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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 611 / 15.12.2015

Die Punks aus der Nachbarschaft

International In Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur soll ein Stadtteil einem Highway weichen

Von Mathilda Keller

»Diese Umgehungsstraße muss gebaut werden, und sie wird gebaut!«, sagte Mr. Prosser. »Ich höre zum ersten Mal davon«, sagte Arthur Dent, »warum muss sie denn gebaut werden?« Mr. Prosser drohte ihm ein kleines bisschen mit dem Finger. »Was soll das heißen, warum muss sie denn gebaut werden?« fragte er. »Es ist eine Umgehungsstraße. Und Umgehungsstraßen baut man eben.« Szenen wie diese aus Douglas Adams' Buch »Per Anhalter durch die Galaxis« gibt es vermutlich tagtäglich irgendwo auf der Welt. Nicht immer liegt der Protestierer, wie im Fall von Arthur Dent, dabei im Matsch seines Vorgartens vor einem Bulldozer. Und vermutlich wird die Szenerie in den seltensten Fällen durch das Auftauchen einer Vogonen-Flotte abrupt beendet, bei dem der Galaktische Hyperraum-Planungsrat per Lautsprecherdurchsage mitteilt: »Wie Ihnen zweifellos bekannt sein wird, sehen die Pläne zur Entwicklung der Außenregionen der Galaxis den Bau einer Hyperraum-Expressroute durch Ihr Sternensystem vor, und bedauerlicherweise ist Ihr Planet einer von denen, die gesprengt werden müssen.«

Der Highway ist keine Lösung

Eines jedoch haben die meisten Expressrouten gemeinsam: Sie lösen nicht das Problem wachsenden Verkehrs. Im Gegenteil, schon seit Langem belegen Untersuchungen, dass das Verkehrsaufkommen durch Umgehungsstraßen in den meisten Fällen steigt. Das weiß auch auch Man Beranak aus Malaysia. »Der Verkehr hier in Kuala Lumpur ist wirklich schlimm«, sagt er. »Aber der Highway ist da keine Lösung, helfen würde vielmehr der Ausbau des öffentlichen Transports.« Ähnlich wie bei Arthur Dent soll auch bei Man Beranak die Umgehungsstraße durch »sein« Haus führen: das alternative Zentrum Rumah Api im Stadtteil Pekan Ampang. Sungai Besi-Ulu Klang Elevated Expressway, kurz SUKE, nennt sich das Projekt, dem große Teile von Pekan Ampang zum Opfer fallen sollen.

Es ist ein Stück altes Kuala Lumpur (KL), das man hier findet. Zweistöckige Gebäude aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In vielen von ihnen sind noch alte Familienbetriebe, mit Ladengeschäft unten und Wohnräumen oben. Nur wenige Kilometer entfernt glitzert das neue KL mit seinen Shopping Malls und den Petronas Twin Towers.

»Wir kämpfen weiter«

Umziehen, das kann sich hier in Pekan Ampang kaum jemand vorstellen. Und leisten können es sich die meisten ebenfalls nicht. »Wo sollen sie denn leben?«, fragt Syahida Nawar gegenüber der Onlinezeitung Malaysiakini. Denn, so erzählt mir Man Beranak, der Highway wird nicht nur viele Menschen aus ihren Häusern vertreiben, sondern es sind auch nur sehr niedrige Entschädigungen vorgesehen. Zu niedrig, um sich in der immer teurer werdenden Stadt eine neue Existenz aufzubauen. »Deswegen ist unser Plan, weiter gegen den Highway zu kämpfen!«, sagt Man. Das tun mittlerweile einige im Stadtteil, es gibt Petitionen, Versammlungen und Aktionen. Viele verschiedene Initiativen sind beteiligt - unter ihnen auch das »KL Punk House«, in dem Man Beranak aktiv ist.

Von der Hauptstraße aus, der Jalan Ampang, ist das Rumah Api kaum zu erkennen. Der eigentliche Eingang befindet sie auf der Rückseite des Gebäudes, eine Tür, ein Balkon, darunter ist recht klein zu lesen: Rumah Api, wörtlich: das Feuerhaus. Diesen Namen trägt es, seitdem im Jahr 2010 Malay Power Skinhead, also rechte Nationalist_innen, den Eingang des Hauses anzündeten. Man könnte es aber auch mit »Leuchtturm« oder »Aufstandshaus« übersetzen. Drinnen an den Wänden finden sich diverse Graffitis. »Rumah Api ist Teil einer größeren Bewegung von D.I.Y.-Punk-Kultur und antiautoritärem Widerstand«, steht da beispielsweise. »Folge keinem Führer, mische dich ein, sei achtsam« und: »Steh auf gegen Unterdrückung«.

D.I.Y., also »do it yourself«, wird hier praktisch gelebt. Unten gibt es einen großen Konzertraum, im oberen Stockwerk ist der Pustaka Semesta Infoshop zuhause. Hier gibt es neben Musik und T-Shirts auch Zeitschriften, Bücher und Flugblätter. Regelmäßig wird bei Food-Not-Bombs-Aktionen Essen für all jene gekocht und verteilt, die es sich sonst nicht leisten können. »Hier in der Nachbarschaft vom Rumah Api sind wir wirklich akzeptiert«, erzählt Man. »Für die Food-Not-Bombs-Aktionen bekommen wir kostenlos Gemüse vom Markt um die Ecke.« Man hält es durchaus für möglich, dass sie einen neuen Ort finden könnten, um mit dem Rumah Api weiterzumachen. »Aber so ein Haus wie dieses hier?«, sagt er, »das wird sehr schwierig«. Momentan ist die Miete niedrig, das Haus dafür riesig und der Vermieter den Leuten vom Rumah Api wohlgesonnen. »Finde mal woanders Nachbarn, die sich nicht aufregen, wenn wir laute und krachige Musik spielen.« Bei Konzerten geht es in der Tat auch mal schepperig zu. Dabei ist das Haus weit über die Grenzen von KL bekannt: Bands aus Singapur oder Indonesien, aus Australien oder Europa und natürlich aus Malaysia spielen hier - laut, schnell und subkulturell.

Räumung im Januar 2016?

Das Rumah Api ist nicht der einzige Ort in und um KL, an dem D.I.Y.-Projekte entstanden sind. Ganz in der Nähe gibt es ein befreundetes Haus mit einer Siebdruckerei, es gibt die Kunstgalerie Findars in Chinatown und D.I.Y.-Plattenläden wie Tandang, Basement Records oder Teenage Head. Auch für Konzerte gebe es noch einen anderen Veranstaltungsort, erzählt Man Beranak, auch wenn das kein Punkladen ist.

Trotzdem bleibt das Rumah Api einzigartig. Und Man stellt klar: »Wir wollen nicht irgendwo anders hinziehen!« Deswegen verteilen er und die anderen vom Rumah Api Anti-Highway-Plakate, die die Menschen an ihrem Haus oder in ihrem Geschäft aufhängen können. »Wir bitten sie, die Petition zu unterschreiben, wir wenden uns an die Medien, machen Pressekonferenzen, wir versuchen, den Staatsminister unter Druck zu setzen.« Bei all dem ist noch immer nicht ganz klar, wann das Highway-Projekt denn eigentlich umgesetzt werden soll. »Vor kurzem habe ich gehört, dass sie uns wahrscheinlich jetzt im Januar 2016 aus dem Haus raus haben wollen. Unser Vermieter sagt, sie wollen im Jahr 2018 mit dem Bau des Highway anfangen. Von anderer Seite heißt es, dass es im Juni 2016 losgehen soll«, so Man. »Ich weiß nicht, welche Geschichte stimmt. Wir werden sehen.«

Ob sie denn von staatlicher Seite aus Probleme bekommen, will ich wissen. »Ich gehe mal davon aus, dass der Staat uns nicht akzeptiert«, antwortet Man. »Aber solange wir für sie keine Gefahr darstellen, interessieren sie sich auch nicht weiter für uns.« Das sah im August dieses Jahres etwas anders aus. Am Abend vor zwei Großdemonstrationen stürmte eine Polizeieinheit während eines Konzerts das Rumah Api und nahm über 160 Personen fest. Aufstandsbekämpfung und Teilnahme an einer nicht genehmigten Veranstaltung waren die Gründe. Die meisten wurden nach dem Wochenende wieder freigelassen, doch Man Beranak musste sich vor Gericht verantworten. »Mittlerweile ist mein Fall abgeschlossen«, sagt er. »Es ist ziemlich gut, dass meine Anwälte aus der Punk-Community kommen. Das hat mir sehr geholfen.«

Bersih 4 nannten sich jene zwei großen Demonstrationen, bei denen am 29. und 30. August bis zu 100.000 Menschen auf die Straße gingen. Es waren die größten Demonstrationen, die es in Malaysia bisher gab. Hintergrund war der größte Finanzskandal in der Geschichte des autokratisch regierten Landes, in den sich Premierminister Najib Razak verstrickt hatte und der im Sommer 2015 ans Licht kam. Die Polizei war offensichtlich der Meinung, von dem Konzert am Tag vor der Demonstration könne durch das Motto »Party Tonight, Revolution Tomorrow« Gefahr ausgehen. »Wir erfahren Unterstützung aus der ganzen Welt«, sagt Man Beranak. Im Kampf gegen den Highway werden sie jede Hilfe brauchen.

Mathilda Keller hat zu ihrer großen Freude zweimal mit ihrer Band im Rumah Api gespielt. In ak 608 schrieb sie über das Buch »Indonesien 1965ff«.

Für den Kampf gegen den Highway braucht das Rumah Api Unterstützung und ist online erreichbar unter rumahapi.weebly.com.