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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 623 / 17.1.2017

Massive direkte Aktionen

International Der Widerstand gegen das Trump-Regime wächst

Von Max Böhnel

Das linksradikale Bündnis DisruptJ20 hat sich einiges vorgenommen: »Massive direkte Aktionen, die die Amtseinführung und alle damit zusammenhängenden Feiern blockieren werden«, sind geplant: »Wir werden die Stadt lahm legen«, heißt es in dem Aufruf, der seit Wochen kursiert. Der Widerstand gegen das Trump-Regime habe begonnen. Es gehe nicht nur darum, den traditionellen Spaziergang des frisch vereidigten Präsidenten vom Kapitol zum Weißen Haus zu verhindern, sondern auch den öffentlichen Verkehr in Washington D.C. zu stoppen und abends die Tanzbälle des Establishments zu stören.

Für den friedlichen Verlauf der genehmigten Proteste, die in bestimmten eingegrenzten Bereichen verlaufen sollen, und für den Schutz der jubelnden Trump-Unterstützer_innen - 250.000 werden erwartet - wird am Tag der Amtseinführung ein militarisierter Sicherheitskordon sorgen. Das sind nicht nur die Kapitolspolizei, der Secret Service und die Bundespolizei FBI, laut Ankündigung in einer polizeilichen Gesamtstärke von 3.000 Personen, sondern auch die Nationalgarde mit 7.500 Bewaffneten aus dem gesamten Land. Nicht ausgeschlossen sind Auseinandersetzungen von Linken, die in der Nähe von Trumps Marschroute eine Versammlungsgenehmigung erhalten haben, mit den berüchtigten Bikers for Trump, die sich unweit davon ebenfalls treffen werden. Anders als beispielweise beim Parteitag der Republikaner in Ohio, wo Trump-Anhänger_innen offen Waffen trugen, gilt in der US-Hauptstadt allerdings ein Waffenverbot für Privatpersonen.

Women's March on Washington

Für den folgenden Tag ist der inzwischen international bekannt gewordene Women's March on Washington geplant. Laut Facebook haben 185.000 Menschen fest zugesagt. Es werden also insgesamt mehr als 200.000 Trump-Gegner_innen werden - womit die größte Protestdemonstration gegen einen frisch gekürten US-Präsidenten bevorsteht. Hollywoodgrößen wie Amy Schumer und Scarlett Johansson haben ihre Teilnahme angekündigt; große Mode- und Boulevardmagazine wie Vogue und People mobilisieren dafür. Das Ziel besteht laut Aufruf in einem Solidaritätsmarsch, der am ersten Amtstag der neuen Regierung deutlich machen soll, »dass Frauenrechte Menschenrechte sind«.

Die Forderungen sind vage gehalten, der Name Trump kommt darin ebenso wenig vor wie die Begriffe Befreiung, Kapitalismus oder Autoritarismus. Stattdessen heißt es an einer Stelle: »Die Wahlkampfrhetorik hat viele von uns beleidigt, dämonisiert und bedroht - Immigrant_innen von jeglichem Status, Muslime und Anhänger_innen anderer Glaubensrichtungen, Menschen, die sich als LGBTQIA identifizieren, Native Americans, Schwarze und Braune Menschen, Menschen mit Behinderungen, Überlebende von sexuellen Angriffen. Und unsere Communities leiden und sind verängstigt. Wir stehen vor der Frage, wie es angesichts nationaler und internationaler Betroffenheit und Angst weitergehen soll.« Die Wortwahl zeigt dennoch, dass die Einordnung der Großdemonstration als Ausdruck eines »bürgerlichen Feminismus« fehl geht. Die Schirmherrschaft haben die feministische Ikone Gloria Steinem und der linke Entertainer und Bürgerrechtler Harry Belafonte übernommen; beide sind mehr als 80 Jahre alt. Die Demonstration ist der erste groß angelegte Versuch, das Konzept »intersectionality« auf die Straße zu tragen.

Die Idee, in Washington gegen Trumps Amtseinführung zu protestieren, hatten in der schockierenden Wahlnacht mehrere Frauen unabhängig voneinander. Die meisten Facebook-Likes soll dabei die in Hawaii lebende Rentnerin Teresa Shook erhalten haben, 10.000 am Morgen danach. Nach einigen Kontroversen über den richtigen Namen für die Demo und Kritik an der Dominanz weißer Frauen in den ersten Wochen arbeiten etwa 15 Organisatorinnen laut eigenem Anspruch mit einem »horizontalen Führungsansatz« rund um die Uhr an dem Mammutunternehmen. Dazu gehören Frauen, die führend in der Black-Lives-Matter-Bewegung, im Wahlkampf für Bernie Sanders und für Waffenkontrollen aktiv waren.

Ob sich in den USA ein nachhaltiger Widerstand gegen das Trump-Regime bilden kann, der über Demonstrationen wie die am 20. Und 21. Januar hinausgeht, ist völlig unklar. Zwar gibt es Hoffnungsschimmer: Linke Organisationen wie die Democratic Socialists of America wachsen, Gruppierungen innerhalb der Demokratischen Partei wie moveon.org oder Progressive Democrats haben eine Selbstverpflichtung auf »no normalization« beschlossen, und auch ein Linksruck der Demokratischen Partei ist durchaus möglich. Dennoch wirkt die Opposition gegen das autoritäre, neoliberale Durchregieren von Trump und seinen Republikanern bis auf weiteres wie Sisyphusarbeit.

Doch davon lassen sich Hunderttausende nicht abhalten. Proteste und Graswurzelaktivitäten auf lokaler Ebene haben sich seit dem 8. November vervielfacht, ebenso Spenden an Bürger- und Menschenrechtsorganisationen.

Max Böhnel lebt und schreibt in New York.