Men to watch out for
Feminismus nach Köln Feministische Männer, oder: eine Verheißung, die keine ist
Von Nadia Shehadeh
Wann immer es in meiner feministischen Laufbahn um feministische Cis-Männer (1) ging, sie mir begegneten, ich mit ihnen sprach oder mir zum Feminismus konvertierte Mannsbilder via Telefon, Mail, Blog-Kommentarspalte oder Sprachnachricht mitteilten, sie hätten es jetzt begriffen und würden sich ab sofort »für die Sache« einsetzen, kam es zu gespenstischen Szenen und Erlebnissen, von denen ich die meisten gerne vergessen würde.
So konnte es vorkommen, dass Männer, die erst drei Tage zuvor bewusst das Wort »Geschlechterungerechtigkeit« in ihrem Gehirn von der einen in die andere Ecke geschoben hatten, mir lautstark Nachhilfe in Sachen Feminismus geben wollten. Andere Männer nutzten das dazugewonnene Feminismus-Label, um vor allem in sozialen Netzwerken auf Sympathiefang zu gehen - und am Ende eigentlich andere Transferprodukte zu bewerben: Musik, Kunst, Text, Bild, Ton oder einfach sich selbst.
Ebenfalls immer wieder gruseln mich jene Demos, bei denen es vor allem linke Mackertypen sind, die sich vorne das Mikro schnappen, um »Kein Gott, kein Staat, KEIN PATRIARCHAT!!!« zu brüllen - denn das kann ja sonst niemand anderes so gut. Das ganze habe ich übrigens auch schon bei feministischen Festivals erlebt, bei denen Typenbands ganz beherzt so viel Raum wie nur möglich einnahmen.
Dazu passt die Anekdote, die mir irgendwann eine der Gründerinnen der feministischen Partei DIE FRAUEN erzählte: Dort habe man es inzwischen aufgegeben, Männer als Mitglieder aufzunehmen. Die seien nämlich in der Regel immer schnellstens an allen anderen weiblichen Parteimitgliedern vorbeigerauscht, um mindestens Schatzmeister oder Fraktionsleiter zu werden. Hand aufs Herz: Ich kenne eigentlich keinen Feministen, der mir nicht auf den Keks geht.
Keks ist sowieso ein gutes Stichwort: Von allen feministischen Cis-Männern ist es nämlich vor allem der Keks-Feminist, der in freier Wildbahn am häufigsten vorkommt. Ihn und vier weitere typische Exemplare dieser Gattung möchte ich im Folgenden kurz vorstellen, muss jedoch betonen: Die Liste ist wahrscheinlich noch unendlich erweiterbar, und die Typen überschneiden sich teilweise.
1. Der Keks-Feminist
Der Keks-Feminist ist auf der Suche nach ständigen Belohnungen beziehungsweise erwartet diese auch - und zwar immer dann, wenn er etwas (vermeintlich) Feministisches gesagt/getan/gedacht/erahnt hat. Teilweise ist sein Feminismus auch einfach nur ein Akt der Kapitalerhaltung oder -mehrung, und zwar meist im sozialen Sinne: Keks-Feministen bewegen sich nämlich oft in Umfeldern, in denen feministische Einstellungen zum Grundrepertoire des Alltagsdenkens gehören.
Der Keks-Feminist ist eine äußerst beharrliche Gattung: Wenn er merkt, dass er den Cookie nicht bekommt, beharrt er im Notfall auf Brot. Der Keks-Feminist ist so sehr davon überzeugt, dass seine Arbeit honoriert werden muss, dass er gerne auch den Bezahlfeminismus anvisiert, und zwar, indem er versucht, sich berufsfeministisch zu etablieren. Beliebte Berufsfelder sind dabei für ihn journalistische Arbeit oder am besten gleich Tätigkeiten als Frauenbeauftragter. Damit teilt er sich einen Posten mit dem nächsten Exemplar: dem Breitbein-Feministen.
2. Der Breitbein-Feminist
Der Breitbein-Feminist gehört zur Gattung der männlichen Feministen, die sich überall breitmachen und Raum einnehmen müssen: auf Veranstaltungen, auf Demos, im Internet, in Expertengremien und überhaupt überall dort, wo Kameras, Mikros, Geld oder Aufmerksamkeit locken. Der Breitbein-Feminist gibt sich dabei nicht damit zufrieden, ein einfacher Publikumsgast zu sein, der hohlbrotig dazwischen quatscht - der Breitbein-Feminist braucht die Bühne.
Wenn niemand Lust auf den Breitbein-Feministen hat, lässt dieser sich trotzdem nicht davon abhalten, ins Rampenlicht zu drängen: Er wird versuchen, mit irgendeinem Marketing-Gag der Feminist der Herzen zu werden. So schreibt er ungefragt einen Blogeintrag oder ein Lied oder dreht ein Video, und das verpasst er dann der ganzen Welt.
3. Der feministische Boyfriend
Diese Spezies ist vor allem im Umfeld von Heten-Feministinnen anzutreffen, dadurch aber nicht weniger unangenehm. Der feministische Boyfriend ist aus der Not heraus das unnütze Beispiel für »not all men« geworden, und zwar, weil auf ihn das »Alle Männer sind scheiße, nur mein Mann, der ist Feminist und deswegen total gut«-Theorem angewendet wird.
Ich möchte keine Schuld von mir weisen, auch ich habe schon in diesem Sinne operiert. Trotzdem darf nicht vergessen werden: Auch der Boyfriend einer Feministin gehört zum unnützen Krempel von »all men«, und nichts schützt ihn davor, ein hohlbrotiger Keks- oder Breitbein-Feminist zu sein.
4. Der feministische Mann, der gerne ein feministischer Boyfriend wäre
Diese Gattung ist solange ein Keks-Feminist, bis aus ihm irgendwann Kategorie 3 - ein feministischer Boyfriend - geworden ist. Es ist möglich, dass er nach Beziehungsende auf das Level »durchschnittlich frauenfeindlich-sexistischer Typ« zurückfällt. Aber bis dahin nervt er auch.
5. Der feministische Sunnyboy-Klugscheißer
Auch diese Art von Feminist vereinigt gleich mehrere Typen in sich, ist aber in erster Linie davon überzeugt, dass die feministische Welt nur auf sein Wissen, seine Connections, seine Reichweite oder seinen Humor gewartet hat. Er ist überzeugt, dem Feminismus einen wichtigen Dienst zu erweisen, da er klüger, lockerer, überzeugender, wichtiger und lustiger ist als all die zermürbten, verbitterten, unwitzigen und strategisch unterbelichteten Feministinnen. Er glaubt, dass der Feminismus bisher nicht siegen konnte, da er mit seinen Spezialkenntnissen gefehlt hat. Deswegen ist auch dieser Feminist nutzlos.
Zum Abschluss: Der feministische Selbsttest
Sie sind ein Mann und Ihnen sind unliebsame Parallelen zu sich aufgefallen, als Sie diesen Text gelesen haben? Prima, das ist der erste Schritt in Richtung Besserung. Üben Sie sich zukünftig in Zurückhaltung und halten Sie öfter mal die Klappe, dann sind alle anderen schneller fertig. Sie können sich sinnvoll beteiligen, indem Sie feministische Arbeit durch Geldspenden, Care-Arbeit, Putzdienste und vor allem in den meisten Fällen durch eigene Unsichtbarmachung unterstützen.
Eine erste Lektion haben Sie vielleicht gelernt, wenn in Ihnen nun keine Enttäuschungs- oder Hassgefühle gegenüber der Autorin dieses Textes schlummern. Wenn Sie nun auch noch davon Abstand nehmen könnten, klugzuscheißen, wäre schon ein klitzekleines bisschen gewonnen. Und bis dahin: Gehen Sie allen Feminist_innen, die keine Cis-Männer sind, aus der Sonne. Danke!
Nadia Shehadeh schrieb in ak 604 über feministische Literatur und bloggt unter shehadistan.com.
Anmerkung:
1) Als Cis-Menschen werden Menschen bezeichnet, die sich - im Gegensatz zu Trans-Menschen - mit dem Geschlecht identifizieren, mit dem sie geboren und sozialisiert wurden.