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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 614 / 15.3.2016

Hilfe für die Opfer des braunen Terrors

Deutschland Der antifaschistische Widerstand der Roten Hilfe Deutschlands

Von Silke Makowski

Während viele Organisationen, die im Widerstand gegen die Nazis aktiv waren, regelmäßig Gegenstand von Veröffentlichungen sind, wurden andere bis heute vernachlässigt. Zu diesen »weißen Flecken« auf der Forschungslandkarte gehört die Rote Hilfe Deutschlands.

Nach der brutalen Repression gegen die revolutionären Rätebewegungen am Ende des Ersten Weltkriegs war 1921 auf Initiative der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) gegründet worden, um die Tausenden von Gefangenen und ihre Familien effektiv unterstützen zu können. Dass die Mitgliedschaft, die weit über das KPD-Spektrum hinausging und auffallend viele Frauen umfasste, bis Ende 1932 auf eine Million anwuchs, zeigt die Bedeutung, die dieser Tätigkeit seitens der Arbeiterbewegung beigemessen wurde.

Neben der materiellen Hilfe für die politischen Gefangenen leistete die Rote Hilfe rechtliche Beratung, initiierte große Kampagnen in breiten Bündnissen und mischte sich durch Demonstrationen, Vorträge und Publikationen in den öffentlichen Diskurs ein. Dabei verfolgte sie einen klar politischen Ansatz und wollte sich keineswegs als »linke Caritas« missverstanden wissen; Solidarität bedeutete vielmehr einen Beitrag zum Klassenkampf.

Die Machtübertragung an die Nazis stellte auch für die RHD den Beginn einer beispiellosen Verfolgung dar, und bereits in den ersten Wochen wurden Tausende Rote Helfer_innen in »Schutzhaft« verschleppt. Nach dem Verbot im März 1933 erwiesen sich die nur geringen Vorbereitungen als absolut unzureichend, doch die brutale Repression gegen die Linke machte die Solidaritätsarbeit nötiger denn je.

Während in manchen Regionen nur vereinzelte Spendensammlungen stattfanden, gelang es vielerorts, einen gut funktionierenden illegalen Apparat zu schaffen. Dazu wurden geheime Quartiere, Briefdeckadressen und Anlaufstellen für Instrukteur_innen eingerichtet, die Informationen, antifaschistische Druckschriften sowie Geld überbrachten und die Organisierung im Umland vorantrieben. Diese Ansätze wurden immer wieder durch Repressionsschläge zunichte gemacht, so dass die Strukturen in einem ständigen Neuaufbau begriffen waren und eine kontinuierliche Arbeit erschwert war.

Dennoch entfalteten die Solidaritätsgruppen vielfältige Aktivitäten und erfassten teilweise Hunderte Beitragszahler_innen in klandestinen Kleingruppen. Durch die Einheitsfrontbemühungen konnten viele Sozialdemokrat_innen gewonnen werden, und auch mit bürgerlichen Nazigegner_innen gab es regen Austausch. Neben der materiellen Unterstützung für die Verfolgten, die meist im Mittelpunkt stand, leistete die RHD weiterhin Öffentlichkeitsarbeit durch reichsweite illegale Publikationen wie das Tribunal sowie regionale Zeitungen.

Da die männlichen Mitglieder stärker im Fokus der NS-Repressionsbehörden standen, übernahmen häufig Frauen zentrale Funktionen und gefährliche Aufgaben etwa als Kurierinnen. Dabei nutzten sie geschlechsspezifische Verhaltensmuster, um die Repressionsorgane in die Irre zu führen. Treffen von Funktionärinnen wurden als Kaffeekränzchen oder Tratsch auf dem Friedhof getarnt, und der Transport von Flugblättern im Einkaufskorb oder im Kinderwagen erregte kaum Verdacht.

In den grenznahen Regionen engagierten sich die Ortsgruppen in der Fluchthilfe sowie in der Einfuhr verbotener Druckschriften, die im benachbarten Ausland hergestellt wurden. Dort hatte die Solidaritätsorganisation eine gut vernetzte Infrastruktur geschaffen, die die Aktivitäten im Reichsgebiet unterstützte. Neben der Hilfe für politische Emigrant_innen übernahmen die RHD-Grenzstellen den Druck von Zeitungen und sammelten Geld, das ins Reichsgebiet geschmuggelt wurde.

Die Repression steigerte sich rasch, da der NS-Apparat erkannte, welche Bedeutung die Rote Hilfe für den gesamten Widerstand hatte: Das Bewusstsein der Solidarität half den Verhafteten, ihre politische Identität aufrechtzuerhalten und trotz der brutalen Verhöre keine umfassenden Aussagen zu machen. Zudem wurde die Entscheidung für den illegalen Kampf durch das Wissen erleichtert, dass notfalls die Angehörigen unterstützt werden würden.

Folglich werteten die Gerichte die Betätigung für die RHD als Vorbereitung zum Hochverrat, und selbst die Zahlung von wenigen Pfennigen konnte lange Haftstrafen nach sich ziehen. 1935 erreichte die Repression eine neue Qualität, als das RHD-Reichsleitungsmitglied Rudolf Claus zum Tode verurteilt wurde.

Die zahllosen Massenprozesse dünnten die Strukturen ab 1936 aus, und die Aktivitäten reduzierten sich meist auf Spendensammlungen. Da auch das illegale Literaturvertriebsnetz und die reichsweiten Verbindungen weitgehend zerschlagen waren, organisierten sich die Basisgruppen verstärkt autonom. Zwar schränkte diese Entwicklung die Möglichkeiten ein, bedeutete zugleich aber einen Schutz vor dem Dominoeffekt großer Repressionswellen.

Schließlich wurde die Rote Hilfe im September 1938 offiziell aufgelöst, doch die Unterstützungsarbeit für inhaftierte Nazigegner_innen wurde lokal auf kleiner Flamme fortgeführt und dauerte teilweise bis zur Befreiung 1945 an.

Silke Makowski ist im Vorstand des Hans-Litten-Archivs und forscht zur Geschichte der Roten Hilfe Deutschlands mit Schwerpunkt auf der Zeit der Illegalität.

Die Rote Hilfe

wird alle drei Monate in ehrenamtlicher Arbeit produziert und vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. herausgegeben. In den letzten Jahrzehnten entwickelte sie sich vom vereinsinternen Mitteilungsblatt zu einer Antirepressionszeitung, die auch im Bahnhofsbuchhandel erhältlich ist. -> www.rote-hilfe.de