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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 602 / 17.2.2015

PEGIDA entdeckt die Plebs

Deutschland Auch wenn die Rechte immer öfter diese Karte spielt, heißt das nicht, dass »direkte Demokratie« ein rechtes Konzept ist

Von Holger Oppenhäuser

»Sie fordern so was wie den Volksentscheid auf Bundesebene ... Sie würden überfremdet, weil Flüchtlinge kämen«, rappt die Antilopen Gang in ihrem Song »Beate Zschäpe hört U2«, in dem sie Milieus skizziert, aus denen heraus ein Phänomen wie der NSU erst möglich wird. Wie zur Bestätigung dieser Lyrics hat die ehemalige PEGIDA-Sprecherin Kathrin Oertel jetzt einen neuen Verein namens »Direkte Demokratie für Europa« (DDfE) gegründet. Wenngleich zur Kundgebung dieser Abspaltung »nur« einige hundert Anhänger_innen mobilisiert wurden, steht sie doch für eine bestimmte Tendenz.

Laut Oertel sei die Neugründung zwar »rechts der CDU« zu verorten, aber doch irgendwie weniger radikal als Lutz »Hitlerpose« Bachmann. Damit wird genau die Position der »besorgten Bürger« besetzt, die von vielen Medien als legitimer Teil der PEGIDA-Anhänger_innen dargestellt wird. Dazu scheint auch die Forderung nach direkter Demokratie zu passen, die in einem ersten Positionspapier mit den Stichworten »Volksbegehren, Volksentscheide oder Europäische Bürgerinitiativen« (DDfE) konkretisiert wird und neben nebulösen Forderungen nach einer »Reform des Asylverfahrensgesetzes« und einem »qualitativen Einwanderungsgesetz« steht. Nun gibt es aber bereits eine (wenngleich wenig wirksame) europäische Bürgerinitiative und die Verknüpfung von nationalistischer Politik und direkter Demokratie ist wahrlich nichts Neues. (1)

Schon während des Nationalsozialismus wurden gelegentlich Plebiszite zur akklamatorischen Bestätigung der Regierungspolitik abgehalten. Dieses historische Beispiel dürfte die NPD vor Augen haben, wenn sie die Einführung von Volksentscheiden in Kombination mit der Direktwahl des Bundespräsidenten fordert, dessen Kompetenzen zulasten des Parlaments ausgeweitet werden sollen. »Das Volk« wird hier als homogene Abstammungsgemeinschaft imaginiert und direkte Demokratie gilt als Mittel zur Durchsetzung dessen, was der NS-Jargon »gesundes Volksempfinden« nennt. Erfolgreiche Initiativen der national-konservativen Schweizer Volkspartei, wie die »gegen den Bau von Minaretten« 2009 und »gegen Masseneinwanderung« im vergangenen Jahr, wollen die deutschen Nationalist_innen und Abendlandretter_innen nur zu gerne kopieren.

Ein anderer, primär elitär-neoliberal ausgerichteter, Flügel der Rechten hofft dagegen, vor allem seine politisch-ökonomischen Forderungen auf direktdemokratischem Weg besser durchsetzen zu können. So könnte nämlich die parlamentarische Kompromissbildung, auf die auch Gewerkschaften und Sozialverbände Einfluss haben, umgangen werden. Dies erscheint umso attraktiver, als die Beteiligung der oberen Klassen bei Abstimmungen noch deutlicher überwiegt als bei Wahlen. Tatsächlich wurden in der Schweiz und einigen US-Bundesstaaten bereits Elemente neoliberaler Fiskalpolitik auf diesem Weg durchgesetzt.

In der AfD fließen beide Strömungen der Rechten zusammen - die primäre rassistische und die primär elitär-neoliberale. Schon in der rechten Kampagne gegen die »Euro-Rettungspolitik«, die der Parteigründung vorausging, spielten direktdemokratische Forderungen eine große Rolle und wurden schließlich ins Programm für die Bundestagswahl 2013 aufgenommen. Dass es aber durchaus ernsthafte Konflikte zwischen den beiden Strömungen gibt, haben die jüngsten Auseinandersetzungen rund um den AfD-Bundesparteitag Ende Januar 2015 in Bremen gezeigt.

Auch Kathrin Oertels neuer Verein wird sich nun irgendwo zwischen den Polen dieses Feldes verorten, die trotz aller Konflikte doch wesentliche Gemeinsamkeiten haben, wie einer der ersten Einträge auf der DDfE-Facebook-Seite zeigt. In einer ursprünglich in der Welt erschienenen Lobrede auf den »Wirtschaftsexperten« Hans-Werner Sinn heißt es, er schere sich in Sachen »Zuwanderung, Euro-Rettung, Klimawandel oder Sozialstaat ... herzlich wenig um politische Korrektheit« und werde deshalb angefeindet. Sinn hatte jüngst berechnet, dass »dass Zuwanderer für den Fiskus ein Minusgeschäft sind« - und das wird es wohl sein, was Oertel & Co. mit ihrem »qualitativen Einwanderungsgesetz« ändern wollen. Womöglich mittels eines Volksbegehrens.

Auch wenn die Rechte immer öfter diese Karte spielt, heißt das aber nicht, dass direkte Demokratie per se ein rechtes Konzept wäre. Im Rahmen der klassischen Demokratietheorie gibt es durchaus gute Argumente für die Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch Volksbegehren und -abstimmungen. Und praktisch geht es um Verfahren, die - genau wie Parteipolitik, zivilgesellschaftliche Organisierung oder Straßenmobilisierung - sowohl in herrschaftsbewahrende oder gar -verschärfende Projekte als auch in emanzipatorische eingebunden werden können. So war etwa das vom Berliner Energietisch initiierte, leider knapp gescheitert Volksbegehren ein gutes Beispiel für eine direkt-demokratische Kampagne, (Siehe ak 601) Die Initiative zielte nicht nur auf eine sozial und ökologisch sinnvolle Energiepolitik ab, sondern zugleich auf die dauerhafte Ausweitung demokratischer Kontrolle in einem Feld, das alle betrifft und über das alle dauerhaft (mit)bestimmen sollten.

Holger Oppenhäuser arbeitet im Attac Bundesbüro und schrieb in ak 595 zusammen mit Ingo Stützle über die Wiederkehr des Souveränitätsbegriff.

Anmerkung:

1) In PROKLA 171 schrieb Holger Oppenhäuser ausführlich zum Thema »demokratische Querfronten«, den neuen Rechtspopulismus und die Ambivalenzen der direkten Demokratie.

Der neue Verein

mit dem Namen »Direkte Demokratie für Europa« soll »bürgernah« und »konservativ« sein, so die ehemalige PEGIDA-Sprecherin Kathrin Oertel. Zugleich versicherte sie: »Wir sind keine Gegenveranstaltung zu PEGIDA«. Kein Wunder, schließlich positioniere er sich »rechts neben der CDU«. Am 8.2. fand in Dresden die erste Kundgebung statt, zu der nur 500 Menschen zusammenkamen.