Die Stunde der Kriegstreiber
Deutschland Sicherheit und Freiheit sollen jetzt auch in Syrien verteidigt werden
Von der ak-Redaktion
Die ersten Tornados starteten bereits kurz nach der Bundestagsentscheidung vom 4. Dezember. Bis zu 1.200 Soldat_innen umfasst das Kontingent, außer den sechs Tornados soll eine Fregatte den französischen Streitkräften beistehen. Sollte die Bundeswehr das Mandat voll ausschöpfen, wäre das der größte momentane deutsche Auslandseinsatz.
Die Front der Kriegsbefürworter_innen ruft nach Freiheit, Menschenrechten und Solidarität mit Frankreich. Warum soll aber der Beitrag gegen den Terrorismus darin bestehen, Bomben auf Städte wie Raqqa und Aleppo zu werfen, wenn alle bisher identifizierten Attentäter französische oder belgische Staatsbürger sind? Die Gründe für ihre Radikalisierung, für ihren Hass auf den westlichen Lebensstil, für ihren Antisemitismus sind zunächst einmal hier zu suchen, auch wenn es leichter ist, das Problem nach außen zu verlagern.
Das letzte Mal, als westliche Staaten unter dem Banner von Menschenrechten und Demokratie in der Region wüteten, änderte sich nichts zum Positiven. 14 Jahre nach dem Einmarsch in Afghanistan, zwölf Jahre nach dem in den Irak, scheinen dies viele vergessen zu haben. Recherchen der New York Times zufolge besteht etwa ein Drittel der militärischen Führung des Islamischen Staates (IS) aus Offizieren des Regimes von Saddam Hussein. Die Religion hätten die Militärs erst nach 2003 entdeckt. Der Bezug auf den Islam scheint ihnen nicht mehr als ein Mittel zu sein, die alte Herrschaft wiederherzustellen.
Wenngleich der Imperialismus des Westens eine wichtige Rolle für den Aufstieg des IS spielt, ist es falsch, andere Ursachen aus dem Blick zu verlieren: die nicht erfüllten Hoffnungen des »Arabischen Frühlings«, die sozialen Verhältnisse, die die Ideologie des IS für junge Menschen in Syrien und im Irak, aber auch in europäischen Ländern attraktiv machen.
Wie üblich, wenn Staaten in den Krieg ziehen, geht es nicht um Menschenrechte, sondern um Macht. Macht in einer geopolitischen Gesamtsituation, in der die USA an Einfluss verlieren, Länder wie China hinzugewinnen. Es schlägt die Stunde der »Mittelmächte« und »Europas«. Hier darf Deutschland natürlich nicht fehlen, das in der Eurokrise gezeigt hat, wer die EU-Wirtschaftsmacht ist. Frankreich hingegen fällt seit Jahren ökonomisch zurück. Der französische Präsident François Hollande steht nicht nur deshalb mächtig unter Druck und versucht, seine innenpolitische Schwäche durch zur Schau gestellte Stärke nach außen auszugleichen. Wie viel ihm das gebracht hat, haben die französischen Regionalwahlen gezeigt, bei denen Marine Le Pens Front National abgeräumt hat. Wer den »Kampf der Kulturen« führt, hilft der Rechten.
Geopolitisch dürfte das rasch beschlossene Engagement Deutschlands und Frankreichs auch mit dem Eintritt Russlands in den Konflikt zu tun haben. Hollande und Putin haben kurz nach den Anschlägen von Paris eine militärische Kooperation auf den Weg gebracht. Für Putin ist das eine Gelegenheit, sich in Europa zu rehabilitieren, für die EU und Russland ein Test, ohne die stärkste Militärmacht der Welt eine größere Militäroperation durchzuführen.
Es ist kein Widerspruch, sich gegen die Kriegseinsätze der Bundeswehr zu wenden und sich gleichzeitig für die kurdischen Kämpfer_innen in der Region einzusetzen, die sich selbst verteidigen und dabei am Aufbau demokratischer Strukturen festhalten, eingekeilt zwischen autoritären Regimes und Diktaturen.
Unterstützung für Rojava schließt neben Geld- und Sachspenden die Forderung ein, das immer noch gültige Verbot der PKK in Deutschland endlich aufzuheben. Und die Unterstützung für das Erdogan-Regime zu beenden, das jahrelang den IS gepäppelt hat und nun von der EU viel Geld erhält, um Europas Außengrenzen dicht zu machen und die Menschen, die vor dem Krieg in Syrien fliehen, in der Region festzusetzen.