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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 614 / 15.3.2016

Editorial

Weiter geht's

Es war zwar nur ein kleiner Text, aber er hat für einige Reaktionen gesorgt. Was denn bei ak los sei, wollten die einen wissen. Ob sie sich Sorgen machen müssten, fragten andere. So schwierig es auch ist, unsere momentane Situation zu erklären, so viel steht fest: Das Projekt ak befindet sich in einer ernsten Krise, das schrieben wir bereits in unserer kurzen Erklärung auf Seite 2 der letzten Ausgabe. Und auch das haben wir schon gesagt: Diese Krise bezieht sich nicht auf den Inhalt der Zeitung, sondern vor allem auf strukturelle Fragen innerhalb des Projekts.

Konkreter Auslöser des aktuellen Konflikts waren Überlegungen darüber, wie der ak-Vertrieb in Zukunft organisiert werden sollte. Eine ähnliche Diskussion hatten wir zuvor bei dem Vorhaben, eine neue ak-Website zu entwickeln, mit dem wir nach einem heftigen internen Krach gescheitert sind. Den allgemeineren Hintergrund unserer Überlegungen bildet die Tatsache, dass wir in verschiedenen Projektbereichen (Vertrieb, Aboverwaltung, EDV ...) mit nicht-standardisierten technischen Lösungen arbeiten, die zwar speziell auf uns zugeschnitten sind, aber die Übergabe dieser Bereiche an Neue erschweren und teilweise auch aufwändige Anpassungsarbeiten nach sich ziehen. In der Folge besteht hier eine starke Abhängigkeit von einzelnen älteren Genoss_innen, die diese Arbeit nicht mehr »auf ewig« machen können. Gleichzeitig ist für sie die Arbeit bei ak ein ökonomisch und sozial wichtiger Pfeiler, was die Frage der zukünftigen Gestaltung ihrer Arbeitsbereiche zu einem sensiblen und konfliktbeladenen Thema macht.

Die Frage nach der »Generationenübergabe« ist auch verbunden mit dem Spannungsfeld von ak als politischem Projekt versus ak als Arbeitsplatz. Dass hier - mitunter in einer Person - unterschiedliche Interessen miteinander in Konflikt geraten, wissen die meisten, die schon einmal in einem politischen Projekt ihr Geld verdient haben. Dieses Spannungsfeld ist uns an sich seit langem bewusst. Entsprechend gab es in den vergangenen Jahren mehrere Versuche, eine Diskussion darüber in Gang zu bringen, wer welche Rolle im Projekt hat und wer eigentlich über Fragen wie die Umgestaltung von Arbeitsbereichen entscheidet. Wie gehen wir damit um, dass ak - anders als früher - kein Projekt mehr ist, dem sich Menschen auf Jahrzehnte hinaus verpflichten (können), und was bedeutet das für unsere Arbeitsweise? Wie können wir das Projekt ak »zukunftsfähig« machen, so dass es auch ohne die Gründergeneration weiter bestehen kann? Zu einer praktikablen Lösung sind wir bisher nicht gekommen.

In den vergangenen Wochen haben uns diese Fragen wieder eingeholt. Und so sind wir nun mit der Situation konfrontiert, dass aufgrund der aktuellen Auseinandersetzungen Gabi Bauer und Ingo Stützle die ak-Redaktion verlassen haben. Gabi Bauer war außerdem Geschäftsführerin des Verlags. Bereits Ende des letzten Jahres hat ein langjähriger ak-Genosse, der für den Großteil unserer Produktionstechnik verantwortlich zeichnete, das Projekt im Streit verlassen. Bereits im November letzten Jahres hat ein langjähriger ak-Genosse, der für den Großteil unserer Produktionstechnik verantwortlich zeichnete, nach längeren Konflikten mit der ak-Redaktion erklärt, sich zurückzuziehen und bis Juni dieses Jahres die Übergabe seines Arbeitsbereiches mitzuorganisieren. [Wir bedauern die missverständliche Formulierung in der ersten Fassung des Textes, durch die leicht der Eindruck entsteht, er hätte von einem Tag auf den anderen hingeworfen.]

Ab April bekommt die Redaktion zwar erfreulicherweise wieder Verstärkung. Dennoch hat der aktuelle Konflikt auch gezeigt, dass die Redaktion als bisher einziges kontinuierlich und kollektiv arbeitendes Gremium damit überfordert ist, sowohl die Produktion der Zeitung zu stemmen (und die Zeitung voranzubringen) als auch die Verantwortung für das Gesamtprojekt zu tragen. Es fehlt an einer Struktur, die die »Sorge ums Ganze« trägt.

Um eine solche Struktur erarbeiten und in Ruhe über all die Fragen und Probleme sprechen zu können, die sich aus dem hier Geschilderten ergeben, hatten wir zunächst überlegt, die Märzausgabe ausfallen zu lassen, uns dann aber entschieden, befreundete Medienprojekte zu bitten, uns die inhaltliche Erstellung dieser Ausgabe abzunehmen. Und nun haltet ihr diese - andere - ak in den Händen. Sie ist gefüllt mit Artikeln linker Zeitungsredaktionen. Damit spiegelt sie zumindest zum Teil das Spektrum linker Publizistik in Deutschland wider. Bei den Artikelthemen haben wir den Projekten keine inhaltlichen Vorgaben gemacht.

Entstanden ist eine Ausgabe, die ebenso facettenreich ist wie das beteiligte Spektrum. Müllsammler_innen in Kenia kommen zu Wort, es gibt eine weitere Replik auf unseren Antiimperialismus-Schwerpunkt aus ak 612, es geht um Gewerkschaften und Arbeitskämpfe, um Refugees und Selbstorganisierung, um Entwicklungen in der extremen Rechten und Diversity in Hollywood - und um ein neues Wort, das die sexuelle Emanzipation voranbringen könnte.

Wir haben in der Zeit, in der wir sonst allmonatlich ak produzieren, zusammengesessen, diskutiert und Wege aus der strukturellen Krise unseres Projekts gesucht. Das war wichtig. Insofern ist die Ausgabe, die euch jetzt vorliegt, das Ergebnis einer »Notlage«. Aber für uns ist sie auch ein Zeichen, das Hoffnung macht. Wir sind beeindruckt davon, wie viele Projekte (und Einzelne) sofort bereit waren, uns zu unterstützen, und wie gut die Produktion dieser Ausgabe auch praktisch geklappt hat. Es war gut zu erleben, dass ak Teil einer breiten, solidarischen linken Medienlandschaft ist - und dass es eine Bereitschaft zu Austausch und Zusammenarbeit gibt.

Diese Erfahrung ist auch wichtig, wenn wir über die Zukunft von ak nachdenken. Die Frage, wie ak in Zukunft aussehen kann, geht Hand in Hand mit der Diskussion darüber, mit wem und für wen wir diese Zeitung machen, was wir mit ihr politisch wollen und wie wir das umsetzen können. Wo sind unsere Schwachstellen? Wen müssen wir stärker einbeziehen?

Wir stehen vor großen Aufgaben. Es geht darum, die »Generationenübergabe« bei ak zu organisieren, dabei verantwortlich gegenüber allen Projektmitgliedern zu handeln und ak gleichzeitig an die heutigen leider oft sehr prekären Gegebenheiten anzupassen. Zugleich müssen wir darüber nachdenken, inwiefern sich die Gewohnheiten unserer Leser_innen ändern, und darüber, wo Debatten heute stattfinden. Das Scheitern unseres ersten Anlaufs zu einer neuen Website hatte konfliktreiche Auswirkungen auf das Gesamtprojekt. Trotzdem bietet sich uns dadurch auch die Chance, noch einmal neu über das Verhältnis Print und Netz nachzudenken. ak soll ein Ort für Debatten, Analysen und Kritik bleiben. Das bedeutet, Analysen und Diskussionen so zu »übersetzen«, dass kein Expertenwissen notwendig ist, um sie zu verstehen. Wir wollen unterschiedliche Blickwinkel abbilden, unseren Fokus erweitern und jene zu Wort kommen lassen, die selten gehört werden. Das heißt auch, dass wir künftig stärker als bisher Linke unterschiedlicher Strömungen auch über Sprach- und Staatsgrenzen hinweg miteinander ins Gespräch bringen wollen. Wie können sich hier Papier und Internet sinnvoll ergänzen? Wie können wir der veränderten Geschwindigkeit von Debatten gerecht werden? Wie können wir ak so organisieren, dass hier auch zukünftig debattiert und - möglichst produktiv - gestritten wird?

Für uns ist ak ein Ort, an dem verschiedene Ansätze aufeinanderstoßen, in Verbindung treten, sich widersprechen oder einfach nur nebeneinanderstehen. Das zeigt sich auch in dieser Ausgabe. Denn so sehr sich die einzelnen publizistischen Projekte unterscheiden, so ist ihnen doch gemeinsam, dass sie die herrschenden Verhältnisse nicht stillschweigend hinnehmen, sondern auf eine gesellschaftliche Veränderung hinwirken wollen.

Ein kritischer Geist drückt sich nicht nur in Worten aus. Auch die Kunst ist ein Feld, das ohne den Blick auf die Gesellschaft kaum denkbar ist, das Verhältnisse infrage stellt und versucht, Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Und damit wären wir bei dem zweiten Teil dieser Ausgabe. »The Shape of Things to Come« heißt der Gedanke, der ihn durchzieht. In dem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 1933 entwirft H. G. Wells ein zwiespältiges Zukunftsszenario zwischen Diktatur und Utopie. In der populären Kultur ist »The Shape of Things to Come« oftmals zitiert worden, beispielsweise von Ornette Coleman (»The Shape of Jazz to Come«) oder der Band Refused (»The Shape of Punk to Come«).

Ähnlich wie die verschiedenen publizistischen Projekte frei wählen konnten, was und wie sie schreiben möchten, haben wir auch den elf Künstler_innen, die wir für diese Idee gewinnen konnten, die Möglichkeit gegeben, jeweils eine Seite frei zu gestalten. Entstanden ist eine beeindruckende Sammlung - am besten macht ihr euch selbst ein Bild davon. (Seite I-XII)

Ein riesengroßes Dankeschön gilt an dieser Stelle nicht nur den vielen Redaktionen, den Autor_innen und den Künstler_innen, sondern vor allem der Designerin Karin Hoefling und unserem Grafiker Andreas Homann, die den zweiten Teil kuratiert und möglich gemacht haben.

Damit verabschieden wir uns an dieser Stelle, alles Folgende kommt ja nicht von uns. Wir ziehen uns nun nochmals zurück und stecken die Köpfe zusammen. Was dabei rauskommen wird, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber wir werden es euch wissen lassen. In der nächsten Ausgabe im April. Bis dahin!

Eure ak-Redaktion

P.S.: Ein Erratum aus ak 613 wollen wir allerdings heute schon loswerden: In dem Interview mit der Initiative Alarm Phone heißt es fälschlicherweise, die Operation Sophia sei nach einem ertrunkenen Flüchtlingsmädchen benannt worden. In Wirklichkeit trägt die Operation jedoch den Namen eines Mädchens, das auf einem der Einsatzschiffe geboren wurde.