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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 608 / 15.9.2015

Bayerische Verhältnisse

Rechte Mobilisierung Hanna Smuda über das erste Sonderlager für Flüchtlinge aus Balkanstaaten

Interview: Sebastian Friedrich

Am 1. September 2015 wurde in Manching bei Ingolstadt das erste Abschiebezentrum eröffnet. In Kürze soll in Bamberg ein weiteres eröffnet werden. Hanna Smudo vom Bayerischen Flüchtlingsrat kritisiert diesen Vorstoß der Seehofer-Regierung.

Was ist das Besondere an den Sonderlagern?

Hanna Smudo: In den Sonderlagern werden Flüchtlinge untergebracht, die aus den Balkanstaaten geflohen sind. Die Lager sollen dazu dienen, eine schnellere Abschiebung zu bewerkstelligen. Eigentlich muss bei jedem Asylantrag genauestens geprüft werden, ob Fluchtgründe vorliegen. Wir befürchten, dass es in den Sonderlagern nur oberflächliche Befragungen zu den Fluchtgründen gibt und die Befragten zu wenig Zeit haben werden, sich auf diese Gespräche vorzubereiten. Es soll spätestens nach drei Tagen eine Anhörung stattfinden. Das ist für eine angemessene Beratung und Vorbereitung viel zu wenig Zeit.

In den Sonderlagern ist außerdem eine Außenstelle des Verwaltungsgerichts untergebracht, sodass die Geflüchteten direkt nach ihrer Ablehnung quasi ins nächste Büro gehen können, um gegen den Bescheid zu klagen. Es bedarf einer fachkundigen Beratung, damit die Klage überhaupt eine kleine Aussicht auf Erfolg haben kann. Dafür ist Unterstützung von Menschen notwendig, die sich sehr gut im Asyl- und Ausländerrecht auskennen. Aber NGOs, Beratungs- und Flüchtlingsorganisationen haben keinen Zutritt zu den Sonderlagern. Wie sollen die Menschen dort an unterstützende Anwälte kommen? Ein faires Verfahren ist damit von vornherein ausgeschlossen.

Die Einrichtung von Sonderlagern wurde bereits im Sommer auf einer Konferenz der Ministerpräsidenten der Länder beschlossen. Bayern ist nun das erste Bundesland, in dem das umgesetzt wird. Stehen die Sonderlager für spezielle bayerische Verhältnisse?

Die CSU hat sich bisher nicht hervorgetan, besonders asylfreundlich zu sein. Das zeigen etwa die Äußerungen von Bayerns Finanzminister Markus Söder. Anfang Juli forderte er die Abschaffung des monatlichen Taschengelds für Flüchtlinge. Er meinte, dass die Menschen aus dem Balkan nur wegen des Taschengeldes nach Deutschland kämen. Ständig ist die Rede von Asylmissbrauch und Wirtschaftsflüchtlingen. Wir gehen davon aus, dass die CSU auf dem Rücken der Flüchtlinge aus den Balkanstaaten auf Wählerfang geht, indem sie den rechten Rand der Gesellschaft bedient. Dabei ist die Zahl derer, die aus den Ländern des Balkans kommen, eklatant gesunken, wie Pro Asyl kürzlich aufgezeigt hat. Demnach kamen im Februar knapp 43 Prozent der Flüchtlinge aus dem Kosovo. Im Juli gehörte das Kosovo ebenso wie Montenegro und Bosnien-Herzegowina allerdings nicht einmal mehr zu den zehn wichtigsten Herkunftsländern. Es ist außerdem zu bezweifeln, dass tatsächlich das Verfahren beschleunigt wird. Wir haben Berichte von Menschen aus dem Kosovo, die seit Monaten in Erstaufnahmeeinrichtungen leben müssen und jetzt in das Sonderlager nach Manching verlegt wurden. Das zeigt, dass es sich um ein Maulheldentum der CSU handelt. Zwar behaupten sie, alles würde schneller gemacht werden, aber wahrscheinlich geht es nur darum, die Leute von einem Ort zum anderen zu schieben. Egal, ob in den Sonderlagern oder in den bisherigen Einrichtungen: Es wird den Menschen schwer gemacht, aus den Erstaufnahmeeinrichtungen auszuziehen.

Wenn es um Flüchtlinge aus den Balkanstaaten geht, wird häufig vonseiten der offiziellen Politik mit zur Schau gestelltem Bedauern festgestellt, sie hätten keine Bleiberechtsperspektive. Warum bedauern die Politikerinnen und Politiker denn etwas, das Folge politischer Entscheidungen ist?

Ich unterstelle der Politik, dass kein echtes Bedauern vorliegt. Die schlechte Bleiberechtsperspektive ergibt sich aus der Verschärfung des Asylrechts in den 1990er Jahren, als die Asylgründe äußerst eng gefasst wurden. Die Politiker argumentieren, dass die Ablehnungsquote der Asylanträge bei diesen Flüchtlingen bei fast 100 Prozent liegt. Es gibt unter den Geflüchteten viele Roma, die nachgewiesenerweise in den Herkunftsländern diskriminiert und verfolgt werden. Daher bestehen durchaus Fluchtgründe. Wäre das Bedauern echt, müsste die offizielle Politik konsequent sein und das Asylgesetz ändern. Ganz ohne Bedauern greift die Politik jetzt auf eine Möglichkeit zurück, die vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte einen sehr faden Beigeschmack hat. Viele der Geflüchteten aus den Balkanstaaten sind Roma, eine Gruppe, die bekanntlich im Nationalsozialismus in Lager gesteckt, verfolgt und ermordet wurde. Das kann nicht einfach weggewischt werden.

Ist es ein Widerspruch, dass einerseits Flüchtlinge willkommen geheißen und andererseits schnellere Abschiebungen für einige Flüchtlingsgruppen gefordert werden?

Das warme und herzliche Willkommen kommt vor allem von Bürgern und Ehrenamtlichen, die schnell aktiv geworden sind und sich engagiert haben. Wir begrüßen es auch, dass Bundeskanzlerin Merkel die Grenzen geöffnet hat und die Menschen unbürokratisch hier herkommen konnten. Es ist auch positiv zu bewerten, dass am Hauptbahnhof in München keine Registrierungen stattfinden und die Ankommenden als erstes etwas zu essen und Kleidung erhalten sowie medizinisch versorgt werden. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass die Bundesregierung das instrumentalisieren kann. Es geht sicher auch viel um Politik innerhalb Europas, wenn Deutschland jetzt damit für Aufsehen sorgen kann, Flüchtlinge aufzunehmen. Auffällig ist, dass auch aktuell wieder zwischen erwünschten und unerwünschten Flüchtlinge unterschieden wird. Für die syrische Familie, die vor Bomben fliehen musste, kann man vielleicht mehr Sympathien aufbringen als für diskriminierte Menschen aus dem Balkan, die sich angeblich nur in die Sozialsysteme schleichen wollen.