Nicht nur ein paar verrückte Don Quijotes
Aktion Die Aktivistinnen Miriam Edding und Judith Gleitze über den Kampf gegen das Sterben im Mittelmeer
Interview: Gabi Bauer
Die Seegrenze zwischen Nordafrika und Europa ist die mit Abstand tödlichste Grenze der Welt. Angesichts dessen gründeten Aktivist_innen vor einem halben Jahr eine Telefonhotline für Migrant_innen, um Alarm zu schlagen, wenn Flüchtlinge im Mittelmeer in Seenot geraten. Mit Miriam Edding vom Alarm Phone und Judith Gleitze von borderline-europe sprach ak über die Trennung zwischen politischer und humanitärer Arbeit, die Forderung nach verstärkter Seenotrettung sowie über Möglichkeiten, den politischen Druck zu erhöhen.
Miriam, du bist beim Alarm Phone aktiv. Wir hatten ja in ak 599 ein Interview zum Start des Projektes. Euer Projekt wird momentan immer bekannter, und ihr habt alle Hände voll zu tun. (Siehe Kasten) Wie schafft ihr es, das zu koordinieren? Ist das rein ehrenamtlich überhaupt noch machbar?
Miriam: Die Schichtteams unserer 24-Stunden-Hotline für Migrantinnen und Migranten, die auf ihrer Fahrt über das Mittelmeer in Seenot geraten, haben seit Anfang April tatsächlich alle Hände voll zu tun. Wir sind in unserer Arbeit quasi mit der von uns vorhergesehenen Katastrophe konfrontiert, die durch die Ablösung der italienischen Operation Mare Nostrum durch die Frontex-Operation Triton herbeigeführt wurde. Wohlgemerkt: Auch Mare Nostrum war unzureichend, und über 3.000 Migranten sind im Mittelmeer ertrunken. Trotzdem war die Entscheidung der EU, Triton nur vor den europäischen Küstengewässern einzusetzen und das Budget um zwei Drittel zu kürzen, ein angekündigtes Programm zum Ertrinkenlassen. Unsere politischen Forderungen gehen grundsätzlich viel weiter, als eine umfassendere Seenotrettung zu fordern und dabei auf militärische Strukturen zu setzen, wie auch Mare Nostrum eine war. Aber die Menschen sterben jetzt, und es wäre zynisch, sich aus grundsätzlichen politischen Erwägungen nicht für eine professionelle und adäquate Seenotrettung einzusetzen. Das vorweg. Angesichts des Ausmaßes des von uns geforderten Einsatzes kommt unsere rein aktivistische und ehrenamtliche Arbeit tatsächlich an ihre Grenzen. Es gibt Tage, an denen wir uns gleichzeitig um acht Boote in Seenot kümmern müssen. Die Medien fokussieren natürlich immer auf die größten Tragödien. Ein Boot zwischen Marokko und Spanien mit 60 Menschen an Bord ist dann keine Nachricht mehr wert. Obwohl der Sommer noch gar nicht begonnen hat, sind wir also vielleicht schon am Rande unserer Kapazitäten - auch was die Belastung angeht, ständig mit Menschen in absoluter Lebensgefahr zu sprechen und selber nicht die Mittel zu haben, um eine Rettung herbeizuführen. Selbst wenn uns gesagt wird, dass schon Wasser ins Boot läuft, können wir auch nicht mehr machen, als weiterhin bei den Küstenwachen anzurufen. Aber ich denke und hoffe, dass wir lernen, damit umzugehen, dass wir durch unsere Erfahrungen effektiver werden und dass sich mehr Menschen beim Alarm Phone engagieren. Andererseits ist mein Optimismus sehr begrenzt angesichts des unsäglichen Zehn-Punkte-Plans der EU, der im Wesentlichen eine Verstärkung derselben Instrumente vorsieht wie bisher, nämlich die Militarisierung bis in die Abfahrtsländer der Migranten hinein und den Kampf gegen Schlepper. Selbst militärische Interventionen in Libyen, um die Abfahrt der Migranten zu verhindern, und die Zerstörung der Boote werden immer lautstärker erwogen. Diese Szenarien, die mit erschreckender Vehemenz voran getrieben werden, stellen eine gravierende Eskalation der Militarisierung der Flüchtlingsabwehr dar und müssen unbedingt verhindert werden.
Judith, du arbeitest bei borderline-europe. Ihr schreibt auf eurer Seite: »Wir wollen dieses Schweigen brechen. borderline-europe wird deshalb den Vertuschungsversuchen der Behörden mit präzisen Recherchen in den Grenzregionen entgegenarbeiten.« Habt ihr das Gefühl, dass ihr gehört werdet?
Judith: Ich denke schon, dass unsere inzwischen ins neunte Jahr gehende Arbeit Früchte trägt. Wir werden sehr oft für Veranstaltungen angefragt und bekommen zudem sehr viele Anfragen inhaltlicher Art. Die Menschen reagieren also auf das, was wir veröffentlichen, und möchten mehr wissen. Sie nehmen die Stimme von borderline-europe als Gegeninformation ernst. Auf der politischen Ebene sieht es natürlich nochmal anders aus. Wer die Festung Europa für sich als Ziel festgelegt hat, ist nicht willens, davon abzurücken. Dementsprechend ist es auch für uns - wie für viele andere NGOs, Gruppen und Bewegungen - schwierig, auf europäischer Ebene Dinge zu bewegen. Dennoch: Der private Aufschrei Einzelner - zum Beispiel in Form des maltesischen Projekts MOAS oder der deutschen Sea-Watch (siehe ak 604) - zeigt, dass wir nicht einfach nur ein paar verrückte Don Quijotes sind, sondern dass diese todbringenden Grenzen sehr wohl viel mehr Menschen zuwider sind.
Wie geht ihr damit um, dass Initiativen wie das Alarm Phone oder Sea-Watch Gefahr laufen, Verantwortung für ein gesellschaftliches Problem auf ehrenamtliche Tätigkeit abzuschieben und dadurch sozusagen zu privatisieren?
Miriam: Ich würde unsere Arbeit nicht als »ehrenamtliche Tätigkeit« im klassischen Sinn beschreiben, obwohl die unbezahlte Übernahme eigentlich staatlicher Verantwortung natürlich diese Assoziation auslösen kann. Wir sehen uns als gesellschaftliche Akteure, die politisch und eben nicht privat handeln, um das aktuelle Grenzregime nicht nur anders zu denken, sondern auch durch konkrete Aktionen einen utopischen Überschuss aufscheinen zu lassen à la: »So könnte die Gesellschaft auch handeln.« Das ist natürlich eine Selbstermächtigung. Angesichts dessen, dass die Politik nicht handelt beziehungsweise schlimmer: in die völlig falsche Richtung handelt, wollen wir zeigen, dass es Basisinitiativen von unten gibt, die aktiv werden und diese tödlichen Zustände nicht länger hinnehmen wollen. Und die diese Arbeit transnational, über Grenzen hinweg und mit Beteiligung von Menschen organisieren, die selber ihr Leben riskieren mussten, um nach Europa zu kommen. Eine strikte Trennung zwischen politischer und humanitärer Arbeit ist meiner Meinung nach angesichts der Realität der Migration nicht möglich. Außerdem sehe ich im Moment nicht die Gefahr, dass selbst der vernageltste Innenpolitiker ernsthaft glaubt, einer Notrufhotline für Migranten die Verantwortung für das Überleben von Tausenden Flüchtlingen zuschieben zu können. Kontrolle von unten ist dabei zusätzlich ein wichtiger Aspekt: Watch the Med, unser Schwesterprojekt, zielt durch die Dokumentation der missglückten, zu späten oder gar nicht durchgeführten Rettungsmaßnahmen auf eine öffentliche Kontrolle der Rettungskräfte, seien sie militärisch organisiert wie Triton und Mare Nostrum oder Programme zur Seenotrettung wie die spanische Salvamento Maritima. Es geht also nicht darum, eigentlich staatliche Maßnahmen zu ersetzen, sondern Transparenz und Öffentlichkeit darüber zu verlangen und herzustellen, um die Seenotrettung für Flüchtlinge professionell und effektiv zu gestalten, solange es keine grundsätzliche Politikveränderung gibt.
Judith: Wir haben bei borderline-europe nicht so explizit über diese Frage gesprochen, problematischer sehen wir eher, dass Projekte wie die Sea-Watch, die ja eng mit uns kooperiert, auch bei einer Rettungsaktion scheitern könnten. Was, wenn vor ihren Augen Menschen ertrinken? Nicht, dass das nicht auch der Küstenwache passiert, leider gibt es davon ja mehrere Fälle. Aber in der Verantwortung zu sein, der »Retter« zu sein, und vor dir springen die Menschen ins Wasser, weil sie das rettende Schiff erreichen wollen und du kannst es nicht verhindern, das ist eine große Verantwortung. Das bedeutet nicht, dass man es deshalb nicht tun sollte, im Gegenteil, aber es gibt zu denken. Insgesamt sehe ich in der Arbeit des Alarm Phones oder der Sea-Watch keine Privatisierung eines Problems. Die Küstenwachen sind in den meisten Staaten sehr wohl gewillt, Migrantinnen und Migranten zu retten, wir sind damit also nicht allein. Das gesellschaftliche Problem beginnt doch viel früher, ist viel komplexer. Die Rettung auf See ist der letzte Schritt, einen Tod auf Raten zu vermeiden. Eine Art Privatisierung läuft auf einer ganz anderen Ebene ab: in der ökonomischen Ausbeutung von Ländern, deren Bewohner dann fliehen, in der Unterstützung von politischen Machthabern, die ihre Bevölkerung knebeln, in der dann folgenden Abschottung der eigenen Grenzen. Macht und wirtschaftlicher Vorteil werden von einigen wenigen privatisiert und von der EU akzeptiert und gefördert. Nehmen wir das Beispiel »arabischer Frühling«: Viele EU-Staaten fürchteten sich vor der Absetzung einiger der Diktatoren. Speziell Italien versuchte bis zum Schluss, Gaddafi und auch Ben Ali zu halten, da diese seinen wirtschaftlichen Interessen dienten. Dann jedoch ging der Aufschrei des »Kampfes für die Demokratie« durch alle Reihen, man konnte sich dem nicht entziehen, plötzlich also wurde Hurra geschrien, als die Diktatoren gestürzt wurden. Doch die Folgen des Umsturzes wollte niemand tragen - die Grenzen wurden immer dichter gemacht, um eigene ökonomische Interessen zu wahren. Das ist für mich die wahre Privatisierung.
Miriam: Ähnlich wie die Sea-Watch-Crew setzen wir daher auf die wachsende Empörung bei vielen Menschen auch innerhalb Europas, die diese tödliche Politik zutiefst beschämt und wütend macht und die nicht länger nur zuschauen, reden und anklagen wollen. Auch das Winter-Notwohnprogramm für die Hamburger Lampedusa-Gruppe zielte in die Richtung: Ja, wir wollen eine grundsätzlich andere Politik. Und eigentlich ist es eine gesellschaftliche oder in diesen Fällen eine staatliche Aufgabe, diese herbeizuführen. Aber bis dahin schauen wir nicht zu, wie Menschen ertrinken oder auf der Straße leben müssen, wir organisieren einen Gegenentwurf zu diesen Zuständen.
Judith: Dass Projekte wie das Alarm Phone oder die Sea-Watch nicht geliebt werden, ist klar, aber inzwischen kann man sich dem Wandel nicht mehr entziehen: Menschen so offensichtlich sterben zu lassen geht nicht mehr, wenn man vorher die »demokratischen Veränderungen« begrüßt hat. Europa befindet sich also in einer Zwickmühle - abschotten und retten zugleich. An den zögerlichen Verhandlungen erkennt man ja bestens das wahre Gedankengut. Da wollen wir aber nicht zuschauen. Uns geht es um mehr als um eine humanitäre Rettung, und somit fühlen wir uns auch nicht als Stellvertreter einer eigentlich staatlichen Angelegenheit. Uns geht es um wirkliche Bewegungsfreiheit, um legale und sichere Einreisewege, wie es auch der Aufruf »Fähren statt Frontex« besagt.
In den ersten Monaten dieses Jahres starben laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) schon mehr als 1.750 Menschen im Mittelmeer. Die tatsächliche Zahl ist mit Sicherheit wesentlich höher, weil unendlich viele Versuche, über das Mittelmeer zu kommen, schon vor Küsten enden, die nicht in der Beobachtung enthalten sind. Reichen eine Telefonnummer und die Dokumentation des Geschehens angesichts dessen aus?
Miriam: Nein, das Alarm Phone kann gar nicht ausreichen. Den Anspruch oder diese Selbstüberschätzung haben wir auch nicht. Um das Sterben im Mittelmeer zu verhindern, ist eine grundsätzliche Umkehr der europäischen Politik notwendig. Nur wenn legale Einreisemöglichkeiten geschaffen werden, wird sich die Situation ändern. Auf den Zehn-Punkte-Plan der EU hat das Alarm Phone mit einem eigenen Zehn-Punkte-Plan reagiert. Punkt acht lautet: »Aus diesen Gründen fordern wir die Einsetzung einer humanitären Fährverbindung, die so viele Menschen wie möglich aus Libyen evakuieren soll.« Diese Forderung teilt übrigens auch der UN-Berichterstatter für Flüchtlinge, Francois Crépeau. In einem Interview zur aktuellen Katastrophe erzählt er, er haben schon vor ein paar Jahren gegenüber einem IOM-Mitarbeiter Fähren zwischen Djibuti und dem Jemen gefordert, um die Tausenden Flüchtlinge zu retten, die dort jedes Jahr ertrinken. Keiner würde mehr sterben, die Schleuser wären von einem Tag auf den anderen arbeitslos, und billiger als die militärischen und administrativen Maßnahmen der Flüchtlingsabwehr wäre es allemal.
Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung kritisierte jüngst in einem Artikel, Seenotrettung sei letztlich eine auf Abschreckung durch vorverlagerte Präsenz ausgerichtete Militäroperation und liege nicht zuletzt im Interesse der italienischen Außenpolitik begründet, neue Handlungsfelder für ihr Militär zu erschließen. Wie steht ihr zum in den letzten Wochen von verschiedensten Seiten geforderten Ausbau der Seenotrettung?
Judith: Seenotrettung an sich ist keine militärische Operation. Mare Nostrum war eine militärische Mission der Italiener, die wir auch als solche verurteilt haben. Mit Militärschiffen und der Ansage »Mission zur Rettung und zur Bekämpfung der Schlepper« Flüchtlinge auf dem Mittelmeer retten zu wollen, sehen wir ebenfalls kritisch. Doch auch Mare Nostrum wurde letztendlich von den Ereignissen überrollt - die Marine hat eine gute Rettungsarbeit geleistet. Die Toten konnte sie aber auch nicht verhindern, und das zeigt, dass die Wurzel des Problems natürlich eine andere ist. Schleuser gibt es, solange es geschlossene Grenzen und keine legalen Einreisewege gibt. Gäbe es diese, wären sie arbeitslos.
borderline-europe fordert Fähren statt Frontex, andere Initiativen Visa für alle, Grenzen auf oder keine Verlagerung des Anerkennungsverfahren in die Herkunftsländer. Wer wäre Adressat, wer Akteur für diese Forderungen, und was für Möglichkeiten gibt es, den politischen Druck zu erhöhen?
Judith: Wer Grenzschutz vor den Schutz von Menschenrechten stellt, ist verantwortlich für das, was an den Außengrenzen geschieht: diverse Politiker und Politikerinnen, Ordnungskräfte, Frontex. Sie werden unterstützt von Menschen, die als Kleingeister ihren Wohlstand - der nicht selten auf der Ausbeutung anderer beruht - wahren und auf gar keinen Fall teilen wollen; von Menschen, für die Vertreibung, Krieg, Hunger längst vergessene Etappen der eigenen Geschichte sind, die sie am liebsten verdrängen wollen. Politischen Druck kann man dann erhöhen, wenn die Zivilbevölkerung dem Sterben an den Grenzen nicht mehr zuschauen möchte - durch Projekte wie das Alarm Phone, Sea-Watch und andere. Stimmen, die sich für ein Willkommen aussprechen, Menschen, die aufstehen und sich wehren, sind die Basis der Veränderung. Hier müssen wir ansetzen. Das ist der Weg, den politischen Druck zu erhöhen.
Die Menschen fliehen vor politischer Unterdrückung, Krieg, Gefahr für Leib und Leben, Landraub oder den Folgen des Klimawandels. Was können wir hier tun, damit das Recht zu bleiben, aber auch das Recht zu gehen für alle Menschen gilt?
Judith: Das habe ich eingangs schon erwähnt - wir in der westlichen Welt tragen für sehr viele wirtschaftlichen Zustände in den Herkunftsländern eine große Mitschuld. Solange wir davor die Augen verschließen, ist es schwer, Dinge zu ändern. Wir hier müssen uns viel mehr gegen die Ausbeutung durch multinationale Konzerne zur Wehr setzen. Zudem muss Reisefreiheit für alle garantiert sein. Warum kann ich mir ohne Probleme ein Flugticket nach Tunesien kaufen, ein Tunesier aber darf mich nicht ohne großen Visumsaufwand besuchen? Warum gehen wir immer davon aus, dass alle hier bleiben wollen? Wurde das nicht auch behauptet, als Polen der EU beigetreten ist? Was für eine Panikmache gab es damals, dass nun alle Polen in Deutschland leben wollen würden. Kam es letztlich so? Sprechen wir doch mal mit den syrischen Flüchtlingen und nicht immer nur über sie, dann werden wir merken, dass die meisten von ihnen gern zu Hause geblieben wären. Krieg kann es immer geben, Armut und Naturkatastrophen auch. Hören wir endlich auf, auf die Gnade der europäischen Geburt zu pochen. Es ist doch nur ein Zufall, wo mensch geboren wird, und nur zufällig hat uns das Elend nicht getroffen.
Miriam Edding arbeitet für die Stiftung :do und als Aktivistin zur Situation an den europäischen Außengrenzen. Judith Gleitze gründete 2007 gemeinsam mit weiteren Personen borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen und arbeitet seit 2009 in der Außenstelle Sizilien.
Nähere Infos: www.watchthemed.net, www.borderline-europe.de
Fähren statt Frontex!
Beim Alarm Phone sind aktuell 80 bis 100 Helfer_innen aus verschiedenen Ländern im Einsatz, die in 20 Schichtteams arbeiten. Einige von ihnen sind selbst Flüchtlinge, die mit Booten nach Europa kamen. Die meisten Notrufe kommen aus der Gegend zwischen Libyen und Italien, es gibt aber auch Anrufe von Booten zwischen Marokko und den Kanarischen Inseln sowie zwischen der Türkei und Griechenland. Der viel ungefährlichere und billigere Weg per Flugzeug ist Flüchtlingen versperrt: Eine EU-Direktive verpflichtet Fluglinien, die einen Passagier ohne die gültigen Papiere in die Europäische Union bringen, die Kosten für den Rücktransport zu bezahlen. Damit hat die EU die Entscheidung darüber, wer ein Flüchtling ist, an die Fluglinien und ihr Check-in-Personal ausgelagert, das Anerkennungsverfahren auf wenige Minuten verkürzt und die Ablehnungsquote auf 100 Prozent hochgeschraubt.
In einer Erklärung mit dem Titel »Fähren statt Frontex!« schreibt die Alarm-Phone-Initiative daher folgendes: »Wir wissen, dass keine Auslagerung von Asylzentren und Grenzkontrollen, keine Ausweitung der Rettungsverpflichtung, keine Intensivierung der Überwachung und der Militarisierung das Massensterben im Meer beenden wird. Alles, was wir dafür kurzfristig brauchen, sind legale Einreisemöglichkeiten und Fähren.«