»Das nutzt nur dem Hofer!«
Rechte In Österreich streitet sich die Linke um die richtige Strategie gegen die FPÖ, die nur kurzfristig besiegt ist
Von Hanna Lichtenberger
Die Nerven vor dem Wahlsonntag, an dem die Wiederholung der Stichwahl der Bundespräsidentschaft endlich durchgeführt wurde, lagen blank. Die Kritik daran, »in der eigenen Blase« Politik zu machen, wurde innerhalb der Blase heftig diskutiert - ein Umstand, der wohl Ausdruck der allgemeinen Strategielosigkeit im Kampf gegen den Rechtspopulismus ist.
Noch nie hat ein Wahlkampf in Österreich so lange gedauert wie jener um die Nachfolge des Großvaters der Republik, Heinz Fischer. Nicht umsonst witzelten manche schon mit dem Hashtag #bpw2016ff. Aber auch das Ausscheiden der beiden Kandidaten der Regierung, Rudi Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Kohl (ÖVP), machte diese Wahl zu einer historischen: Erstmals seit der Befreiung vom Nationalsozialismus war klar, dass kein Kandidat, der von den beiden ehemaligen Großparteien unterstützt wird, es in die Hofburg schaffen wird. Dass Norbert Hofer in der ersten Runde der Bundespräsidentschaftswahl weit vorne lag, sorgte auch für internationales Medieninteresse, ebenso wie die Aufhebung der Wahl durch den Verfassungsgerichtshof. Dass die Wahl wegen kaputter Briefwahlkuverts (#KleberGate) erneut verschoben werden musste, verlängerte den Wahlkampf um weitere zwei Monate.
Van der Bellen und sein Wahlkampfteam orientierten mit einem Wohlfühlwahlkampf auf bürgerliche Wähler_innen, die im ersten Wahlgang für die unabhängige, aber ÖVP-nahe Irmgard Griss oder den ÖVPler Andreas Khol gestimmt hatten. Der Grünen-Politiker, der als offiziell unabhängiger Kandidat antrat, bekam dabei Unterstützung zahlreicher (ehemaliger) ÖVP-Politiker_innen bis hin zum ÖVP-Vorsitzenden Reinhold Mitterlehner selbst. Um bürgerliche Wähler_innen auf die »helle Seite der Macht« zu ziehen, posierte Van der Bellen vor wallenden Österreichfahnen und imposanten Bergkulissen. Ein Wahlplakat mit dem Wiener Brunnenmarkt im Arbeiterbezirk Ottakring gab es nicht, auch der Wiener Bezirk Favoriten schmückte keines der verhängten Plakate.
Das Gute an der Wiederholung der Stichwahl ist, dass eine ganze Menge kleiner und größerer selbstorganisierter Initiativen entstanden sind, die alle auf ihre Weise versucht haben, zum Wahlsieg Van der Bellens beizutragen - entweder, weil sie Hofer verhindern wollten oder weil sie den kettenrauchenden Professor um seiner selbst willen in der Hofburg sehen wollten. Neben der Rot-Weiß-Rot-Inszenierung gab es auch den Versuch, sozialdemokratische Wähler_innen außerhalb des rot-blauen Burgenlands zu mobilisieren.
Gewerkschafter_innen und Frauen gegen Hofer
Eine besonders gelungene Initiative ist die Plattform GewerkschafterInnen für Van der Bellen, die vor allem versuchte, die Konsequenzen einer FPÖ-Regierungsbeteiligung beziehungsweise die Auswirkungen von Schwarz-Blau seit 2000 für Arbeitnehmer_innen deutlich zu machen. Auf das Stimmverhalten der FPÖ in wirtschafts-, sozialpolitischen Fragen hinzuweisen, sollte zur Demaskierung der »sozialen Heimatpartei«beitragen und die gewerkschaftsfeindlichen Positionen der Freiheitlichen offenlegen. Neben der Mobilisierung in Betrieben hinterließ die Kampagne auch bei Van der Bellen Spuren. Jahrelang hatten die Grünen daran gearbeitet, möglichst nicht als soziale Alternative wahrgenommen zu werden. In den TV-Konfrontationen erwähnte Van der Bellen kurz vor der Wahl, er wolle sich gleich zu Beginn seiner Tätigkeit mit Gewerkschafter_innen treffen - für den wirtschaftsliberalen Ökonomen jedenfalls etwas. Ebenfalls wichtig für das sozialdemokratische und vielleicht auch linke Milieu war das berührende Video der KZ-Überlebenden Getrude, die Hofer und Strache attestierte, »nur das Niederste im Menschen« mit ihrer Politik zu stärken. Freiheitliche nannten dieses Video »Hetze«.
Wenige Tage vor dem Wahltag ging eine weitere schöne Kampagne online, die sich mit der offenen Frauenfeindlichkeit und dem tiefen Sexismus Hofers und der FPÖ auseinandersetzte. »Frauen gegen Hofer« sammelte Videostatements, in denen alte, junge, weiße, schwarze und verhüllte Frauen auf der Straße den Aussagen Hofers - zum Beispiel sollten Frauen sich der Brutpflege widmen - mit ihren eigenen Zielen, Wünschen und Perspektiven widersprachen.
Schon bei der ersten Stichwahl hatten Antifaschist_innen eine Kundgebung gegen Norbert Hofer organisiert. Die grüne Internetblase wurde zum Schaumbad: Diese Kundgebung nutze nur Hofer, hieß es dort beständig. Wellen an flehenden Appellen, die Kundgebung doch bitte abzusagen, schwappten in den Posteingang der Offensive gegen Rechts, die die Kundgebung organisierte. Die Einschätzung, dass eine antifaschistische Kundgebung einem extrem rechten Kandidaten helfen könne, ist schon schwer nachzuvollziehen. Als wären die Wähler_innen von Van der Bellen ähnlich wie das Kapital scheue Rehe, die nicht gestört werden dürften. Bei der zweiten Stichwahl hatte eine kleine Gruppe der Wiener Linken zu einer »Fck Hofer«-Demo aufgerufen - in Folge diskutierte die gesamte linksliberale Blase mit der linksradikalen Blase über Sinn und Unsinn dieser Demo. Der Unmut gipfelte im Aufruf eines besorgten »Fan der Bellen«, die linksradikale Minidemo mit einer linksliberalen Miniblockade aufzuhalten.
Den Kanzler Strache verhindern
Im Laufe des Wahlkampfes wurde gesungen, gebacken, getanzt, verteilt, gekocht und besucht, was das Zeug hielt, um Norbert Hofers Einzug in die Hofburg zu verhindern. Die Strategie, das bürgerlich-konservative Lager und alles links davon zu überzeugen, zur Wahl zu gehen, um vereint den anderen Kandidaten zu verhindern, war kurzfristig richtig - das funktioniert der Logik nach aber nur bei einer Stichwahl. Dass ein Rechtspopulist verhindert werden konnte, ist gut und erspart uns siegestaumelnde rechte Gewalt wie in den USA nach dem Wahlsieg von Donald Trump.
In diesem Star-Wars-ähnlichen Wahlkampf ist es in Österreich gelungen, ein Happy Ending zu produzieren. Das Problem ist nur, dass Politik kein Einteiler ist. Van der Bellens Sieg mag der FPÖ kurzfristig einen Dämpfer verpasst haben - er wird den Durchmarsch der FPÖ ins Kanzleramt nicht stoppen. Sollten die Nationalratswahlen 2017 vorgezogen werden, sagen die Wahlprognosen der FPÖ große Erfolge voraus. Nach drei Jahrzehnten des Aufstiegs der Rechten wird die Alternative nicht darin bestehen, dass die beiden Regierungsparteien ihre Begriffe übernehmen und ihre Politiken umsetzen, um sie zu stoppen. Die Linke muss an einem Strang ziehen und eine glaubwürdige, authentische und kämpferische soziale und politische Alternative aufbauen.
Hanna Lichtenberger forscht an der Uni Wien zum Freihandelsabkommen TTIP aus staats- und klassentheoretischer Perspektive, engagiert sich im österreichischen Aufbruch und ist Redakteurin des Blog-Projektes mosaik-blog.at.