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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 602 / 17.2.2015

Augen auf beim Olympiakauf!

Aktion Die Stadt Hamburg wirbt mit fadenscheinigen Argumenten für eine Olympiabewerbung

Von Nicole Vrenegor

Man könnte meinen, Hamburg verfügt mit der Elbphilharmonie bereits über ein ausreichend großes und berühmt-berüchtigtes Milliardengrab. Mit Hamburgs Bewerbung um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 könnte jedoch ein noch viel größeres Mammutprojekt entstehen: Nach internen Schätzungen der städtischen Behörden könnten sich die Gesamtkosten für Olympia auf 15 bis 18 Milliarden Euro belaufen. Den Planungen zufolge soll die Binneninsel Kleiner Grasbrook das »olympische Herzstück« werden. Auf dem Gebiet, auf dem derzeit 1.221 Menschen wohnen, würde das Olympiagelände komplett neu entstehen.

Bei der Olympiade, die »keine Anwohnerproblematik« mit sich bringe, habe man es mit einem Konzept zu tun, das »organisch die Stadtentwicklung fortsetze«, erklärte hingegen Hamburgs Senator für Inneres und Sport, Michael Neumann (SPD), im Juli 2014. Dies müsse man nur noch den Hamburger Bürger_innen vermitteln - die nun im September im Rahmen eines Volksentscheids befragt werden sollen.

Bisher gab es in keinem Land, das über Olympische Spiele abstimmen ließ, eine Zustimmung für das Großevent. Können sich Olympiakritiker_innen also ganz entspannt zurücklehnen und den Bürgerentscheid einfach abwarten? Leider nicht, denn das, worüber der Senat abstimmen lässt, wird lediglich eine Olympia-light-Fassung sein: Zum Zeitpunkt des Bürgerentscheids kann die Stadt noch nicht einmal ihr fertiges Konzept mit allen anfallenden Kosten und Planungsrisiken präsentieren.

Nachhaltig, bescheiden, bezahlbar?

Die Initiative (N)Olympia Hamburg sammelt daher seit mehreren Monaten Zahlen, Daten und Materialien zu den möglichen Auswirkungen von Olympischen Spielen in Hamburg, die die bereits vorhandenen Verdrängungsentwicklungen in der Stadt für finanziell nicht sonderlich betuchte Menschen in dieser Stadt weiter verstärken dürften. Neben Hamburg will sich auch Berlin um die Ausrichtung der Olympischen Spiele bewerben - und auch dort wird Kritik laut. (Siehe Kasten) Den Hamburger Bürger_innen soll Olympia insbesondere mit drei gängigen Werbetricks schmackhaft gemacht werden.

1) »Hanseatisch bescheiden« und besonders nachhaltig sollen die Spiele sein. Sportsenator Michael Neumann wird dabei nicht müde, die Sommerspiele in London als Vorbild für Nachhaltigkeit zu loben. In London produzierten die Olympischen Spiele vom Planungsbeginn bis zur Abschlussveranstaltung 4,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen. 80 Prozent des Energieverbrauchs von Olympia 2012 speiste sich aus Atomkraftwerken. Nachhaltig geht irgendwie anders. Eine vergleichbare Menge würde für Hamburg viel dicke Luft bedeuten; zumal die Hansestadt schon jetzt über den EU-Grenzwerten liegt - vor allem rund um den emissionsintensiven Hafen, wo nun ausgerechnet der Hauptteil der zu bauenden Sportstätten liegen soll. Wenn die Stadt von Nachhaltigkeit spricht, meint sie vor allem dies: ein paar temporäre Stadien hier, eine vorausschauende Nachnutzung da, etwas weniger Stahl verbauen und am Ende auch einen hübschen Park übrig lassen.

2) Die Stadt Hamburg will mit den Olympischen Spielen nur das umsetzen, was sowieso schon seit langem auf der Agenda der Stadtentwicklung steht, lautet die zweite beliebte Argumentationsfigur. Ganz unabhängig davon, wie man hier den bisher eingeschlagenen Weg der Stadt bewertet, setzt man die Umsetzung von Stadtentwicklungsprojekten durch eine Kopplung an die Olympischen Spiele unter einen höchst bedenklichen Zeitdruck, der wiederum enorme Kosten mit sich bringt. Ein Grund, warum bei allen Olympischen Spielen von Montreal bis Rio die Kosten explodieren, liegt darin, dass bis zum glamourösen Auftakt alles fertig sein muss und daher jeder Preis gezahlt wird.

3) Kommen wir zum windigsten Argument: dem Versprechen, dass Hamburg sich finanziell nicht mit Olympia verheben werde. An Gesamtkosten hatte die Handelskammer anfangs die frei imaginierte Zahl von 6,5 Milliarden Euro in den Ring geworfen. Aber eigentlich wolle man sich gar nicht auf Zahlen festlegen, da dies zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich sei, erklärte Bürgermeister Olaf Scholz bei der ersten Präsentation des Hamburger Bewerbungskonzepts. Berlin ist da forscher und rechnet mit zwei Milliarden - all inclusive. Sportliche Ziele sind das, wenn man bedenkt, dass die letzten Olympischen Sommerspiele in London 11,3 Milliarden Euro verschlungen haben.

Nicole Vrenegor ist aktiv im Netzwerk Recht auf Stadt und bloggt bei nolympia-hamburg.de.

Olympia 2024 verhinden - in Berlin und überall!

Unter diesem Motto richtet sich die Initiative Olympia verhindern gegen eine Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele 2024 oder 2028. Sie kritisiert unter anderem, dass Olympia den Prozess von steigenden Mieten, Verdrängung und zunehmender Obdachlosigkeit verstärkt, Überwachung und Repression mit sich bringt sowie hohe Kosten für die Bevölkerung und Ausbeutung von Arbeiter_innen. Der Volksentscheid in Berlin soll am 13. September 2015 stattfinden. Nähere Infos unter olympiaverhindern.blogsport.de.

Einige Aufmerksamkeit erlangte Mitte Februar der Fall des Berliner Blogs metronaut.de. Dieser hatte (als Satire gekennzeichnete) Plakatmotive für die Olympischen Spiele 2024 veröffentlicht, die auf Motiven der ebenfalls in Berlin stattgefundenen Spiele von 1936 basierten. Auf die Bilder aus der NS-Zeit mit Soldaten und Hitlerjungen wurde das aktuelle Olympialogo »Wir wollen die Spiele!« montiert. Innerhalb weniger Stunden erhielten die Blogbetreiber_innen gleich zwei Abmahnungen, dass die Motive umgehend zu entfernen seien. Die Metronaut-Redaktion kritisierte dies als »Akt der Zensur«, der zeige, dass ein kritischer und offener Umgang mit der nationalsozialistischen Olympiavergangenheit Berlins offensichtlich nicht gewünscht sei. Gegenüber der Beliner Zeitung erklärte John F. Nebel, einer der Betreiber des Blogs: »Das zeigt doch nur, wie groß die Nervosität des Senats momentan ist.«