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Offene Offene Beziehung mit Euro?
Ein Ausstieg aus dem Euro ist rechtlich eigentlich nicht möglich. Deshalb wird in den letzten Wochen eine scheinbar softere Variante ins Spiel gebracht: Athen könnte doch eine Parallelwährung einführen, also eine zweite Währung, die neben dem Euro gilt. Die Tageszeitung Die Welt berichtete, vor dem Treffen der Eurofinanzminister_innen in Brüssel am 11. Mai 2015 hätten die Unterhändler_innen der Gläubigerstaaten nicht mehr ausschließen können, dass Griechenland eine Parallelwährung einführen muss. Wie kann man sich das vorstellen?
Wenn die Hilfszahlungen der Troika ausbleiben, ist die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands die unmittelbare Folge - sofern Athen sich nicht woanders Geld besorgen kann. Bisher hält sich Athen mit allerlei Notmaßnahmen über Wasser. Ohne Geld könnte auch der griechische Staat nichts mehr bezahlen - weder Zinsen noch Gehälter für Staatsbedienstete. Aber er könnte Schuldverschreibungen ausgeben, sogenannte IOUs, was phonetisch für »I owe you« (Ich schulde Ihnen) steht, - also ein Versprechen auf spätere Zahlung. Dieses könnte Geldfunktionen übernehmen, solange daran geglaubt wird, dass die Einlösung des Versprechens realistisch ist - und zwar in Euro; schließlich verbrieft der Titel ein Zahlungsversprechen in dieser und keiner anderen Währung.
Ob das ein Ausweg sein kann, bei gleichzeitigem Verbleib in der Eurozone, ist jedoch mehr als fraglich - auch wenn anderenorts durchaus einmal Ähnliches praktiziert wurde. Etwa in Kalifornien, als Arnold Schwarzenegger, Gouverneur des Bundesstaates, 2009 Schuldscheine drucken ließ, statt die Steuern zu erhöhen, um damit etwa Pensionsversicherungen und Beamtengehälter zahlen zu können. In Kalifornien standen hinter den IOUs die US-Zentralbank Fed sowie der US-Zentralstaat, sodass nach wenigen Monaten »richtiges Geld« eingelöst werden konnte, nachdem Schwarzenegger wieder Geld zur Verfügung hatte. Nie wurde darüber spekuliert, ob Kalifornien aus dem US-Dollar fliegt.
In Griechenland kommen die Schuldscheine jedoch einem Euroaustritt gleich. Hinter den Schuldscheinen stünde nämlich nicht die EZB, niemand würde die IOUs freiwillig akzeptieren, der Staat müsste dazu zwingen. Nur wie? Gezwungen werden könnten nur diejenigen, die ihre Einkünfte in den Zahlungsversprechen ausgezahlt bekommen (Staatsbeamte, Rentner_innen). Eine andere Form des Zwangs besiegelt de facto eine neue eigene Währung. Athen könnte die IOUs als allein gültiges Zahlungsmittel festschreiben, den Gebrauch von Euros verbieten und beschließen, dass Steuern mit den Schuldscheinen beglichen werden sollen. Mangels Akzeptanz würde jedoch schnell ein Preisverfall der Schuldscheine einsetzen. Obwohl ein IOU vielleicht auf 100 Euro läuft, wäre er nur noch 50 Euro oder weniger wert. Kaum jemand ginge noch davon aus, dass das Versprechen, 100 Euro zu bekommen, auch eingelöst wird. Alle, die gezwungen wären, die Schuldscheine zu akzeptieren, würden versuchen, sie schnell in Euro umzutauschen. Die damit einhergehende wachsende Angst vor einem Grexit würde zu einem Bankrun führen, das Bankensystem würde zusammenbrechen. Weder Zentralbank noch Staat hätten eigenes Geld, es zu stützen.
Eine Parallelwährung wäre also keine Alternativlösung, sondern ein Einstig in den Ausstieg - ohne Vorteil für Athen. Die Schulden Griechenlands würden weiterhin in Euro laufen. Damit käme die neue Währung und deren Abwertung einer gewachsenen Schuldenlast gleich. Die Wirtschaft wäre von dem in der Zirkulation befindlichen Geld abhängig. Es dürfte aber kaum verliehen werden - weder in Euro noch in anderen Formen von Zahlungsversprechen. Rechnungen würden nicht bezahlt und die Wirtschaft völlig einbrechen. Die Verarmung der Bevölkerung setzte sich fort. Zudem würden sich alle Importe verteuern und damit die Inflation anfeuern. Denn eine Abwertung der eigenen Währung, wie sie südeuropäische Länder in den 1970er Jahren vornahmen, führt nicht unbedingt zu weniger Konkurrenzdruck. Und nicht zuletzt wäre Griechenland weiterhin von der Geldpolitik der EZB abhängig wie alle europäischen Länder vor dem Euro von der Politik der Bundesbank - so zum Beispiel beim Zinsniveau, das ansteigen müsste, um die Kapitalflucht zu verhindern. Diese Hochzinspolitik würde die griechische Wirtschaft weiter abwürgen.
Alles unwahrscheinlich? Nicht, wenn man Schäuble zuhört, der in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sagte: »Das wäre vielleicht sogar eine richtige Maßnahme, das griechische Volk entscheiden zu lassen, ob es das, was notwendig ist, bereit ist zu akzeptieren oder ob es das andere möchte« - was »das andere« sein soll, kann man ahnen.
Ingo Stützle