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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 618 / 16.8.2016

Aufgeblättert

AfD

Viel ist seit der Gründung der AfD im Jahr 2013 bereits geschrieben worden - über ihren Aufstieg, innerparteiliche Kontroversen, ihre Entwicklung von der Partei der »Euroskeptiker« hin zum Rechtspopulismus, ihr Bemühen, einen »rechten Kulturkampf« zu forcieren. Der Sammelband »Die Alternative für Deutschland« versucht nun, alle diese verschiedenen Aspekte aufzugreifen. Er ist Ergebnis einer Fachtagung, die schon im Februar 2015 stattfand, doch das tut der Qualität des Bandes keinen Abbruch. In den 15 Beiträgen geht es um die politische Entwicklung und Einordnung der Partei, die Frage des Populismus, um ihre außen- und europapolitischen Positionen, Antifeminismus, Rassismus, Muslimfeindlichkeit und politische Schnittmengen mit Bewegungen wie PEGIDA, um Verbindungen zur Neuen Rechten. Schade ist, dass sich kein Beitrag dezidiert mit der Sozialpolitik der AfD auseinandersetzt. Zwar wurden auch manch andere Themen wie zum Beispiel Innere Sicherheit nicht ausführlich beleuchtet, aber das ist im Gegensatz dazu ebenso verzeihbar wie einige Wiederholungen in den verschiedenen Beiträgen. Erfreulich sind - nicht nur, aber vor allem - die einordnenden Beiträge am Anfang des Buches, überraschen sie doch mit einer für wissenschaftliche Aufsätze außergewöhnlich guten Lesbarkeit. Nicht nur deswegen gehört der Sammelband für alle, die sich fundiert und umfassend mit der AfD auseinandersetzen möchten, zur Pflichtlektüre.

Maike Zimmermann

Alexander Häusler (Hg.): Die Alternative für Deutschland. Programmatik, Entwicklung und politische Verortung. Springer VS, Wiesbaden 2016. 260 Seiten, 39,90 EUR.

Feminismus

Frigga Haug, bekannt aus der Studentenbewegung und der Zweiten Frauenbewegung, hat eine Zusammenstellung von Texten aus vier Jahrzehnten veröffentlicht. Haugs Sprache ist bildlich und einprägsam. Weil sie Marxistin wurde, bevor sie sich »als Feministin denken konnte«, verschweigt die Autorin nicht die Barrikaden, die sie selbst zunächst gegen die »feministische Pflanze« im Marxismus errichtete. Texte wie die 1973 erschienene Polemik »Verteidigung der Frauenbewegung gegen den Feminismus« liegen der Feministin heute noch »wie ein Stein« im Magen. Das Buch dokumentiert den Denk- und Lernprozess der Mitgründerin des Westberliner Aktionsrats zur Befreiung der Frau und zeichnet zugleich die Entstehungsgeschichte eines marxistischen Feminismus in Westdeutschland nach. In zwölf Kapiteln erfahren Leser_innen, was die Einführung der Automationsarbeit mit Geschlechterverhältnissen zu tun hatte oder welcher Unterschied zwischen Selbsterfahrung und kollektiver Erinnerungsarbeit besteht. 1980 löste Haug die Opfer-Täter-Debatte aus, indem sie argumentierte, dass Frauen nicht nur Opfer der Verhältnisse sind, sondern ihrer eigenen Unterdrückung zustimmen - eine These, die marxistische Organisationen entschieden zurückwiesen. Einige jüngere Texte liefern zwar auch Einblicke in gegenwärtige Diskussionen. In erster Linie bündelt das Buch aber marxistisch-feministische Analysen und hilft dabei, diese geschichtlich einzuordnen.

Hannah Schultes

Frigga Haug: Der im Gehen erkundete Weg: Marxismus-Feminismus. Argument Verlag, Berlin 2015. 384 Seiten, 24 EUR.

Operaismus

Wer sich für die Geschichte operaistischer Politik interessiert, dürfte Gefallen finden an der ersten Ausgabe der Zeitschrift Arbeit - Bewegung - Geschichte. Unter dem Titel »Linke Betriebsintervention, wilde Streiks und operaistische Politik 1968 bis 1988« widmet sich das ehemalige JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung in seiner ersten Ausgabe nach dem Relaunch einer politischen Strömung, die in der BRD um das Jahr 1973 zugleich ihren Höhe- wie auch Wendepunkt hatte. Bereits 1972 war auf Initiative von Potere Operaio ein internationales Koordinationsbüro in Zürich eingerichtet worden, das im April 1973 ein Treffen in Paris organisiert hatte. Dort kamen Delegierte von operaistischen Gruppen aus Italien, Frankreich, Westdeutschland, Großbritannien und der Schweiz zusammen, um ihr Projekt der Organisierung des »multinationalen Massenarbeiters« zu koordinieren. Dieses politische Subjekt zeigte sich einen Monat später auch durch eine Welle wilder Streiks in metallverarbeitenden Betrieben im Rhein-Neckar-Gebiet. Dennoch beschlossen die Spontigruppen im Juni 1973 das Ende des Primats jener Betriebsarbeit, deren Konzept Sebastian Kaiser genauer analysiert. Der deutlich bekannter gewordene wilde Streik bei Ford in Köln folgte erst im August 1973. Nelli Tügel arbeitet heraus, wie ermächtigend dieser auf viele der beteiligten Migrant_innen und ihr Umfeld wirkte; oft war er gar »entscheidend ... für den Entschluss, in Westdeutschland zu bleiben«.

Sebastian Schneider

Arbeit - Bewegung - Geschichte. Zeitschrift für historische Studien, 15. Jahrgang - Heft 2016/I. Schwerpunkt »Linke Betriebsintervention, wilde Streiks und operaistische Politik 1968 bis 1988«. 14 EUR.

Bewegungssprache

Genua, Zürich, Bremen, Wackersdorf, Seattle, Heiligendamm: Das sind für die deutschsprachige Neue Linke wichtige Orte. Zu diesen und anderen Wörtern finden sich Einträge im Lexikon der Bewegungssprache, einer Kolumnenserie in der Tageszeitung neues deutschland, die jetzt als Buch erschienen ist. Die Beiträge vermitteln Fragmente der deutschen Bewegungsgeschichte und geben nützliche Hinweise, etwa zum Umgang mit Bonzenschlitten und warum es ratsam ist, bei langen Plena immer ein Mittelchen gegen Bauchschmerzen dabei zu haben. Die Autor_innen erklären zudem, für was ACAB, Mumble, DIY, FLTIQ*, Cis, EA stehen und wer eigentlich Anna und Arthur sind - und warum sie das Maul halten. Auch dass international jetzt transnational und Vokü jetzt Küfa heißt, erfahren die Leser_innen. Hinsichtlich innerlinker Konflikte ist das Lexikon um diplomatische Ausgewogenheit bemüht. Da wird einerseits die Notwendigkeit von Antiimperialismus betont, zugleich werden die ursprünglichen Anliegen der sogenannten Antideutschen positiv hervorgehoben. Insgesamt ein informatives und unterhaltsames Buch, das durchaus als Einführung für Interessierte und Einsteiger_innen funktioniert. Dass es ein solches Buch überhaupt braucht, ist allerdings auch Ausdruck einer Bewegungslinken, die zwar keine Szene sein will, aber bei aller ostentativen Offenheit gegenüber sich (potenziell) in Bewegung Setzenden mit ihren Codes häufig eine ziemlich geschlossene Gesellschaft darstellt.

Sebastian Friedrich

Niels Seibert, Ines Wallrodt (Hg.): Murmeln, Mumbeln, Flüstertüte. Lexikon der Bewegungssprache. Unrast Verlag, Münster 2016. 128 Seiten, 9,80 EUR.