen stellt. Die »U-Wort-Debatte« ist die vorhersehbare Gelegenheit, das seit Jahrzehnten in Westdeutschland erfolgreiche Kampagnenformat Furcht vor dem Kommunismus neu aufzulegen. Die Mehrheit der Ostdeutschen schreckt DIE LINKE ohnehin nicht.

In dieser lautstarken, aber übersichtlichen Debattenlage bleibt unbemerkt, dass mit dem U-Wort offenbar alle leben können. Die Konservativen, um damit die SPD vor sich herzutreiben. Und auch DIE LINKE kann sich mit dem U-Wort arrangieren. Denn die Rede vom Unrechtsstaat fragt nicht nach persönlicher Verantwortung. Wie praktisch für die Führung der Linkspartei in Ostdeutschland! Viele von deren Spitzenleuten waren früher FunktionärInnen der DDR-Jugendorganisation FDJ, die sehr viel von Frieden sprach und über Jahrzehnte rabiat die Militarisierung der Gesellschaft der DDR vorantrieb.

Nicht nur in dieser DDR-Organisation gingen Spießertum, preußische Sekundärtugenden und poststalinistischer Dogmatismus eine ätzende Mischung ein. Die DDR war ein Spießerstaat, der den Leuten seine kleinkarierte Moral aufzwang, Filme und Bücher verbot, Zeitungen zensierte, Haartrachten mit Gefängnis bestrafte und Ökofritzen bis aufs Klo nachstellen ließ. Neben der ökonomischen Misere zwang diese geistige und kulturelle Enge die DDR in die Knie.

Es lag in der Hand von LehrerInnen und FDJ-FunktionärInnen, Jugendliche, die den Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« trugen, zu schikanieren, drakonisch zu bestrafen und somit vielfach ihre Biografie zu brechen - oder ihre pazifistischen Motive stillschweigend hinzunehmen und nach pragmatischen Ausgängen aus ideologischer Verbohrtheit zu suchen. Wenn aber ohnehin alles in der DDR Unrecht war, wird die Frage nach den Entscheidungsspielräumen und weshalb sie oftmals nicht genutzt wurden, gar nicht erst gestellt.

Schmerzhafter als die abstrakte Rede vom Unrechtsstaat dürfte für die in der FDJ sozialisierten heutigen MachtpragmatikerInnen der LINKEN in den ostdeutschen Ländern die Debatte um ihre Mitverantwortung an dem militarisierten Stumpfsinn und der kulturellen Gängelei der 1980er Jahre sein. Für das Grenzregime und die Stasi trug diese Funktionärsgeneration zumeist keine Verantwortung, weshalb ihnen das Wort vom DDR-Unrecht leicht über Lippen kommt. Wer als FDJ-Funktionär Punks schikanieren ließ, tat dies oftmals auch ohne das Zutun der Stasi und aus Überzeugung. Das »U-Wort« verhindert eine Debatte, die es zu befördern vorgibt, und begräbt sie unter dem Beton des Machtpragmatismus. Das »U-Wort« tut der Mehrheit der LINKEN nicht weh.

Wirklich schmerzhaft würde es, wo es darum ginge, was manche in dieser Partei unter dem Begriff »links« verstehen. Wie sehr die Partei offenbar mit linken dissidierenden Strömungen und Personen der sozialistischen Ökumene hadert, ist auf Parteitagen mit Händen zu greifen. Wer etwa den Veranstaltungskalender der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Jahr 1989 liest, findet dort vor allem Selbstvergewisserung statt Kontroverse vor. Der Niedergang der DDR wird hier als Verlustgeschichte und nicht als eine Geschichte verpasster Chancen erzählt. Statt die Traditionen und Gestalten einer linken, radikal-demokratischen Kritik am realen Sozialismus zu aktualisieren und sie auf ihre Tauglichkeit zu prüfen, trägt die Partei wie ein Mantra die Gründungsdokumente der PDS aus dem Dezember 1989 vor sich her.

Niemand aus der Generation der nach innen kritischen SED-Denkzirkel hatte den Mut, diese Kritik auch öffentlich zu äußern oder gar die Auseinandersetzung mit den Oppositionsgruppen zu suchen. Als die SED endlich »unwiderruflich« mit dem Stalinismus brach, war der Sozialismus in der DDR bereits verspielt. So ist die U-Wort-Debatte vor allem eines: eine verpasste Chance für einen Umbruch der politischen Kultur und den lange erwarteten Konflikt der politischen Generationen in der Partei DIE LINKE.

David Begrich

David Begrich ist in der politischen Bildung tätig und lebt in Magdeburg. In ak 598 erschien seine Collage mit Texten zum Herbst 1989 in der DDR.