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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 623 / 17.1.2017

Aufgeblättert

Rote Hilfe ab 1933

In ihrer Broschüre »Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern! - Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933« behandelt Silke Makowski die antifaschistischen Aktivitäten der KPD-nahen Solidaritätsorganisation. Die Rote Hilfe Deutschlands (RHD), der zum Zeitpunkt ihres Verbots im März 1933 eine Million Mitglieder angehörten, hatte in der Weimarer Republik politische und materielle Unterstützung für die politischen Gefangenen und ihre Familien geleistet sowie intensive Öffentlichkeitsarbeit zu staatlicher Repression gemacht. Ab März 1933 arbeiteten viele RHD-Aktivist_innen in der Illegalität weiter. Im Mittelpunkt standen vor allem Spendensammlungen für die KZ-Häftlinge und ihre Angehörigen, aber auch die Verbreitung illegaler Druckschriften. Für untergetauchte Funktionär_innen beschaffte die Rote Hilfe illegale Quartiere, Verfolgten ermöglichte sie die Flucht ins Ausland. Durch ein konspiratives System aus Deckadressen und Kurier_innen konnte die Kommunikation zwischen vielen RHD-Strukturen noch jahrelang aufrechterhalten werden. Neben dem praktischen Alltag der RHD-Basiszellen untersucht die Autorin Aspekte wie die Rolle von Frauen, die Literatur der Illegalität und die RHD-Grenzstellen im benachbarten Ausland. Mit dem 120 Seiten starken, durchgängig bebilderten Band wird eine wenig beachtete Widerstandsorganisation dem Vergessen entrissen; zugleich weckt er Interesse an weiteren Nachforschungen.

Michael Dandl

Silke Makowski: »Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern« - Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933. Herausgegeben vom Göttinger Hans-Litten-Archiv, Verlag Gegen den Strom, München 2016.120 Seiten, 7 EUR.

Nationalismuskritik

Die dritte Auflage des 2009 erschienen Sammelbandes kommt angesichts der aktuellen gesellschaftspolitischen Zustände in Deutschland und anderswo gerade recht. Zwölf Beiträge verteilen sich auf die vier Kapitel »Nation, Hegemonie, Geschlecht«, »Geschichtsdiskurse«, »Sport« und »Popkultur«; hinzu kommen das damalige und ein aktuelles Vorwort sowie ein knappes Nachwort. Die Texte zeigen auf, wie die Nation als positiver Bezugspunkt auch in Deutschland eine Normalisierung erfahren hat. Damit bilden die thematisch sehr vielfältigen Beiträge einen wichtigen Moment für das Verständnis der aktuellen Entwicklungen und zeichnen kritisch ihren Entstehungsweg nach. Zu den Autor_innen gehören Daniel Keil, John Kannankulam, Katharina Rhein, Gerd Dembowski und Martin Büsser. Deutlich wird, auf welch vielfältige Art und Weise Nation und Nationalismus in die Gesellschaft hineinwirken, Bedeutung gewinnen, ihre Wirkung entfalten: Sei es in Sportereignissen, hier vor allem dem Fußball, Popmusik oder Historienfilmen und Geschlechterverhältnissen. Besonders wirkmächtig wurde dabei der »außenpolitische Normalitätsdiskurs« - mit dem Ergebnis, dass Deutschland heute »ganz selbstverständlich seine Führungsansprüche in der EU formulieren kann«. Eine Fortführung der Debatten und Analysen wäre wünschenswert, ist doch zwischenzeitlich viel in Europa und Deutschland geschehen und der Irrsinn des Nationalismus keineswegs beendet.

Sebastian Klauke

Projektgruppe Nationalismuskritik (Hg.): Irrsinn der Normalität. Aspekte der Reartikulation des deutschen Nationalismus. Westfälisches Dampfboot, Münster 2016. 265 Seiten, 24,90 EUR.

Saul Friedländer

wurde 1932 in Prag geboren. Während seine Eltern - »typische Vertreter des assimilierten jüdischen Bürgertums Mitteleuropas« - in Auschwitz ermordet wurden, überlebte er in einem katholischen Internat in Frankreich. Erzählt hat er seine Geschichte in dem Buch »Wenn die Erinnerung kommt«. Der nun erschienene zweite Teil seiner Autobiografie umfasst die Jahre von 1948 bis 2015 und beginnt mit der gefährlichen Migration nach Israel im Juni 1948, wo Friedländer als Zionist den jüdischen Staat verteidigen will. Fünf Jahre später kehrt er nach Frankreich zurück, studiert politische Wissenschaft und arbeitet für die israelische Botschaft. Genf, Berlin, New York und Los Angeles sind weitere Stationen seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit. Dabei kehrt er aber immer wieder nach Israel zurück; in Jerusalem baut er für sich und seine Familie ein Haus. Ab den 1970er Jahren wird er zu einem der weltweit führenden Shoah-Forscher. 1984 hält er die zentrale Rede auf dem Stuttgarter Kongress »Der Mord an den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg - Entschlussbildung und Verwirklichung«. Sein wichtigstes Werk ist »Das Dritte Reich und die Juden« - eine zweibändige, bis heute unübertroffene Gesamtdarstellung. (ak 423 und 512). Friedländers Autobiografie enthält wenig Privates, es ist in weiten Teilen eine Gelehrtengeschichte, in der immer wieder auch die Politik eine Rolle spielt. Friedländer agiert »links der Mitte«, kritisch gegenüber der israelischen Regierung und ihrer Siedlungspolitik.

Jens Renner

Saul Friedländer: Wohin die Erinnerung führt. Mein Leben. C.H.Beck, München 2016. 329 Seiten, 26,95 EUR.

Extreme Rechte

Einen umfassenden Überblick über die extreme Rechte in Deutschland zu geben, ist keine leichte Aufgabe. In den letzten Jahrzehnten hat sich dieses Spektrum immer weiter ausdifferenziert, es reicht von Geschichstrevisionisten über Autonome Nationalisten und Freie Kameradschaften bis hin zu Anhänger_innen der AfD, von PEGIDA oder der Identitären Bewegung. Das nun erschienene Handbuch Rechtsextremismus versucht, diesem Problem durch einen wissenschaftlichen Zugang zu begegnen, der die extreme Rechte als Ganzes über einzelne Oberbegriffe wie Geschichte, Einstellungen, Strategien, Themen, Aktionsformen, Organisationen analysiert. Dadurch verliert sich das Buch nicht in der Aufzählung einzelner Neonazis und verfügt außerdem über eine höhere Halbwertzeit in der Betrachtung dieser sich personell wie strukturell zuweilen schnell wandelnden Szene. Wer jedoch einzelne Kapitel über rassistische Mobilisierungen, den NSU-Komplex oder das NPD-Verbot sucht, wird in dem Band nicht fündig. Zielpublikum sind Lehrende und Studierende, ohne Vorwissen im Bereich Rechtsextremismusforschung könnte die Lektüre daher zuweilen schwer fallen. Auch wenn der Sammelband nicht um Redundanzen herumkommt - zum Beispiel beim Vier-Säulen-Konzept der NPD - ist er doch prall gefüllt mit fundiertem Expertenwissen. Leider wurde mit Blick auf die Suchfunktion des E-Books auf einen lexikalischen Teil bzw. Register verzichtet - für die Printversion wäre das jedoch sehr hilfreich gewesen.

Maike Zimmermann

Fabian Virchow, Martin Langebach, Alexander Häusler (Hg.): Handbuch Rechtsextremismus. Springer VS Wiesbaden 2016, 597 Seiten. 79,99 EUR.