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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 627 / 16.5.2017

Meinung

Surprise, Surprise: Nazis in der Bundeswehr

Irgendwie kommt einem in der Debatte einiges bekannt vor: Von »Einzelfällen« ist die Rede, strukturelle Probleme in Bezug auf Rechtsextremismus gebe es in der Bundeswehr selbstverständlich nicht. Nun, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, wird vor allem eine Forderung laut: Der Militärische Abschirmdienst (MAD) müsse personell deutlich verstärkt werden. War das nicht auch eine der - grotesken - Konsequenzen aus dem Fall NSU, nämlich dass der Verfassungsschutz gestärkt daraus hervorging?

Nun also die Bundeswehr. Auch hier lässt sich ein rechtes Netzwerk vermuten, bewiesen wurde es bislang allerdings nicht. Drei Tatverdächtige wurden festgenommen - Oberleutnant Franco A., der sich als Geflüchteter ausgab und offensichtlich Anschläge auf Politiker_innen plante; Matthias F., bei dem die Polizei ein Munitionslager von rund 1.000 Schuss Patronen verschiedener Kaliber fand; Oberleutnant Maximilian T., der als möglicher Komplize von Franco A. gilt. Zudem existierte eine Chatgruppe, in der sich über extrem rechte Positionen ausgetauscht wurde.

Bei Linken hält sich die Verwunderung über den Skandal vermutlich in Grenzen. Nazis in der Bundeswehr - alter Hut, kennen wir seit Jahren. Immer wieder haben Linke auf Kontinuitäten und rechte Traditionslinien aufmerksam gemacht: Jahrelang mobilisierte der Arbeitskreis Angreifbare Traditionspflege nach Mittenwald. Hier, auf dem Hohen Brendten, gedachten alte und neue Gebirgsjäger ihrer gefallenen »Kameraden«, die während des Nationalsozialismus Massaker verübten. In Bad Reichenhall »ziert« die Hochstaufen-Kaserne auch heute noch ein Bild kampfbereiter Landser, darunter ein Reichsadler! Immerhin: Das Hakenkreuz in dessen Krallen wurde durch ein Edelweiß ersetzt. Auch hier lebt der Geist der alten Gebirgsjäger fort. (ak 560) Noch bis 2012 war die Kaserne nach dem General der Gebirgstruppe der Wehrmacht, Rudolf Konrad, benannt.

Acht Bundeswehrstützpunkte, die heute noch Namen mit NS-Bezug tragen, zählt die Süddeutsche Zeitung: die General-Thomsen-Kaserne in Stadum, die Marseille-Kaserne in Appen-Uetersen, die Feldwebel-Lilienthal-Kaserne in Delmenhorst, die Lent-Kaserne in Rothenburg, die Schulz-Lutz-Kaserne und die Hindenburg-Kaserne in Munster und sogar zwei Generalfeldmarschall-Rommel-Kasernen, einmal in Augsburg und einmal in Dornstadt. Nicht nur das: Feldjäger der Bundeswehr tragen den Spruch »suum cuique« an ihren Mützen - »Jedem das seine«. Das war auch die Beschriftung am Tor des Konzentrationslagers Buchenwald. Ein reflektierter Umgang mit der Vergangenheit, den sich die Bundeswehr auf die Fahnen schreibt, sieht anders aus.

Traditionslinien zum Nationalsozialismus fanden und finden sich bei der Bundeswehr - trotz Traditionserlass, der unter anderem regeln soll, in welcher Form »Erinnerungsstücke« an die Wehrmacht gesammelt werden dürfen - auf vielen verschiedenen Ebenen. Jetzt sollen alle Wehrmachtsdevotionalien, die nicht historisch eingebettet präsentiert werden, aufgespürt und aus den Stuben und Dienstzimmern entfernt werden. Bislang scheinen sie allerdings niemanden gestört zu haben. Außerdem soll besagter Traditionserlass überarbeitet werden. Seit 2011, also seit Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht, gibt es bei Bewerber_innen für die Bundeswehr keine Sicherheitsprüfung durch den MAD mehr. Dies, so sagen nun Kritiker_innen, sei das eigentliche Problem, weswegen der MAD gestärkt und eine solche Prüfung zum Sommer wiedereingeführt werden soll.

Das Problem Nazis in der Bundeswehr hauptsächlich durch die sicherheitspolitische Brille zu sehen, geht zwar am eigentlichen Problem vorbei, ist aber nicht der absurdeste Standpunkt in dieser Diskussion. Hervorgetan hat sich zum Beispiel der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg. Angesichts der aktuellen Vorkommnisse schlägt er eine Rückkehr zur allgemeinen Wehrpflicht vor. Die Aussetzung der Wehrpflicht habe bewirkt, dass die Bundeswehr keinen Querschnitt der Gesellschaft mehr abbilden könne. Ernsthaft? Wann hat denn bitte die Bundeswehr einen solchen Querschnitt abgebildet? Aber es wird noch besser: Der Bürger in Uniform, so Sensburg, wäre ein »verlässliches Frühwarnsystem zur Erkennung von Extremismus von links und rechts.« Linksextremismus in der Bundeswehr - stimmt, das ist sicherlich ein sehr ernstzunehmendes Problem. »Unsere Zivilbevölkerung ist auch das Immunsystem gegen Demokratiefeindlichkeit«, sagt der aktive Reserveoffizier. Und deswegen soll nun diese Zivilgesellschaft zum Bund? Gewagt.

Sensburg ist aber nicht der einzige, der in der Abschaffung der Wehrpflicht einen der Gründe für das Problem sieht. Bis 2011 prüfte der MAD Bewerber_innen auf »extremistische Gesinnung«. Nun aber, wo bei der Bundeswehr Fachkräftemangel herrscht, nimmt man - gezwungenermaßen - quasi jede und jeden. Und das sei also die Ursache für die rechten Umtriebe. Als hätte es vor 2011 keine Neonazis in der Bundeswehr gegeben.

Für Neonazis ist der Dienst an der Waffe vermutlich heute so attraktiv wie damals. Für's Vaterland sterben, ist schließlich deutsche Ehrensache. Und selbst wenn man aus neonationalsozialistischer Weltanschauung heraus die Bundesrepublik ablehnt, bleibt die Ausbildung in einem männerdominierten Kampfverband attraktiv - gerade wenn es für gewöhnlich niemanden stört, wenn man einen Stahlhelm auf dem Nachtisch hat.

Aber damit soll ja nun Schluss sein. Klappt bestimmt, einmal aufräumen, Problem erledigt. Übrigens, eigentlich hätte der Fall Franco A. & Co. sogar für Nicht-Linke erwartbar sein können: Vor gut einem Jahr ergab die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (Die LINKE): Anfang 2016 wurden 230 rechtsextremistische Verdachtsfälle innerhalb der Bundeswehr vom MAD bearbeitet. Dabei ging es mehrheitlich um Propagandadelikte, rassistische Beleidigungen, das Zeigen des sogenannten Hitlergrußes, Verschicken von Fotos mit neonazistischen Inhalten oder volksverhetzende Äußerungen bei Facebook oder in Handychats. Ein bisschen viel für »Einzelfälle«.

Maike Zimmermann