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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 601 / 20.1.2015

Aufgeblättert

Zionismus

In seinem Buch »Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt« will Moshe Zuckermann die »Frage, warum sich das zionistische Israel in eine historisch ausweglose Situation manövriert hat, ... aus der Logik des Zionismus selbst, also von einer immanenten Perspektive« erkunden. Vieles hat Zuckermann so oder ähnlich schon anderswo publiziert. Dennoch lohnt die Lektüre, nicht nur einzelner Abschnitte. Wie meistens provoziert Zuckermann durch zugespitzte, auch überzogene Formulierungen. Etwa wenn er in dem Abschnitt »Israel und die Shoah« schreibt: »Beide, Antisemitismus wie Zionismus, waren darauf bedacht, den diasporischen Juden transformierend aufzuheben« - der eliminatorische Antisemitismus »vermittels einer bis zum Genozid reichenden physischen Vernichtungspraxis«, der Zionismus »durch sein Zentralpostulat der Eliminierung allen diasporischen Daseins«. Als wenn es sich allein um verschiedene Methoden zur Erreichung desselben Ziels - der »Eliminierung« - handeln würde! Eher nachvollziehbar ist seine Kritik an der in Israel herrschenden Elite, aber auch an den Halbheiten der Protestbewegung von 2011. Das durch sie verkörperte »tiefe Unbehagen an der Sackgasse, in die sich Israel manövriert hat«, bleibt, ein Ausweg ist nicht in Sicht. Zuckermann hält sowohl einen »nichtzionistischen Neubeginn mit emanzipativem Horizont« zwar für möglich, aber auch den »langen Weg einer ruchlosen, faschistisch-repressiven Degeneration«. Starke Worte.

Jens Renner

Moshe Zuckermann: Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt. Promedia Verlag, Wien 2014. 208 Seiten, 17,90 EUR.

Bericht aus dem Knast

Die Rote Hilfe Dresden hat einen Band mit Texten des ehemaligen politischen Gefangenen Oliver Rast veröffentlicht. Der Berliner saß zwischen Sommer 2011 und September 2014 in Haft. Verurteilt wurde er wegen versuchter Brandstiftung an einem Fahrzeug der Bundeswehr und wegen Mitgliedschaft in der »militanten gruppe« (mg). Von Beginn an war Rast im offenen Vollzug und konnte die Haftanstalt tagsüber verlassen. Im Mai 2013 wurde er jedoch in den geschlossenen Vollzug verbracht, weil er erneut ins Visier der Polizei geraten war. Rast und acht weitere Genossen wurden beschuldigt, mit der Gruppierung »Revolutionäre Aktionszellen« (RAZ) eine Nachfolgeorganisation der mg gebildet zu haben; außerdem wurden sie für die Herstellung der Untergrundzeitschrift radikal verantwortlich gemacht. Rast war während seiner Zeit als Gefangener bei der Basisgewerkschaft Industrial Workers of the World aktiv und verfasste Beiträge für die Zeitschrift strike. Im Knast war er an der Gründung einer Gefangenengewerkschaft beteiligt, zu deren Sprecher er gewählt worden war. Die Schilderungen aus dem Gefängnisalltag sind teilweise recht bedrückend. Die Parole »Knastkampf ist Klassenkampf« gehe an der Realität vorbei, resümiert Rast. Dies liege unter anderem an der Individualisierung hinter Gittern, die soweit gehe, dass Gefangene »eher mit dem Justizapparat paktieren, als sich mit Mitgefangenen zu solidarisieren«. Für ihn sei das »schon ziemlich desillusionierend« gewesen.

Florian Osuch

Rote Hilfe Dresden (Hg.): Das solidarische Band. Gesammelte Texte des Gefangenen Oliver R. 120 Seiten, 4 EUR.

Radikale Linke

Auf mehr als 700 Seiten, untergliedert in acht Kapitel, liefert Ulrich Peters eine lesenswerte Chronologie der Debatten und politischen Praxis der deutschen radikalen Linken - gemeint sind »Antikapitalisten bzw. Sozialisten aller Schattierungen«. Der Autor hat den Anspruch, eine kritische Bestandsaufnahme zu liefern. Sein Schwerpunkt liegt auf den Jahren bis 2010. Zunächst zeichnet er nach, welche Organisationen und Gruppen »den Epochenbruch von 1989/90 überlebten« und welche Auswirkungen dieser »auf die linke Medienlandschaft sowie auf wissenschaftliche Einrichtungen« hatte. Im Anschluss schildert er den »antideutschen Sonderweg« und geht den »praktischen Aktivitäten der Linken« nach. Schwerpunkte liegen hier auf dem Antifaschismus der 1990er im Vergleich zu den 2000er Jahren sowie der Antiglobalisierungsbewegung. Eine ideengeschichtliche Perspektive prägt die Kapitel 6 und 7, die sich u.a. mit dem Verhältnis zum Islam und grundlegenden Strategie- und Theoriedebatten auseinandersetzen. Am Schluss wirft Peters einen Blick auf aktuell bestehende Arbeitszusammenhänge. Der Autor benennt, kommentiert und kritisiert zahllose Entwicklungs- und Konfliktlinien. Die jüngere deutsche Linke kann von seinem Buch profitieren und einen Einblick in die wechselvolle Geschichte dieser Bewegung gewinnen, deren Verästelungen mitunter unbekannt sind. Hoffentlich folgt eine Diskussion des Bandes durch die (damals) Beteiligten.

Sebastian Klauke

Ulrich Peters: Unbeugsam & widerständig. Die radikale Linke in Deutschland seit 1989/90. Unrast Verlag, Münster 2014. 728 Seiten, 29,80 EUR.

Stalinismus

Der Revolutionär, Journalist und Schriftsteller Victor Serge (1890-1947), als Sohn russischer politischer Flüchtlinge in Belgien geboren, schrieb seinen Roman »Schwarze Wasser« Ende der 1930er Jahre. Erst jetzt ist er erstmals in deutscher Übersetzung erschienen. Serge verarbeitet persönliche Erfahrungen. Ab 1919 Parteigänger der Bolschewiki, wurde er 1933 als Unterstützer der Linksopposition um Trotzki in den Ural verbannt; 1936 konnte er aufgrund internationaler Proteste die Sowjetunion verlassen. In Serges Roman wird Michail Iwanowitsch Kostrow, Professor für Historischen Materialismus, verhaftet. Was ihm vorgeworfen wird, bleibt offen. Wochenlang wird er mit vielen anderen in einer überfüllten Moskauer Gemeinschaftszelle, »Chaos« genannt, gefangen gehalten, dann in eine Provinzstadt im Ural verbannt. Dort trifft er auf fünf weitere Linksoppositionelle. Sie diskutieren über den Sozialismus, die Partei, die innere Logik der stalinistischen Repression. Offensichtliche Defizite in der Produktion erklärt das Regime stets mit den Machenschaften von »Saboteuren« und ihren geheimen Netzwerken. Auch die Verbannten sind in Lebensgefahr: »Sie können uns nicht leben lassen!«, sagt Kostrow, »sie müssen uns in den Gefängnissen vermodern lassen. Sobald sie genau begriffen haben, was sie tun, werden sie anfangen, uns zu erschießen.« Denn vor dem nächsten Parteitag müssen Schuldige präsentiert werden. Gleichwohl endet Serges Roman nicht ohne Hoffnung.

Daniel Ernst

Victor Serge: Schwarze Wasser. Roman. Aus dem Französischen von Eva Moldenhauer. Rotpunktverlag, Zürich 2014. 286 Seiten, 22,90 EUR.