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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 602 / 17.2.2015

Aufgeblättert

Rechtspopulismus

Kurz vor der Hamburger Bürgerschaftswahl sagten Umfragen einen weiteren Erfolg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) voraus. Im vorigen Jahr konnte die Truppe um den Hamburger Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke in die Landtage von Thüringen (10,6 Prozent der Stimmen), Sachsen (9,7 Prozent) und Brandenburg (12,2 Prozent) sowie ins Europäische Parlament (7,1 Prozent) einziehen. Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hat in einer Broschüre zur AfD 15 Artikel zusammengetragen. Andreas Speit befasst sich mit den Erfolgen rechter und neofaschistischer Parteien in Europa. Alexander Häuser analysiert das Milieu, aus dem sich die AfD speist. Er macht drei politische Strömungen aus: ein wirtschafts- und neoliberales, ein nationalkonservatives sowie ein neurechtes Milieu. Ausführlich wird die Rolle von Hamburger Wirtschaftsprofessoren beleuchtet, die mit dem Hamburger Appell im Juni 2005 den Weg für eine rechte, neoliberale und marktradikale Partei ebneten. Eine Autorin befasst sich mit dem Band, das christliche Fundamentalist_innen und Lebensschützer_innen mit der AfD geknüpft haben. In dieser Szene wird gewettert gegen Schwangerschaftsabbrüche, sexuelle Aufklärung und gegen Schwule und Lesben. Weitere Beiträge behandeln die ehemalige Hamburger Rechtsformation Partei Rechtsstaatliche Offensive des Richters Ronald Schill, den AfD-Jugendableger Junge Alternative, die Finanzen der AfD sowie antimuslimischen Rassismus.

Florian Osuch

Rechtspopulismus ist keine Alternative! Broschüre zur Kritik der »Alternative für Deutschland«. 44 Seiten, kostenlos, PDF-Download: gewstudis.blogsport.de

John Heartfield

Kunst ist Politik - das ist aus marxistischer Perspektive eine Binsenweisheit, die aber mit Blick auf das politische Leben des Künstlers John Heartfield noch mehr zeigt: Kunst kann auch eine politische Waffe sein, scharf und wahrheitsverkündend, eng verknüpft mit Klassenkampf und Widerstand. Anthony Coles, der sich seit den 1960er Jahren mit John Heartfield beschäftigt, liefert mit dem vorliegenden Werk eine Gesamtdarstellung. Er räumt auf mit überlieferten, manchmal »lächerlichen, manchmal auch völlig widersinnigen Geschichten« über Heartfield, die vor allem auf Mythologisierungen durch dessen Bruder Wieland Herzfelde zurückzuführen sind. Ziel ist es, Heartfield »einem breitem und interessierten Publikum näherzubringen«. Coles wird dabei seinem eigenen Anspruch gerecht, Analyse zu betreiben und Heartfields Gesamtwerk vorzustellen. Die über 500 in den Text eingebundenen Abbildungen werden eingehend besprochen. Heartfield verfolgte eine »linksgerichtete, antibürgerliche und pazifistische Philosophie«. Er wurde vor allem für seine Arbeiten beim vom Bruder geleiteten Malik-Verlag bekannt, war Mitglied der KPD und lieferte für diese insbesondere in den 1920er Jahren zahlreiche Auftragsarbeiten. Zudem gehörte er der Dada-Bewegung an. Kunst war für ihn kein Selbstzweck, sondern Agitation gegen den Kapitalismus, und diente der »Verwirklichung des Kommunismus«. Coles sehr lesenswertes Buch berichtet detailliert von diesem Schaffen.

Sebastian Klauke

Anthony Coles: John Heartfield. Ein politisches Leben. Böhlau Verlag, Köln/Weimar/Wien 2014. 402 Seiten, 39,90 EUR.

Linkskommunismus

Der Historiker Marcel Bois hat auf knapp 600 Seiten eine umfassende Darstellung der relevanten Strömungen der kommunistischen Opposition in der Weimarer Republik vorgelegt. Darin zeigt er, dass das Gemeinsame dieser Strömungen nicht einfach zu benennen ist. Selbst die Ablehnung der Stalinisierung kann als kleinster gemeinsamer Nenner erst in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre geltend gemacht werden. Erschwert wurde ein gemeinsames Vorgehen der Opposition dadurch, dass einige führende Linkskommunist_innen wie Werner Scholem oder Ruth Fischer die Vorzüge der innerparteilichen Demokratie erst entdeckten, als sie in Opposition zur Mehrheit gerieten. Als Teil der Parteiführung hatten sie noch selber ausgiebig administrative Maßnahmen gegen vermeintliche Oppositionelle angewandt. Echte Pionierarbeit leistet Bois bei der Forschung über die Weddinger Opposition, einen vor allem aus dem Arbeiterradikalismus gespeisten linken Parteiflügel, der landesweit aktiv wurde. Die Parteiführung ging mit der gut verankerten Strömung vorsichtiger um als mit marginalen Oppositionsgruppen. Bois zeigt allerdings auch, dass vor allem in den frühen 1930er Jahren manche oppositionellen Kommunist_innen wieder die Nähe zur KPD suchten. Der große Vorzug seiner Arbeit besteht darin, dass er keine Heldengeschichte schreibt. So gibt er auch keine eindeutige Antwort auf die Frage, ob die dissidenten Kommunist_innen, hätten sie sich durchgesetzt, eine Alternative gewesen wären.

Peter Nowak

Marcel Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Klartext Verlag, Essen 2014. 613 Seiten , 39,90 EUR.

Erster Weltkrieg

In seiner Novellensammlung »Menschen im Krieg« hat Andreas Latzko (1876-1943) eigene Kriegserlebnisse zu verarbeiten versucht. Als Oberleutnant der Reserve in der österreichisch-ungarischen Armee an der Isonzo-Front eingesetzt, wurde er im August 1916 vorerst aus dem aktiven Militärdienst entlassen. Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) heißt das Krankheitsbild heute. Im Ersten Weltkrieg war meist von der »Zitterer-« oder »Schüttlerkrankheit« die Rede; vielfach wurden die Traumatisierten als Simulanten angesehen und mit Elektroschocks oder Eiswassergüssen »behandelt«. Als Latzko erneut einberufen wurde, blieb er in der Schweiz: ein Deserteur. Seine Schilderungen der Greuel an einem der schlimmsten Kriegsschauplätze des Weltkrieges sind nur schwer zu ertragen. Als sie noch während des Krieges zunächst in Zeitungen, dann als Buch erschienen, wurden sie von der Donaumonarchie umgehend verboten. Karl Kraus rief im Oktober 1917 die Leser_innen seiner Zeitschrift Die Fackel dazu auf, sich das Buch zu beschaffen. Und er glaubte damals »den Tag nicht mehr fern, an dem das offizielle Österreich stolz darauf sein wird, dass es durch diese Tat am Weltkrieg beteiligt war«. Latzkos schmerzhaft realistisches Antikriegsbuch wurde in viele Sprachen übersetzt. Im deutschen Sprachraum ist Andreas Latzko heute weitgehend vergessen. Nach der Neuherausgabe der Novellensammlung »Menschen im Krieg« durch den Elektrischen Verlag wird sich das hoffentlich ändern.

Daniel Ernst

Andreas Latzko: Menschen im Krieg. Novellen. Elektrischer Verlag, Berlin 2014. 131 Seiten, 12,90 EUR.