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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 623 / 17.1.2017

Performance von Sprache und Gewalt

Rechtes Sprechen Wer die neuen rechten Bewegungen verstehen und Erwiderungen finden will, der sollte ihre Sprache analysieren und ideologische Muster zu erkennen versuchen.

Von Yves Error

Der Argumentations- und Politikstil, mit dem rechte Bewegungen zur Zeit ihren Kampf um eine neue kulturelle und gesellschaftliche Hegemonie fuhren, ist auffallend oft von einer bewussten Verbreitung verwirrender, inkohärenter und widerspruchlicher Aussagen und Symbole begleitet. Inhalte, die sich durch Verweigerung argumentativer Logik immer schwerer lesbar machen, sind ein Mittel, um den politischen Rahmen immer weiter nach rechts zu verschieben. Es geht in den Debatten der neuen rechten Bewegungen innerhalb und außerhalb der Parlamente immer weniger darum, was gesagt wird, vielmehr wird es immer wichtiger, wo, wie oft und mit welcher vehemenz politische und diskursive Präsenz dargeboten wird. Insgesamt findet im Verhältnis von Sprache und Politik, von Ideologien und ihren Zeichen eine Verschiebung von Sprechakten zu Gewaltakten statt.

Einen Ausgangspunkt der Popularisierung rechter Bewegungen in Deutschland bildeten die »Montagsmahnwachen für den Frieden«. Die Initiatoren der Mahnwachen, Ken Jebsen und Lars Mährholz, rechtfertigten die russische Intervention in der Ukraine und Besetzung der Krim durch russisches Militär und bewegten sich in ihren ausufernden Reden im Spannungsfeld zwischen der bedeutungsschwangeren Forderung nach »Frieden« und der »Aufklärung« uber die »wahren Zusammenhänge«. Sie lieferten eindimensionale Welterklärungen, deren allgemeine Offenheit gegenuber Verschwörungstheorien (»Antizionismus«, Chemtrails, Kritik an der Politik der NATO und der US-Notenbank »Federal Reserve«) immer mit einer unterschwelligen, teilweise auch expliziten antisemitischen Grundhaltung einhergeht. (1)

Der Pegida-Schock

Die Mahnwachen für den Frieden (ak 622) verloren angesichts von Pegida schlagartig an Bedeutung, auch weil sich Ken Jebsen von Pegida abgrenzte. Mit Spitzenwerten von 25.000 Teilnehmer_innen in Dresden war das Signal eines außerparlamentarischen Triumphes von Rechts gesetzt: »Lugenpresse«, ein Propagandabegriff der NSDAP, wurde zum Unwort des Jahres 2015 gekurt.

Analog zur inhaltlichen Wendung des Front National in Frankreich (»Ni droite ni gauche - français!« - »Nicht rechts, nicht links - französisch!«) hat auch in Deutschland der Rassismus gegen Geflüchtete und Muslime die neue rechte Einheitsfront zusammengeführt. Auch wenn es sich bei vielen Pegida-Argumentationsmustern nach wie vor um Spielarten von strukturellem Antisemitismus handelt und auf den Pegida-Demos natürlich noch immer »Antizionist_innen« unterwegs sind, gelingt es der rechten Bewegung, scheinbar diametral entgegengesetzte Meinungen unter einen Hut zu bringen. Der Blog »Politically Incorrect News«, wichtiges Pegida-Leitmedium, bezeichnet sich in seinen Leitlinien als »pro-amerikanisch und pro-israelisch«. Während das inhaltliche Spektrum bei den Montagsmahnwachen fur den Frieden auf (antisemitische) Verschwörungstheorien und verkurzte Kapitalismuskritik beschränkt blieb, ging es bei Pegida in die ganze Bandbreite konservativer, nationalistischer, rassistischer und faschistoider Ressentiments, unter dem Konsens der Angst vor der »drohenden Islamisierung«.

Gefühle und Irrationalität, Nazis als Opfer

Einen Argumentationsstil, der bewusst widerspruchliche Aussagen zulässt und dem die aggressive Präsenz der Sprecher_innen wichtiger ist als die inhaltliche Kohärenz des Gesagten, favorisiert auch die AfD. Mehr noch: Die offensive Artikulation von widersprüchlichen Standpunkten wirkt hier als Trigger für mediale Aufmerksamkeit. Dabei spielen der Appell an Gefuhle und ein Bekenntnis zum Irrationalen eine wichtige Rolle.

Sowohl Pegida als auch die AfD nehmen einen Opfer- und Befreiungsdiskurs fur sich in Anspruch, der von der Wahrnehmung geprägt ist, dass Rassismus, Nationalismus und völkische Ideologie in der BRD öffentlich diskreditiert werden. Dies wird als ungerechtfertigter Ausschluss wahrgenommen, fur den die »Gender-Ideologie«, der »Multikulti-Wahnsinn« oder »die Medien« verantwortlich seien. Letztere vor allem deshalb, weil sie von »Gutmenschen«, »Alt-68ern« oder der »zionistischen Lobby in Washington« gesteuert wurden. Das radikale Begehren richtet sich deshalb primär darauf, den öffentlichen Diskurs so weit nach rechts zu verschieben, dass man sich als Nazi in Deutschland endlich nicht mehr schämen muss.

Sachliche Argumente sind zu diesem Zweck eher hinderlich. Stattdessen werden Parolen und Symbole anderer Protestbewegungen wie z.B. der Burgerrechtsbewegung der DDR oder der Nazis in der Weimarer Republik kopiert - aber nicht um inhaltlich an diese Bewegungen anzuschließen, sondern um sich ihre machtpolitischen Erfolge bzw. ihre gesellschaftliche Relevanz anzueignen. Gerade historisch und politisch aufgeladene Begriffe werden durch willkurliche und mehrfache Umdeutungen (»die Antifa-SA«) und exzessiven Gebrauch sukzessive von rechts dominiert und »erobert«. Dazu gehören auch Wörter wie »Frieden«, »Faschismus«, »Demokratie« oder »Medienfreiheit«. Ganz zu schweigen von Essenzialismen wie »Volk« oder »Wahrheit«.

Rechte Sprachbarrieren

Bei Menschen mit einem herkömmlichen politischen Vokabular, sei es burgerlich oder kritisch, erzeugen diese Sprachmuster eine Art Referenzkatastrophe. Ständig werden Argumente gebracht, auf die einzugehen sich nicht aus Grunden der Meinung oder Moral verbietet, sondern aus dem Grund ihrer logischen und begrifflichen Inkohärenz. Seit Donald Trumps Wahlsieg verschiebt sich der diskursive Rahmen verstärkt unter die Gürtellinie. Ein Geplärr umgibt die Welt, das massiv diskriminiert und von so großer sprachlicher und gedanklicher Armut ist, dass es nur noch grotesk und obszön wirkt, wenn man die Macht mitbedenkt, die sein Urheber hat.

Dieser rechte Anti-Diskurs ist es, der auch als postfaktische Politik bezeichnet wird. Vorurteile und Abwehrhaltungen werden hier nicht begründet, sondern einfach behauptet. Die Rechte erzeugt so eine »Sprachbarriere« hinter der sich ihr Gesellschaftsbild munter entwickeln kann und abstrakte Ängste als kollektiv performte Wut Gestalt annehmen, z.B. in den 921 von der Polizei gezählten Angriffen auf Geflüchtete und Asylunterkünfte im vergangenen Jahr in Deutschland. Erfolge einer Politik, die zwar verbal, aber nicht mehr argumentativ funktioniert - mittels der Faszination von Worten, die wirken ohne zu bedeuten und Sprechakten, die nur als Gewaltakte im aggressiven Gestus des Ressentiments ihren Sinn finden.

Diese Methoden bilden ein gemeinsames Merkmal aller rechten Bewegungen. Montagsmahnwachen, Pegida und die AfD haben als weitere Gemeinsamkeiten die Co-Präsenz von Reichsburgern und der Anhänger_innen der identitären Bewegung sowie die Unterstutzung durch Jurgen Elsässer, der im September 2016 Aktivist_innen der identitären Bewegung im Namen seines Magazins Compact zu einer Veranstaltung mit der Überschrift »neue Protestjugend« nach Berlin einlud. Gemeinsam mit dem rechten Vordenker Götz Kubitschek und den AfD-Politikern André Poggenburg und Hans-Thomas Tillschneider hat Elsässer den Verein »ein Prozent« gegründet, der die Vernetzung von »Widerstandsgruppen« im ganzen Land zum Ziel hat. Der Verein sammelt Geld u.a. für Aktionen der Identitären und strahlt über einen Youtubekanal Propagandavideos auch für die AfD aus, die in einem eigenen Studio produziert werden. Götz Kubitschek wiederum ist Initiator des ultrarechten Thinktanks Institut für Staatspolitik, der der Jungen Freiheit nahesteht und selbst die Zeitschrift »Sezession« herausgibt.

Dialog zwischen Welle und Teilchen

Die Einigkeit, die in der Entrüstung gegenüber dem rechten Lager besteht, vermag dem Triumph der Gewalt noch nichts entgegen zu setzen.

Noch ist diese neue Gewalt überwiegend sprachlich artikuliert, aber die Grenze, diskriminierende Übergriffe, seien sie sprachlicher oder physischer Natur, wieder als primäres politisches Instrument zu legitimieren, ist vielerorts bereits überschritten. Um diese Verschiebung der Grenzen des Mach- und Sagbaren geht es bei den rechten Framing-Diskursen.

Die Erkenntnis, dass bei den Rechten Kopf und Fuß kein Problem miteinander haben, gilt noch immer. Und zur alten Erkenntnis gesellt sich die alte Frage: Soll man mit Rechten reden? Um Scheinargumente und Selbstwiderspruche zu entlarven, mag dies geboten sein - ohne den Rechten neue Plattformen zu bieten. Auch hinsichtlich der Argumente bedarf es einer Entscheidung: Soll man die liberalen, burgerlichen Demokratien verteidigen? Die extreme Rechte erklärt das liberale Establishment zum Feind, ist aber vielerorts aus ihm hervorgegangen.

Die rechten Bewegungen, die heute die Demokratien bedrohen, stehen sehr wohl im Zusammenhang mit kapitalistischer Herrschaft. Pegida, AfD und Co. sind die ideologischen Abfälle der Leistungsgesellschaft und die offene Gewalt der Rechten spiegelt die versteckte Gewalt der ökonomischen Zwänge wieder, die sich durch die Behauptung von der Alternativlosigkeit der Verhältnisse immer schwerer verhüllen lässt. Wie also lässt sich die Verteidigung der Demokratien gegen Rechts mit grundlegender Kritik an kapitalistischen Verhältnissen kombinieren? Es wird noch wichtiger als bisher, sich mit Aktivist_innen über die Ländergrenzen hinweg auszutauschen und zu vernetzen, um die symbolischen Ordnungen kapitalistischer Kriege und die medialen Freund-Feind-Schemata zu unterlaufen. Es ist wichtiger denn je, die Kategorien »links« und »rechts« als politische Werkzeuge zu verteidigen, ihre konkrete Bedeutung immer wieder zu hinterfragen und zu klären.

Eine zukünftige Herausforderung besteht darin, Diskurse außerhalb der allgemeinen Ausbreitung von Gewalt und der Auflösung von Ordnungsstrukturen zu schaffen und ein Bewusstsein für zukünftige Klassenkämpfe zu halten und zu etablieren. Ausgangspunkt ist, nach wie vor, nicht die sich selbst gleiche Masse, sondern die Vielfalt der marginalen und leisen Stimmen. Doch es zeigt sich, dass wir noch bessere Werkzeuge brauchen, um ihren vielstimmigen Chor zu verstärken. Ein linkes Sprechen muss nicht leise bleiben, aber es muss nach anderen Regeln funktionieren als die sprachliche Gewalt der Rechten.

Yves Error lebt als Autor und Theaterregisseur in Berlin.

Anmerkung:

1) Laut einer Studie der TU Berlin, stimmten zwei Drittel der Befragten Demonstrationsteilnehmer_innen der Aussage: »Die Einteilung in links und rechts in der Politik ist überholt«, zu. Siehe depositonce.tu-berlin.de