Titelseite ak
ak Newsletter
ak bei Diaspora *
ak bei facebookak bei Facebook
Twitter Logoak bei Twitter
Linksnet.de
Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 622 / 13.12.2016

Vorsicht vor falschen »Friedensfreunden«

Aktion Wo Verschwörungstheoretiker_innen, Rechte und Putin-Fans ihr Unwesen treiben

Von Wilhelm Achelpöhler

Auch für das kommende Jahr plant die »neue Friedensbewegung« wieder Aktionen. Mit den »Montagsmahnwachen« war sie 2014 als Bewegung entstanden, die nach rechts mehr als offen ist. (ak 595) Teile der traditionellen Friedensbewegung, aber auch Einzelpersonen aus der Linken, attac und der Interventionistischen Linken (IL) wollten die dort Versammelten nichts rechts liegen lassen und plädierten für eine »solidarische Auseinandersetzung«. Andere sahen das deutlich kritischer: Für Christoph Kleine (IL) wurde schon damals »aus dem Versuch einer linken Intervention eine Intervention in die Linke«.

Es folgte der »Friedenswinter 2015« mit gemeinsamen Aktionen von Teilen der Friedensbewegung und der Mahnwachenszene. Doch aus dem erhofften Schub für die Friedensbewegung wurde nichts, die Teilnehmerzahlen blieben deutlich hinter denen mancher Montagsmahnwachen zurück. Viele Initiativen der Friedensbewegung brachen die Zusammenarbeit wieder ab. Aber nicht alle. Aus den Montagsmahnwachen entstand die Kampagne Stop Ramstein. Auftakt war eine Demonstration am 25. September 2015, gefolgt von einer Menschenkette am 11. Juni 2016. Für den September 2017 sind ein Camp, ein Festival und eine Menschenkette mit Kundgebung an der Airbase in Rheinland-Pfalz geplant.

Mit Reichsbürger_innen und Verschwörungstheoretikern

Die Kampagne Stop Ramstein verbindet Teile der Mahnwachenbewegung mit alten Bekannten. Die übelsten Schrate der Mahnwachen dürfen zwar nicht mehr ans Mikro, ganz werden die Brücken ins Lager von Verschwörungstheoretiker_innen aber nicht abgebrochen. Diese Kreise werden vielmehr gezielt angesprochen. Bei der Auftaktkundgebung waren »Reichsbürger« dabei, die für das Deutsche Reich einen Friedensvertrag forderten. Das Aktionswochenende begann am 10. Juni 2016 mit dem Diskussionsforum »Bilderberger - eine Konferenz wird demaskiert«. Über deren »strategisches Konzept der internationalen Eliten« sprachen Rainer Braun und Pedram Shahyar, ehemaliger attac-Aktivist und Ex-ak Autor, heute Mitarbeiter bei KenFM; über die NATO referierten der ehemalige junge-Welt-Autor Rainer Rupp, Klaus Hartmann vom Freidenkerverband und Anneliese Fikentscher (Arbeiterfotografie); über Drohnenkriege sprachen Willy Wimmer, früherer CDU-Bundestagsabgeordneter und nunmehr Autor beim Kopp Verlag, sowie Albrecht Müller von den NachDenkSeiten.

Auffällig ist, dass die Genannten sich gerade über die Zusammenarbeit mit den diffus rechten Friedensaktivist_innen mit ihrem bisherigen politischen Umfeld verkracht haben. Rainer Braun, ein friedenspolitisches Urgestein, nahm den mit 150 Euro ziemlich knapp dotierten »Bautzener Friedenspreis« entgegen, wofür er wegen der fehlenden Abgrenzung dieser Initiative nach rechts massiv kritisiert wurde: Auf Kundgebungen der Bautzener Initiative darf man seine Beiträge auch mit dem Bekenntnis einleiten, man sei bekennender Nationalsozialist. Rainer Rupp, einst für die DDR »Kundschafter des Friedens« bei der NATO, beendete seine langjährige Zusammenarbeit mit der Tageszeitung junge Welt wegen eines jW-Interviews mit Monty Schädel, dem Geschäftsführer der DFG/VK, in dem dieser die Montagsmahnwachen und den Friedenswinter massiv kritisiert hatte.

Für die strategische Ausrichtung dieser nach rechts offenen Kreise ist diese Auseinandersetzung besonders aufschlussreich. Der in der jungen Welt von Schädel erhobenen Forderung »Ohne deutliche Abgrenzung nach rechts geht Friedensbewegung nicht!« hält Rupp in einem offenen Brief entgegen: »Abgrenzung nach rechts ist also wichtiger als gegen den Krieg zu mobilisieren, eine sektiererische Position ...« Und weiter: »Wenn sich Anfang der 1980er Jahre die Organisatoren der damaligen Friedensbewegung gegen die nukleare Aufrüstung der NATO so verhalten hätten wie heute DFG-VK Chef Schädel, dann wäre es nie zu Massendemonstrationen wie im Bonner Hofgarten mit fast einer halben Million Menschen gekommen.« Wer eine Abgrenzung nach rechts fordere, mache sich »zum nützlichen Idioten der Kriegstreiber«: »Wenn jemand den Auftrag gehabt hätte, das Zustandekommen einer wirkungsvollen Friedensbewegung als politische Kraft zu verhindern, hätte er sicherlich keine bessere Arbeit leisten können.«

Kongress »Brandherd Syrien« mit linker Beteiligung

Die Offenheit nach rechts ist also keine Kinderkrankheit der »neuen Friedensbewegung«, sondern gewollt. Es ist deshalb wohl auch kein Zufall, dass als Redner bei der Stop-Ramstein-Demonstration am 11. Juni 2016 Oskar Lafontaine auftrat, der ganz neue Kreise erschließen will, wenn er auf Facebook schreibt: »Die USA bombardieren seit Jahren im Vorderen Orient, aber die Flüchtlingsströme sollen die Europäer bewältigen. Und Merkel erweist sich wieder einmal als treue Vasallin des großen Bruders. Dabei wäre es in erster Linie die Pflicht der USA, die Menschen aufzunehmen, die vor ihren Ölkriegen fliehen.« Das hätte Ken Jebsen nicht schöner sagen können.

Für die publizistische Unterstützung bedanken sich die Initiator_innen von Stop Ramstein in ihrer Zeitung: »Undenkbar wären die Veranstaltungen und ihre intensive Vorbereitung gewesen ohne die Unterstützung der neuen alternativen Medien: NachDenkSeiten, KenFM, Weltnetz.tv, RT, alternative Radiosender u.a.«

Als Thinktank der Bewegung dient sich eine Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik an. Die veranstaltete vom 22. bis 23. Oktober 2016 bereits ihren zweiten Kongress »Brandherd Syrien«. Zu den Referent_innen gehörten: Seyed Hedayatollah Shahrokny, Chef des deutschen Dienstes des staatlichen iranischen Auslandsradios; der Generalsekretär der Deutsch-Syrischen Gesellschaft, Dr. Salem-El-Hamid; Professor Tim Anderson, Syrien-Experte bei RT-Deutsch; Charles Bausman aus Moskau, Gründer und Herausgeber von Russia Insider, einem »2014 gegründeten Nachrichtenportal, das sich eine ausgewogenere und fairere Berichterstattung über Russland zum Ziel gesetzt hat«, so der Ankündigungstext. Mit dabei ist auch Wolfgang Effenberger, Autor bei Jürgen Elsässers Magazin Compact und beim Kopp Verlag.

Die junge-Welt-Korrespondentin Karin Leukefeld war zwar als Referentin angekündigt, nahm an dem Kongress dann aber doch nicht teil. Vorsitzende der Gesellschaft ist Friederike Beck, die auf den Seiten des Kopp Verlages der großen Verschwörung auf der Spur ist: »Während die Flüchtlingskrise Europa in Atem hält, gehen Gerüchte um: Es stecke jemand dahinter, einer der reichsten Männer unseres Planeten hätte seine Finger in diesem üblen Spiel: George Soros, der als György Schwartz in Budapest geborene Multimilliardär (Vermögen 24,2 Milliarden Dollar, Stand Juni 2015) und Großsponsor im Sinne multipler edler Ziele.«

Auf dem ersten Kongress der Gesellschaft für Internationale Friedenspolitik im Oktober 2015 sprachen auch Christian Neumann, von 2012 bis 2014 Sprecher des »Darmstädter Signals« (»kritisches Forum für Staatsbürger in Uniform«), und Jochen Scholz, Ex-Offizier der Bundeswehr und Mitglied der Linkspartei. Scholz veröffentlichte im April 2014 einen offenen Brief an Wladimir Putin, der mit den Worten schloss, man verstehe Putin »als Verbündeten«, wenn es darum gehe, dass »die Staaten und Völker des eurasischen Doppelkontinents ihre Angelegenheiten miteinander friedlich, respektvoll, kooperativ, auf der Grundlage des Rechtes und ohne Einmischung von außen regeln«. Auf dem Kongress anwesend war auch Nikolai Starikow, angekündigt als »kommerzieller Direktor der St. Petersburger Abteilung des staatlichen russischen Fernsehsenders Perwy Kanal«. Und Compact-Autor Wolfgang Effenberger fragte: »Steuern wir auf den Dritten Weltkrieg zu?«

Hier wird ganz offensichtlich an einer Friedensbewegung von rechts gestrickt: für Putin, aber gegen Geflüchtete. Dabei bedient man sich ganz ungeniert traditioneller Symbolik mit der Friedenstaube und stellt Forderungen wie »Raus aus der Nato« auf, das Ganze nationalistisch und anti-amerikanisch unterlegt. Gelegentlich scheint auch der Brückenschlag zu einigen Linken zu gelingen. Schon 2014 sprach und sang Linken-MdB Diether Dehm, trotz des Abgrenzungsbeschlusses seiner Partei, auf einer Kundgebung der Montagsmahnwachen.

Die Friedensgruppen in der Region um Ramstein wollen von einer solchen Ausrichtung nichts wissen. Das Bündnis »Krieg beginnt hier«, ein Zusammenschluss regionaler Friedensinitiativen, hat sich an der Aktionswoche nicht beteiligt und spricht sich in einem offenen Brief entweder für eine völlige Neuorientierung der Kampagne aus oder für deren Ende. Es kritisiert, dass es der Kampagne an jeder kritischen Auseinandersetzung mit dem deutschen Imperialismus fehle und mit Themen wie der Bilderbergkonferenz offenbar im Lager von Verschwörungstheoretiker_innen gefischt werde. Bemängelt werden insbesondere die Zusammenarbeit mit rechten Kreisen und die Einbeziehung offen pro-russischer Kräfte.

Man muss heute schon graue Haare haben, um die Friedensbewegung der 1980er Jahre erlebt zu haben, die quer durch die gesamte Bevölkerung ging und geprägt wurde von linken Sozialdemokrat_innen, Linksliberalen, den Grünen und einer in der Bewegung nicht unbedeutenden Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Der millionenfache Protest gegen die Stationierung atomarer Mittelstreckenraketen in der BRD beruhte tatsächlich auf einem gerade von Linken seinerzeit vielfach kritisierten Minimalkonsens: der unbedingten Ablehnung der Stationierung von Pershing-2-Raketen und Cruise-Missiles-Marschflugkörpern, fälschlich »Nachrüstung« genannt. »Gründungsdokument« der Bewegung war der Krefelder Appell, der von vornherein auf eine Bündnisfähigkeit zur seinerzeit regierenden SPD zielte; entsprechend wurde der Forderung nach einem Austritt der BRD aus der NATO eine klare Absage erteilt.

Falsche Berufung auf die Friedensbewegung der 1980er

Ziel der Kampagne war es insbesondere, die Position der SPD zu verändern, deren Kanzler Helmut Schmidt für sich gern die geistige Urheberschaft an der »Nachrüstung« in Anspruch nahm. Dieses Ziel erreichte die Friedensbewegung allerdings erst, nachdem die SPD den Weg in die Opposition angetreten war. Dokumentiert wurde das durch die Rede des damaligen SPD-Vorsitzenden Willy Brandt am 22. Oktober 1983 im Bonner Hofgarten. Ziel der »linken Intervention« in die Friedensbewegung war seinerzeit, die Position einseitiger Abrüstung der NATO zu stärken und mit der Forderung eines NATO-Austritts zu radikalisieren. Von einer Öffnung nach rechts konnte hier keine Rede sein.

Um »friedensbewegt« zu sein, muss man nicht zwangsläufig den »Hauptfeind im eigenen Land« sehen. Friedensbewegte lehnen oft nicht einmal die außenpolitischen Ziele ihres Staates ab, sondern wünschen sich lediglich, diese Ziele mögen ohne Gewalt durchgesetzt werden. Davon künden die unzähligen Konzeptionen »ziviler Krisenprävention«, in denen so ziemlich alle Mittel staatlicher Politik in Anschlag gebracht werden sollen, die militärische Gewalt überflüssig machen würden. Von einer radikalen linken Kritik an Krieg und Kapitalismus ist dieser Pazifismus meist weit entfernt. Politische Bedeutung bekommt ein solcher Pazifismus erst dann, wenn man sich also selbst durch den Krieg gefährdet fühlt. Das war bei der Auseinandersetzung um die »Wiederbewaffnung« in den 1950ern der Fall, beim »Kampf dem Atomtod« in den frühen 1960ern und eben auch bei der atomaren »Nachrüstung« in den 1980ern. Solange »nur« anderswo gestorben wird, ist die Mobilisierungsfähigkeit dieses Pazifismus überschaubar.

Seit die friedliche Eroberung des Ostens in der Ukraine an eine Grenze gekommen ist, stellt sich genau diese persönliche Betroffenheit vielfach wieder ein. Dass es schlecht ausgehen kann, »sich mit Russland anzulegen«, ist eine noch nicht ganz vergessene Lehre aus der deutschen Geschichte. Auf diese »Betroffenheit« zu zielen, ist ein durchaus sinnvoller Ansatz einer linken Friedensbewegung. Eine auf Gesellschaftsveränderung zielende linke Politik kann dabei indessen nicht stehenbleiben. Sie leitet gerade aus der Ablehnung des Krieges eine Kritik der Verhältnisse ab. Früher hieß das »Krieg dem Krieg«.

Ganz anders mag die Sicht aus der russischen Außenpolitik auf die Friedensbewegung sein. Russland sieht gerade in den rechten, »patriotischen« Kreisen Bündnispartner. Für die DKP und ihr Umfeld war Friedenspolitik schon in den 1980er Jahren mehr oder weniger deckungsgleich mit der sowjetischen Außenpolitik. Wer das heute noch so sieht, verwechselt vermutlich Russland mit der Sowjetunion.

Wilhelm Achelpöhler ist Friedensaktivist und Rechtsanwalt in Münster. In ak 620 schrieb er über »Speerspitzen« der NATO gegen Russland.